Bergpatenschaft im Himalaya
Nepal ist das Pionierland der schweizerischen Entwicklungshilfe; diese begann auf nepalische Initiative 1950, also in einer Zeit, als «Hilfe» noch keinen herablassenden Beiklang hatte. Nach der ersten schweizerischen Erkundungsmission im Himalaya-Land vergingen fünf Jahre, bis das Schweizerische Hilfswerk für aussereuropäische Gebiete – die heutige Helvetas – gegründet wurde und in Nepal seine Tätigkeit aufnahm: indem es einen Käser samt Material entsandte.
Langer Lernprozess
Als erster ständiger Koordinator in Kathmandu amtete 1958-60 Rolf Wilhelm; kurz danach stiess er beim Bund zum neu geschaffenen Dienst für technische Zusammenarbeit (nicht mehr «Hilfe»), die heutige Deza. Mittlerweile 85-jährig, legt er nun als Bilanz von sechs Jahrzehnten vielfältiger Entwicklungszusammenarbeit der beiden Bergländer das Buch «Gemeinsam unterwegs» vor. Mit Einschüben mehrerer Ko-Autoren ist es ein gewichtiges, wenn auch etwas sperriges Werk geworden; streckenweise eher eine Materialsammlung als eine durchgestaltete Monografie.
Die vielen Facetten des Bandes beleuchten – meist aus der Sicht der «Front», der Arbeit im Land und mit den Leuten – Probleme, die sich in ähnlicher Art auch anderswo zeigten: Gewöhnung an unterschiedliche Kommunikationsformen und Zeitvorstellungen, Auseinandersetzungen mit der Bürokratie im Gast- und im Heimatland (hier schon früh mit Rivalitäten zwischen Handels- und Entwicklungsförderung); Auswertung der Erfahrungen und Lernprozesse. Das Zusammenspiel zwischen bi- und multilateraler Hilfe spielte von Anfang an eine Rolle, indem «Schweizer» Projekte Fremdfinanzierung brauchten.
«Trotzdem» Bürgerkrieg
Auch dass «alles mit allem zusammenhängt», zeigte sich in Nepal, und es führte ab 1975 zu einem «integrierten Projekt»: Zusammen mit dem Strassenbau in ein Berggebiet wurden Vorhaben für Berufsbildung, Gesundheit, Wasserkraft, Land- und Forstwirtschaft angepackt. Ebenfalls exemplarisch wurde gepflegt, was früher «Hilfe zur Selbsthilfe» hiess und heute «capacity building» genannt wird; die Beteiligten sollten befähigt werden, selber für ihre Rechte einzutreten und Konflikte zu bewältigen.
Letzteres schliesslich auch in der grossen Politik: Schweizer Vermittlung trug bis 2006 viel zur Beilegung des Bürgerkriegs zwischen Maoisten und Royalisten bei. Gerade der Bürgerkrieg zeigte aber auch, dass Nepal keineswegs den Idealpfad der Entwicklung gefunden hatte. Den messbaren Fortschritten etwa bei Infrastruktur, Bildung und Gesundheit stehen Landflucht und wachsende soziale Unterschiede entgegen.
Rolf Wilhelm: Gemeinsam unterwegs. Eine Zeitreise durch 60 Jahre Entwicklungszusammenarbeit Schweiz-Nepal. Haupt, Bern 2012, 381 S., Fr. 48.-
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine