ArbeitsMeister_Schweiza

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Beim Arbeiten ist die Schweiz Europameister

Hanspeter Guggenbühl /  »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.» Die Schweiz verfügt heute über die höchste Quote an Erwerbstätigen in Europa.

Als in der Schweiz 50,3 Prozent der Abstimmenden die SVP-Initiative «gegen Masseneinwanderung» befürworteten, schwärmten Reporter und Redaktorinnen aus und fragten bang: Werden international tätige Unternehmen abwandern? Gehen Arbeitsplätze verloren? Die Recherchen erwiesen sich als wenig ergiebig. Trotzdem blieb und bleibt uns das Thema erhalten. Im «Sorgenbarometer», den die Credit Suisse jährlich erhebt, steht die Angst vor Arbeitsplatz-Verlust regelmässig an der Spitze. Wer in einer politischen Debatte die Erhaltung von Arbeitsplätzen ins Feld führt – oder ihren drohenden Verlust –, hat schon gewonnen.

Damit fragt sich: Fehlt es der Schweiz an Arbeit? Gibt es weniger oder mehr davon als früher? Und wo steht die Schweiz punkto Arbeit im Vergleich zu den umliegenden Staaten? Statistiken über den Arbeitsmarkt liefern Antworten.

Arbeit wuchs stärker als Produktivität

Der beste Indikator für den Umfang der Arbeit ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden. In der Schweiz stieg diese Zahl vom Jahr 2000 bis 2012 um rund 12 Prozent, also annähernd ein Prozent pro Jahr. Das Schweizer Arbeitsvolumen ist damit im 21. Jahrhundert noch etwas stärker gewachsen als die Bevölkerung (siehe Grafik: «Arbeit wuchs stärker als Bevölkerung»), aber weniger stark als die Wirtschaft insgesamt, gemessen am teuerungsbereinigten Bruttoinlandprodukt (BIP real).

Aus der Differenz zwischen Wirtschafts- und Arbeitswachstum ergibt sich die Zunahme der Arbeitsproduktivität. Diese stieg seit 2000 – vor allem ab 2009 – weniger stark als die Zahl der Arbeitsstunden. Diese Entwicklung ist relativ neu. Das belegt eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich*: Von 1960 bis zum Jahr 2000, also innerhalb von 40 Jahren, stieg die Zahl der in der Schweiz geleisteten Arbeitsstunden lediglich um sechs Prozent, während sich die Produktivität im damaligen Zeitraum mehr als verdoppelte. Der Grund für diese unterschiedliche Entwicklung: Zwischen 1960 und 2000 stieg die Produktivität dank Automation vor allem in der Industrie, und diese Steigerung wurde damals durch Arbeitszeitverkürzungen und längere Ferien teilweise kompensiert. Seit dem Jahr 2000 hingegen wächst vor allem der arbeitsintensive Dienstleistungsbereich.

Höchster Arbeitsfleiss Europas

Bemerkenswert ist nicht nur die Zunahme von Erwerbstätigkeit und Arbeitsumfang innerhalb der Schweiz, sondern auch der Vergleich mit Europa. Als Massstab dient die Quote der Erwerbstätigen; dabei handelt es sich um den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 64 Jahren, der tatsächlich einer Erwerbsarbeit nachgeht.

In der Schweiz beträgt diese Quote 82 Prozent. Das ist Europarekord, weil in der Schweiz nicht nur die Erwerbsquote höher, sondern auch die Arbeitslosenrate geringer ist als im übrigen Europa. Hinter der Schweiz folgen Island (81,8 %) und Schweden (79,4 %). Im Durchschnitt der Europäischen Union (EU) gehen 68 Prozent der Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahre einer Erwerbstätigkeit nach. In unseren Nachbarstaaten schwankt diese Erwerbstätigenquote zwischen 61 Prozent in Italien und 77 Prozent in Deutschland (siehe Grafik: «Schweiz als Arbeitsmeister»).

Nicht nur beim heutigen Stand, sondern auch bei der Entwicklung unterscheidet sich die Schweiz gegenüber dem übrigen Europa. Denn in den meisten europäischen Staaten hat das Arbeitsvolumen in den letzten Jahren stagniert oder abgenommen. Was zeigt: Die Zuwanderung hat hierzulande nicht nur die Einwohnerzahl vergrössert. Gleichzeitig hat die Schweiz auch ihren Arbeitsanteil gegenüber dem übrigen Europa deutlich erhöht.

Diese Daten relativieren die Sorge der Schweiz um den Erhalt von Arbeit und Arbeitsplätzen. Die düster an die Wand gemalte Verlagerung von Schweizer Arbeitsplätzen ins Ausland würde lediglich zu einer gerechteren Verteilung der Arbeit in Europa führen. Allerdings folgt diese Verteilung nicht den Prinzipien der Gerechtigkeit, sondern der Gunst des Standorts. Die Schweizer Standortförderung konzentrierte sich bisher vor allem auf die Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätzen, weniger auf die Mehrung des Vergnügens.

Das soll sich jetzt ändern. Unter dem Druck der SVP-Initiative, welche die Kontingentierung der Einwanderung verlangt, will die wirtschaftsnahe «Avenir Suisse» den Arbeitsstandort Schweiz unattraktiver machen: Statt mit Steuererleichterungen weitere Unternehmen anzulocken will sie die Anstellung von einwandernden Arbeitskräften mit einer Gebühr belasten. Die ebenfalls wirtschaftsnahe NZZ bezeichnete das als «kreativen Vorschlag».

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* Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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Eine Meinung zu

  • am 24.03.2014 um 14:14 Uhr
    Permalink

    Was soll dieser Beitrag Herr Guggenbühl? Üben Sie nun Kritik an der Avenir Suisse oder an der NZZ? Was wollen sie aussagen? Haben Sie sich die hohe Beschäftigung der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz näher angeschaut? Was bedeuten die 82 %?
    Was sagen sie aus? Stellen Sie vielleicht zu Recht fest, dass die Arbeitsproduktivität seit dem Jahr 2000 in der Schweiz mit den neu geschaffenen Stellen nicht mehr mithält, was vielleicht auf die vielen Teilzeitbeschäftigen Rückschlüsse zulässt?
    Oder wollen Sie uns weismachen, dass der Schweizer Souverän am 9. Februar 2014 den falschen Entscheid gefällt hat? Fragen über Fragen. Darf ich Sie bitten, diese Fragen zu beantworten? Besten Dank!

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