Kommentar

Ausser Kontrolle

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. ©

Oswald Sigg /  Lesehilfe zum Bundesgesetz über den Nachrichtendienst für Unentschlossene.

Geheimdienstgesetz – so müsste das am nächsten Wochenende zur Abstimmung stehende Nachrichtendienstgesetz heissen. Denn dort wird die politische Steuerung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) durch den Bundesrat geregelt: «Er erteilt dem NDB den Grundauftrag und erneuert diesen mindestens alle vier Jahre; der Grundauftrag ist geheim.» (Art. 70, Abs. 1a) Für einen wirklichen Geheimdienst wäre der Satz als Gesetz ausreichend. Aber in der Schweiz wollen Bundesrat und Parlament der Welt zeigen, dass wir den Vergleich mit den amerikanischen CIA und FBI, dem deutschen BND oder den MI5 und MI6 Grossbritanniens nicht zu scheuen brauchen. Und so liest man denn im 52-seitigen kleingedruckten Gesetzesentwurf, über den wir am 25. September abstimmen werden, welche Tricks und Finten unsere Agentinnen und Spione anwenden würden.
Bewaffnet
Zuerst einmal kann das NDB-Personal «für den Einsatz im Inland mit Waffen ausgestattet werden.» (Art. 8, Abs. 1) Wer mit einer Waffe herumläuft, macht sich verdächtig. Deshalb können NDB-Mitarbeitende auch «mit einer Legende ausgestattet werden, damit deren Zugehörigkeit zum NDB nicht erkennbar ist.» (Art. 17, Abs. 1)
Verschleiert
Eine Legende ist eine erfundene Biographie zur Verschleierung der Identität. Das ist natürlich nicht so einfach, also «kann der NDB Urkunden herstellen oder verändern». (Art. 17, Abs. 3) Falls «eine Person» irgendwie mit Terrorismus etwas am Hut haben würde, kann sie der NDB zur Beschaffung von Informationen durch die Polizei «anhalten lassen, um ihre Identität festzustellen und sie (…) kurz zu befragen». (Art. 24, Abs. 1) Informationen beschafft der NDB aber auch durch «Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs», durch den «Einsatz von Überwachungsgeräten» und das «Eindringen in Computersysteme und Computernetzwerke». (Art. 26, Abs. 1a., c., d.)
Verdeckt
Ein wichtiges Detail zum Vorgehen des Geheimdienstes: «Die Massnahmen werden verdeckt durchgeführt; die betroffene Person wird darüber nicht in Kenntnis gesetzt.» (Art. 26, Abs. 2) Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss: Deshalb fehlt das Beschwerderecht der insgeheim überwachten Personen gegen solche Übergriffe. Das Beschwerderecht fehlt selbst dann, wenn der NDB und die kantonalen Vollzugsstellen amtlich desinformieren: Sie «dürfen Personendaten, einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten und Persönlichkeitsprofile, bearbeiten.» (Art. 44, Abs. 1)
Selbstkontrolliert
Eine potente Aufsichts- und Kontrollinstanz über den sog. Nachrichtendienst gibt es nicht. Vorgesehen ist nur, dass der Bundesrat eine «dem VBS administrativ zugeordnete» und «unabhängige Aufsichtsinstanz» schafft, deren Leitung auf Antrag des VBS gewählt werden soll. (Art. 76, Abs 1 und 2, Art. 77, Abs. 1) In erster Linie aber gilt: «Der NDB stellt durch geeignete Qualitätssicherungs- und Kontrollmasnnahmen (…) den rechtskonformen Vollzug dieses Gesetzes (…) sicher.» (Art. 75) Der Nachrichtendienst des Bundes kontrolliert sich gleich selbst.

(Quelle: Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 25. September 2016)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Terrorist

NSA, BND, NDB: Totale Überwachung?

Die Angst vor terroristischen Anschlägen wird als Grund genannt für weitreichende Privatsphäre-Eingriffe.

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2 Meinungen

  • am 17.09.2016 um 12:52 Uhr
    Permalink

    Haben Sie schon mal von einem öffentlichen Nachrichtendienst Kenntnis genommen? NSA und deutscher Nachrichtendienst lassen gruessen!

  • am 20.09.2016 um 00:01 Uhr
    Permalink

    Ein Nachrichtendienst muss vernünftig und effektiv arbeiten können. Dazu muss man ihm die erforderlichen Werkzeuge zugestehen. Wer gesetzeskonform lebt, braucht sich vor dem Geheimdienst nicht zu scheuen. Der Bundesrat hat ja alle vier Jahre die Möglichkeit, das Visier zu schieben! Ich will einen starken Nachrichten- oder Geheimdienst! Vielleicht wird es dadurch ausländische Mafiaorganisation und dgl. abschrecken, in der Schweiz zu agieren. Allein die Geldwäsche könnte stark reduziert werden, wenn jene Restaurants, die nicht mehr rendierten innert Kürze zu prosperierenden Pizzerien mutieren! Daneben gibt es bestimmt auch noch grosse Brocken zu knacken – nicht ohne Zielen, Strategien, Aufträgen und Mitteln (personelle, finanzielle, organisatorische, administrative usw.).

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