Flugzeugabsturz_Ensi

Den Inhalt dieser Medienmitteilung wollte das Ensi nachträglich geheimhalten © -

Atomaufsicht Ensi perfektioniert die Geheimhaltung

Kurt Marti /  Die Schweizer Atomaufsicht Ensi hält sogar Informationen geheim, die bereits durch eigene Medienmitteilungen publiziert wurden.

Die Geheimhaltung des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) treibt immer buntere Blüten: Eine Privatperson verlangte im April 2013 Einsicht in die Verfügungen des Ensi an die AKW-Betreiber bezüglich der Untersuchungen zum Risiko von Grossraumflugzeugen. Das Ensi verweigerte die Einsicht mit dem Verweis auf drei Artikel des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ):

  • Art. 7 Abs. 1 Bst. a (wesentliche Beeinträchtigung der freien Meinungs- und Willensbildung der Behörde)
  • Art. 7 Abs. 1 Bst. c (Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz)
  • Art. 8 Abs. 2 (ausstehender politischer oder administrativer Entscheid, für den die verlangten Dokumente die Grundlage bilden)

Obstruktion gegenüber dem Datenschützer

Anfang Mai 2013 reichte die Privatperson einen Schlichtungsantrag beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Datenschützer) ein. Dieser forderte das Ensi auf, alle relevanten Dokumente sowie eine ausführliche und detailliert begründete Stellungnahme einzureichen. Am 22. Mai 2013 wiederholte das Ensi gegenüber dem Datenschützer seine Begründung der Auskunftverweigerung und weigerte sich sogar, dem Datenschützer die verlangten Verfügungen zuzustellen. Darauf forderte der Datenschützer das Ensi telefonisch auf, die verlangten Dokumente zuzustellen, da er «ohne Einsicht in die zu beurteilenden Unterlagen nicht in der Lage» sei, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Ende Mai 2013 reichte das Ensi dem Datenschützer die vier inhaltsgleichen Verfügungen an die fünf Schweizer Atomkraftwerke ein.

Geheimhaltung für den Inhalt einer Medienmitteilung

Der Datenschützer hatte in diesem Fall gar kein Gehör für die Geheimhaltung des Ensi. In seiner Empfehlung vom 19. September 2014 forderte er das Ensi unmissverständlich auf, die verlangten Verfügungen offenzulegen, weil «praktisch der gesamte Inhalt dieser Verfügungen» auch aus der entsprechenden Ensi-Medienmitteilung ablesbar und damit bereits «öffentlich bekannt» sei. Nach Ansicht des Datenschützers kann nämlich «aus den Verfügungen nicht anderes herausgelesen werden, als dass das Ensi die Kraftwerksbetreiber mit diesen erneuten Untersuchungen beauftragt hat». Deshalb ist laut der Empfehlung des Datenschützers keine Rede von einer wesentlichen Beeinträchtigung der freien Meinungs- und Willensbildung der Behörde oder einer Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz.

Weiteres Einsichtsgesuch abgelehnt

In einem weiteren Gesuch an den Datenschützer verlangte die Privatperson laut Datenschützer «Einsicht in die aktuelle Versuchsanordnung, den Ablauf und die Ergebnisse von Simulationsflügen auf Atomkraftwerke». Dieses Gesuch lehnte der Datenschützer unter anderem mit Verweis auf Art. 7 Abs. 1 Bst. c des Öffentlichkeitsgesetzes (Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz) ab: «Eine frühzeitige Bekanntgabe entsprechender Informationen, insbesondere noch während der laufenden Untersuchungen und damit noch bevor entsprechende Lehren aus den Ergebnissen gezogen werden konnten, würde mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu führen, Schwachstellen und Mängel von Atomkraftwerken bekanntzugeben, deren Kenntnis durchaus terroristische Aktivitäten begünstigen, im Extremfall sogar provozieren könnte.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

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Kontrolle dank Öffentlichkeitsgesetz

Bürgerinnen und Bürger müssen für Transparenz von Regierungen und Verwaltungen stets kämpfen.

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3 Meinungen

  • am 27.09.2014 um 23:53 Uhr
    Permalink

    "Schwachstellen und Mängel von Atomkraftwerken bekanntzugeben, deren Kenntnis durchaus terroristische Aktivitäten begünstigen, im Extremfall sogar provozieren könnte.» Exakt in derjenigen Sekunde, in der solche Schwachstellen und Mängel entdeckt werden, müsste ein AKW eigentlich abgestellt werden, nicht? Aber eben: Das ENSI wird dann zuerst eine Verfügung schreiben mit der Bitte um Stellungnahme, dann die Stellungnahme prüfen und Gutachten verlangen, die Betreiber werden Verbesserungen planen, das ENSI wird diese Vorhaben prüfen mit der Bitte um Stellungnahme… – und so weiter und so fort bis zum St. Nimmerleinstag.

  • am 28.09.2014 um 14:59 Uhr
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    »… würde mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu führen, Schwachstellen und Mängel von Atomkraftwerken bekanntzugeben, …»

    Aber die Sicherheit ist nicht gefährdet. Natürlich nicht. Denn sonst müssten unsere Atomreaktoren per Gesetz still stehen. Und die Freunde der Atom- und Gas-Doris wollen das nicht, also geschieht es nicht.

    Die Geheimhaltungspolitik der Bundesbehörden ist ebenso grotesk wie sie gefährlich ist.

    Einen ähnlichen Fall von Geheimhaltung gibt es bezüglich des Anhangs zum Kompenationsvertrag zwischen dem BAFU und der Projektgesellschaft des Gaskraftwerks Chavalon (Teil 1: http://wp.me/a4Vu1w-2O; Teil 2: http://wp.me/a4Vu1w-2P). Auch dort sind Textstellen abgedeckt, die z. T. schon lange über die Presse kommuniziert sind. Es sollte beim Datenschutzbeauftragten die Offenlegung sämtlicher der vielen Einschwärzungen in diesem Anhang verlangt werden.

  • am 30.09.2014 um 07:24 Uhr
    Permalink

    Leider ist es wie immer. Die welche die Mängel enddecken sind die «Bösen» und die welche die Mängel haben werden vom ENSI geschützt. Übrigens kann seit Jahren alles zu diesem Thema mit dem Stichwort im Googel: Flugzeug auf AKW jetzt schon angeschaut werden. Von welcher Geheimhaltung sprechen die da?

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