Kommentar

Asyl-Referendum – eher darauf verzichten

Beat Allenbach © zvg

Beat Allenbach /  Anstatt die erneuten Verschärfungen zu bekämpfen, könnte man sich mit Freiwilligenarbeit im Asylwesen nützlich machen

Wieder eine Revision, die das Asylrecht verschärft. Dagegen muss man sich wehren und das Referendum unterstützen! Wem die Aufnahme von verfolgten Menschen wichtig ist, wird spontan zustimmen. Doch überlegt man sich die Situation nüchtern, kommen Zweifel auf, ob die Grünen, die Jungsozialisten und andere linke Kreise, die das Referendum ergriffen haben, unterstützt werden sollen.
Die meisten Stimmberechtigten, die sich eine offene Schweiz wünschen, hätten sich eine andere Änderung des Asylgesetzes gewünscht. Doch sind die vom Parlament beschlossenen Verschärfungen ein hinreichender Grund, um eine praktisch aussichtslose Abstimmung zu verlangen? Es ist zu bedenken, dass die Befürworter der Verschärfungen des Gesetzes, die noch weiter gehen wollten, viel mehr Mittel zur Verfügung haben werden als die Referendumsbefürworter. Die öffentliche Diskussion würde von den Scharfmachern dominiert, weshalb es kaum gelingen dürfte, eine starke Stimmung für eine andere Asylpolitik aufzubauen.
Argumente fürs Referendum sind zu schwach
Auch mich stört es, dass das Recht, in den Botschaften der Schweiz ein Asylgesuch einzureichen, gestrichen wird. Dieser Zugang zum Asylgesuch kommt vor allem mittellosen Menschen sowie Frauen mit Kindern entgegen. Wird das Gesuch im Ausland eingereicht, so erübrigt sich zudem im Fall einer Verweigerung des Asyls die Rückführung der Asylsuchenden. Auch die Änderung der Rechtslage für desertierte Asylsuchende ist wenig geeignet, beim Stimmvolk breite Entrüstung zu erzeugen. Der Umstand, dass Deserteure nicht mehr ausdrücklich Anspruch auf Asyl haben, wird nämlich in der Praxis kaum Auswirkungen haben. Deserteure hatten stets nur Anrecht auf Asyl, sofern ihnen unmenschliche Strafen wie Folter drohten. Deserteure, die aus gewalttätigen Diktaturen flüchten, werden weiterhin in der Schweiz bleiben können.

Die Referendums-Befürworter wollen zudem verhindern, dass Asylsuchende, die den Betrieb eines Asylzentrums erheblich stören oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, in besonderen Zentren untergebracht werden. Das leuchtet mir nicht ein. Wer beruflich oder als Freiwilliger mit Asylbewerbern im Gespräch ist, die in Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes oder in Kollektivunterkünften in den Kantonen untergebracht sind, wird wiederholt Klagen von Frauen, Familien, aber auch von Männern hören, einzelne Asylsuchende seien rücksichtslos. Betrunkene würden sie belästigen, auch Erpressungsversuche gebe es. Die Opfer arroganter Asylsuchender verdienen unseren Schutz. Deshalb ist es angebracht, handgreifliche Ruhestörer gesondert unterzubringen.
Misstrauensvotum gegen Simonetta Sommaruga
Weiter wehren sich die Referendumsbefürworter dagegen, dass der Bundesrat vom Parlament die Kompetenz erhalten hat, Pilotprojekte zur Beschleunigung des Asylverfahrens probeweise einzuführen. Die Opposition gegen solche Pilotprojekte kann nur als Misstrauen gegenüber Justizministerin Simonetta Sommaruga gedeutet werden. Dabei ist sie die erste Bundesrätin, die Mängel im Asylbereich nicht nur benennt, sondern zu beheben versucht. Die SP-Bundesrätin hat sich im Parlament mit starken Argumenten und hartnäckig gegen von den Kommissionen verlangte Verschärfungen des Asylgesetzes gewehrt; sie verdient deshalb vorerst unser Vertrauen. Dass sie sich gegenüber den oft von Emotionen geleiteten Parlamentariern mehrmals nicht durchsetzen konnte, darf man der Justizministerin nicht anlasten.
SP-Präsident ist skeptisch
Angesichts der Ausgangslage ist es verständlich und wohl auch klug, dass SP-Präsident Christian Levrat nicht will, dass die Partei das Referendum unterstützt. Er wird die Zahlen von früheren Abstimmungen gegen Revisionen des Asylgesetzes im Kopf haben; den Initianten des jetzigen Referendums sind sie vielleicht nicht mehr gegenwärtig. Stets haben weniger als ein Drittel der Stimmenden das Referendum unterstützt, und zwar in den Jahren 1987, 1994, 1999 und 2006. Soll im kommenden Jahr schon wieder eine Niederlage eingefahren werden?
Es gibt Momente, da man selbst in aussichtsloser Position eine Volksabstimmung verlangen muss. Das sollte man aber nur tun, wenn es um etwas ganz Grundsätzliches geht. Hier aber handelt es sich um eine schleichende relative Verschärfung des Asylrechts. Es wäre kontraproduktiv, der bürgerlichen Mehrheit einen Triumph zu ermöglichen.
Verfahren menschlicher gestalten
Den grossen Einsatz von Energie und (beschränkten) finanziellen Mitteln zugunsten von Flüchtlingen könnte man wirksamer gestalten. Das Asylverfahren dauert oft zu lang; viele Asylsuchende sind während Monaten, manchmal Jahren zur Untätigkeit gezwungen. Sie leben vielleicht in einer Kollektivunterkunft, manchmal auch in einer Pension zu viert oder zu sechst ohne Beschäftigung, ohne die Möglichkeit, einen Sprach- oder einen anderen Kurs zu besuchen. Besonders für junge Leute ist das ungesund: So werden kommende Sozialfälle «gezüchtet».

Die Kantone sagen, ihnen würden die Mittel fehlen (oft ist es jedoch eher der Wille), Beschäftigungen und Kurse zu organisieren. Da wäre für Freiwillige einiges zu tun mit Unterstützung der Hilfswerke und bereits integrierter Landsleute der Asylsuchenden. Für Asylsuchende, die lernen müssen, sich in einer ihnen völlig fremden Welt zu bewegen, ist der Kontakt mit Landsleuten, aber auch mit Einheimischen wichtig. Das Gespräch mit Asylbewerbern zu suchen und sich um sie zu kümmern, würde mehr dazu beitragen, in der Bevölkerung die Stimmung gegenüber Asylsuchenden aufzuhellen, als voller Entrüstung das Referendum zu unterschreiben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Afghanischer_Flchtling_Reuters

Migrantinnen, Migranten, Asylsuchende

Der Ausländeranteil ist in der Schweiz gross: Die Politik streitet über Asyl, Immigration und Ausschaffung.

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