Kommentar
Anstand sollte auch für Banken gelten
Wer am lautesten droht, dem fügt sich die Schweiz. Das ist der falsche Weg aus dem Schwarzgeld-Schlamassel. Banker, Politiker und der Bundesrat sollten endlich die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Denn manche Schweizer sind der Spielchen der Banken überdrüssig und haben genug von einer Regierung und von Politikern, die erst zu handeln bereit sind, wenn sie das Wasser am Hals haben. Steuerhinterziehung ist auch in der Schweiz zu bestrafen. So würde auch Staaten geholfen, die uns nicht erpressen können.
Die offizielle Schweiz und die Finanzwelt haben die wiederholten Alarmsignale nicht zur Kenntnis genommen. Das üble Verwirrspiel, das die Banken mit Nachkommen von jüdischen Naziopfern mit Bankkonten in unserem Land getrieben haben, kam sie teuer zu stehen und schadete dem Ruf der Schweiz. Ein Umdenken hat jener Donnerschlag aber nicht ausgelöst. Obschon das Ausland schärfer hinschaute, haben die Banken weiterhin unversteuertes Geld von Bürgern der USA und anderer Staaten in die Schweiz geholt.
Selbstregulierung der Banken ein Fiasko
In der Folge der Finanzkrise von 2008, als die Banken vieler kapitalistischer Staaten auf die Hilfe des ungeliebten Staats angewiesen waren – auch die UBS -, entdeckte die amerikanische Steuerbehörde die dreiste Politik der UBS, auch amerikanischen Bürgern dabei zu helfen, nicht nur Geld an ihrem Fiskus vorbei in die Schweiz zu schleusen, sondern Bürger sogar dazu anzustiften. Scheinheilig behaupteten die Banker, sie hätten nicht gegen Schweizer Recht verstossen. Sie ignorierten nicht allein die seit langem geltende Sorgfaltspflichtvereinbarung der Bankiervereinigung, welche die aktive Beihilfe zum Steuerhinterziehung und Kapitalflucht verbietet. Sie missachteten zudem auch die Aufforderung der Finma, bei grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen die ausländischen Bestimmungen (z.B. im Bereich des Steuerrechts) einzuhalten. Gemäss ihrem Positionspapier vom 22.10.2010 kann die Finma bei Verletzung der Bestimmungen Sanktionen ergreifen und prüfen, ob bei Finanzdienstleistern die Gewähr für die einwandfreie Geschäftsführung noch gegeben sei. Diese Eingriffsmöglichkeit sollte die Finma im Interesse eines korrekten Finanzplatzes konsequenter nutzen.
Der Bundesrat hatte zusammen mit der Nationalbank, aber ohne Parlament, nicht nur die UBS vor dem Konkurs gerettet, er hatte sie danach mit einem Staatsvertrag aus den Schlingen der aggressiven amerikanischen Fiskalbehörde befreit, oder präziser, befreien müssen. Dieser Vertrag erlaubte der Grossbank, die geforderten Daten von US-Steuersündern den amerikanischen Behörden zu übermitteln – in Abweichung zum bis anhin heiligen Bankgeheimnis. Nach dieser Rettungsaktion schien man sich in der Schweiz einig zu sein, fortan würden Schweizer Banken nur noch versteuertes Geld annehmen. Allerdings zweifelten viele, ob es den Banken damit ernst sei. Überdies bemühten sich weder der Bundesrat, die Finanzaufsicht noch die bürgerlichen Politiker, die aufgezwungene Weissgeld-Strategie durchzusetzen. Entrüstet wiesen sie beispielsweise die Idee der Sozialdemokraten zurück, auch in der Schweiz die Steuerhinterziehung – nicht für Bagatellfälle – als Straftatbestand zu bewerten – was in fast allen andern Staaten üblich ist.
Die Empörung der Leichtgläubigen
Die Leichtgläubigen, der Bundesrat und die bürgerlichen Politiker, waren sodann schockiert und aufgebracht, als sich herausstellte, dass elf Banken amerikanische Steuersünder umworben hatten, die bei der UBS nicht mehr willkommen waren. Beim Anwerben der Steuersünder hat sich die älteste Privatbank der Schweiz, die Bank Wegelin, offenbar besonders hervorgetan, deren wichtigster Teilhaber und Chef Konrad Hummler ist. Dieser hat sich wiederholt durch dreiste, wirtschafts-pornographische Äusserungen hervorgetan (wer Steuern zahlt ist dumm, Kapitalflucht ist Notwehr). Er glaubt, nicht gegen schweizerisches Recht verstossen zu haben; doch wer den Bürgern eines befreundeten Staats hilft – nicht einem Schurkenstaat, wohlverstanden –, ihn um die gesetzlich festgelegten Steuern zu betrügen, der kann nicht auf das Verständnis des geschädigten Staats hoffen. Er und andere Banker scheinen überdies die oben erwähnten Finma-Regeln nicht ernst zu nehmen. Dass Hummler im Verwaltungsrat der NZZ bleiben darf, zeugt von mangelndem Unrechtsbewusst im höchsten Gremium der führenden Schweizer Tageszeitung, die sich als Weltblatt versteht.
Jetzt fühlen sich Regierung und Politiker von den schwarzgeld-rückfälligen Banken hintergangen. Doch aufgrund dessen, was in den letzten Jahrzehnten in unserem Land geschehen ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, dass sich die Schweiz mit einem Trick aus der Schlinge zu ziehen versucht. Die Schweiz macht vorab aus zwei Gründen einen peinlichen Eindruck.
Erstens: Gegenüber einer starken, auch arroganten Macht wie den USA ist die Schweiz schwach und nachgiebig; der Starke erhält stets Hilfe, um seine steuerhinterziehenden Bürger bei Schweizer Banken ausfindig zu machen. Staaten, die weniger Druck ausüben können, erhalten kaum Unterstützung. Die Schweiz legt je nach Staat einen unterschiedlichen Massstab an, was aus meiner Sicht fragwürdig ist und der Rechtsgleichheit widerspricht.
Zweitens: Die Schweiz gibt stets nur das absolute Minimum an Bank- und andern Informationen preis, und zwar abgestuft nach dem Druckpotenzial der ausländischen Staaten. Sie befindet sich deshalb immer in der Defensive und bietet bei ihrem wiederholten Nachgeben ein klägliches Bild. Der Bundesrat hätte es jedoch in der Hand, eine saubere Regelung fürs Übermitteln von Bank-Informationen von ausländischen Steuerbetrügern und Steuerhinterziehern zu schaffen, die sämtliche Rechtsstaaten gleich behandelt.
Eine Weissgeld-Strategie gegenüber allen
Eine solche Weissgeld-Strategie könnte den Ruf der Schweiz und deren Finanzplatz aufpolieren. Das würde im Prinzip wohl bedeuten, dass auch die Schweiz die Steuerhinterziehung als Straftatbestand anerkennt. So könnte gegenüber den meisten Staaten Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen geleistet werden. Erst wenn eine derart solide auch für die Banker verbindliche Weissgeld-Strategie in der Schweiz verankert ist, oder doch vor der Verwirklichung steht, kann die Schweiz gegenüber den USA, Grossbritannien, Singapur und andern Staaten darauf pochen, sie hätten in ihren Steuerparadiesen ebenfalls die Schlupflöcher zu stopfen und Transparenz herzustellen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
@) Beat Allenbach: Völlig einverstanden. Aber ich glaube, Sie unterschätzen den Bankenstaat. Der ist mächtiger als die Schweiz als Staat und entzieht sich weitgehend einer demokratischen Kontrolle. Einschlägige Gesetze formuliert der Bankenstaat und setzt sie durch. Politik und Verwaltungs sind ausführende Organe. Die Schweizer Politik ist nicht mehr in der Lage, den Bankenstaat im Zaum zu halten.
Der Bankenstaat umfasst die Finanzindustrie, aber nicht allein die 330 Banken in der Schweiz, auch die gesamte damit verbundene Infrastruktur, einflussreiche Anwaltsgrosskanzleien, PR-Agenturen, politische Lobbys – und liebedienerische Medien.
Die Schwarzgeldindustrie ist global vernetzt. Diese Industrie hat auch in den USA, in Deutschland, in Grossbritannien und in andern Staaten, mit denen die Schweiz verhandelt, ihre sehr starke Lobby, die auf ihre jeweiligen Regierungen im Interesse der Schwarzgeldindustrie Einfluss und Druck ausüben.
Deswegen ist es so schwer, diesen ausufernden Schwarzgeldsumpf trocken zu legen. Jede Massnahme in dieser Richtung wird hintenherum sabotiert. Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden, sind bewusst so luftig formuliert, dass später in die komplexen Ausführtungbestimmungen, auf die es letztlich ankommt, so viele Schlupflöcher eingebaut werden können, dass den Gesetzen die Durchsetzungskraft wieder genommen wird (s. Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU, Abgeltungssteuer etc.). In diesen Prozess hinter den Kulissen haben Parlament und Oeffentlichkeit keinen Einblick.
Uebrigens ist auch die Pauschalbesteuerung grosser Vermögen eine Erfindung des Bankenstaates, nicht etwa der Politik. Diese Pauschalbesteuerung bringt dem Staat wenig, den Banken hingegen sehr viel: Sie können so mit staatlicher Hilfe immer grössere Vermögen anlocken. Diese liegen aber nicht in der Schweiz, hier werden sie nur verwaltet. Sie wirken im Ausland produktiv , nützen der Schweizer Wirtschaft letztlich wenig – ausser den Banken. Die Schweizer Steuerverwaltung hat keinen Ueberblick, was hiesige Steuerpauschalisten im Ausland alles treiben.
Bei alldem geht es um Schwarzgeld im Billionenbereich. Und es geht um sehr, sehr starke Interessen. Auch viele in- und ausländische Konzerne unterhalten hier Schwarzgeldkonten, nicht in erster Linie aus steuerlichen Gründen, sondern zum Zweck weltweiter Korruption, denn was nicht versteuert ist, erscheint nicht in den Büchern und kann entsprechend freihändig eingesetzt werden. Sie stützen im Hintergrund gleichfalls die Schwarzgeldindustrie.
Und die Inhaber grosser Vermögen behandeln die Banken wie Butler. Funktioniert der Butler nicht wunschgemäss – d.h : null Steuern – wird er ausgewechselt. Die «Butler» wiederum geben diesen Druck weiter an Politik, Verwaltung und Medien, um die Wünsche ihrer Grosskunden zu befriedigen.
Wir alle haben von der Dimension dieser dunklen Welt der Schwarzgeldindustrie mit ihren mafiösen Strukturen eine viel zu brave Vorstellung, die Vorgänge in den USA zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Sie ist eine direkte Bedrohung für unsere Demokratie. Diese Interessen reagieren aggressiv, wenn man ihnen zu nahe kommt. Es geht schlicht um viel zu viel Geld. Da ist jedes Mittel gerade recht.
Was wir hier als Zuschauer erleben, ist eine neue Form von Anarchie. Einer global aktiven.