Bakom

Bakom: Debattieren auf europäischer Ebene, aber «gegenwärtig» nicht in der Schweiz. © wikimedia commons

5G-Strategie des Bundes: Transparenz sieht anders aus

Kurt Marti /  Welche Strategie verfolgt das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) im Hinblick auf die Weltfunkkonferenz? Eine mühsame Spurensuche.

An der Weltfunkkonferenz (WRC-19), die vom 28. Oktober bis zum 22. November 2019 in Sharm el-Sheikh/Ägypten stattfindet, werden die Weichen für die 5G-Technologie im Hochfrequenzbereich oberhalb von sechs Gigaherz (GHz) gestellt, deren Zukunftsversprechungen uns tagtäglich um die Ohren geschlagen werden, von den mobilen Augmented-Reality-Anwendungen über das Internet der Dinge bis hin zur Industrie 4.0 und zu den selbstfahrenden Autos.

Bakom-Medienmitteilung lässt viele Fragen offen

Knappe 20 Zeilen benötigte das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) für die Ankündigung seiner Teilnahme an der Weltfunkkonferenz. In der Bakom-Medienmitteilung heisst es, der Bundesrat habe das Bakom beauftragt, an der WRC-19 «die Interessen der Schweiz zu vertreten». Angeführt werde die Schweizer Delegation vom stellvertretenden Bakom-Direktor Philippe Horisberger. Die «Herausforderung» der Schweizer Delegation formuliert das Bakom so: «Neue Frequenzen bereitstellen, um die Harmonisierung und Entwicklung drahtloser Kommunikationsdienste zu gewährleisten.»

Das Echo auf die Bakom-Mitteilung in den grossen Schweizer Medien war gleich null. Zwar lieferte die SDA eine kurze Mittteilung, die aber in den grossen Schweizer Medien keine Beachtung fand.

Die knappe Bakom-Mitteilung lässt viele Fragen offen: Um welche neuen Frequenzen für die Mobilfunkkommunikation mit welchen konkreten Anwendungsbereichen handelt es sich? Welche 5G-Strategie verfolgt das Bakom im Hinblick auf die Weltfunkkonferenz? Wie sieht die Koordination mit den anderen europäischen Ländern aus, insbesondere welche Vorbereitungsprozesse mit welchem Resultat gehen der Weltfunkkonferenz voraus?

Zur Erinnerung: Im Februar 2019 versteigerte der Bund die 5G-Frequenzen bis 3,8 GHz im Niederfrequenzbereich. Im Vergleich dazu sind die Wellenlängen des Hochfrequenz-5G ab sechs GHz viel kürzer. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) dringen diese sogenannten Millimeterwellen des Hochfrequenz-5G zwar «weniger tief in den Körper ein. Bei der Einwirkung solcher Strahlung auf den Menschen bestehen aber aus wissenschaftlicher Sicht noch Unklarheiten und es besteht hier noch Forschungsbedarf.»

«Im Wesentlichen deckungsgleich» mit der europäischen Position

Weil die Informationen über die Schweizer Teilnahme an der Weltfunkkonferenz auf der Internetseite des Bakom sehr spärlich sind, wollte Infosperber vom Bakom wissen, welche Ziele die Schweiz an der Weltfunkkonferenz verfolgt, insbesondere für welche konkreten 5G-Hochfrequenz-Bänder für die Mobilfunkkommunikation sich die Schweiz einsetzt.

Das Bakom beantwortete die Frage wie folgt: Die Schweiz habe «in den vergangenen vier Jahren ihre nationale Position entwickelt» und in die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT) eingebracht. Die für die einzelnen Agendapunkte ausgearbeiteten CEPT-Positionen zu den insgesamt 37 Agenda-Punkten seien «im Wesentlichen deckungsgleich mit jenen der Schweiz». Diese Informationen seien auf der Website der CEPT einsehbar.

Tatsächlich findet man auf der Website der CEPT eine Vielzahl von fachchinesischen Dokumenten zur Weltfunkkonferenz. Was eigentlich in allgemein verständlicher Sprache auf der Bakom-Website stehen sollte, muss man auf der CEPT-Internetseite mühsam herausdestillieren.

Zusammengefasst folgt aus den CEPT-Dokumenten ein Plädoyer für die Einführung mehrerer 5G-Hochfrequenzbänder oberhalb von 24 GHz in Europa. Als wichtigstes Ziel fordert die CEPT eine europäische Harmonisierung des 26-GHz-Bandes (24.25 – 27.5 GHz) bereits «vor der Weltfunkkonferenz» und eine Harmonisierung der Frequenzbänder 40,5 – 43,5 GHz und 66 – 71 GHz «unmittelbar nach der WRC-19».

26-GHz-Band «in der Schweiz gegenwärtig nicht zur Debatte»

Solche Informationen sucht man auf der Website des Bakom vergeblich. Stattdessen erklärt das Bakom, die Frequenzbänder für 5G und 4G würden sich aktuell nicht unterscheiden und begründet: «Die für 5G verwendeten Frequenzbänder haben ähnliche Eigenschaften wie jene für 4G. 5G kann grundsätzlich in allen Mobilfunkfrequenzen implementiert werden. Die Implementierung sollte aber hauptsächlich im Frequenzbereich 3,5 – 3,8 GHz erfolgen.»

Aber was ist mit den Millimeterwellen oberhalb von 24 GHz, um die es an der Weltfunkkonferenz geht? Diese stehen laut Bakom «in der Schweiz gegenwärtig nicht zur Debatte.» Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Bakom auf europäischer Ebene aktiv mitdebattiert und dass die CEPT-Positionen zur Einführung der Frequenzen oberhalb von 24 GHz «im Wesentlichen deckungsgleich mit jenen der Schweiz» sind. Kommt hinzu, dass der Vize-Präsident der Konferenzvorbereitungsgruppe der CEPT ein Schweizer ist, nämlich Alexandre Kholod, Leiter Internationale Frequenzplanung beim Bakom.

Kein Harmonisierungs-Beschluss in der Schweiz

Transparenter als das Bakom informieren die Behörden beispielsweise in Deutschland. Dort veröffentlichte die Bundesregierung bereits im Juli 2017 eine «5G-Strategie für Deutschland», in welcher beispielsweise ein konkreter Fahrplan für die Nutzung des 26-GHz-Bandes vorgeschlagen wird.

Während in der Schweiz das 26-GHz-Band «gegenwärtig nicht zur Debatte» steht, nahm die EU-Kommission die Harmonisierungs-Forderung der CEPT auf und erliess am 14. Mai 2019 einen entsprechenden Durchführungsbeschluss zur Harmonisierung des 26-GHz-Bandes in den EU-Mitgliedstaaten.

Weil die Schweizer Position im Wesentlichen deckungsgleich mit jener der CEPT ist, wollte Infosperber vom Bakom wissen, ob es für die Schweiz auch einen solchen Beschluss zur Harmonisierung des 26-GHz-Bandes gibt? Diese Frage verneinte das Bakom. Es gebe keinen solchen Beschluss für die Schweiz, «da zurzeit kein Bedarf für Mobilkommunikation im 26-GHz-Band» bestehe.

Der EU-Beschluss sei nur für die EU-Länder verbindlich. Die Entscheidungen der CEPT hingegen würden in den CEPT-Ländern freiwillig umgesetzt. Die Verwendung des 26-GHz-Bandes werde «in der Schweiz zur Debatte stehen, wenn konkrete Nachfragen vorhanden» seien.

Die Bevölkerung kann nur noch brav zuschauen

Mit anderen Worten: Während das Bakom auf europäischer Ebene fleissig an der Einführung des Hochfrequenz-5G mitdebattiert und mithilft, die dafür notwendigen Weichen zu stellen, wird in der Schweiz erst dann diskutiert, wenn alles schon angerichtet ist und es folglich nichts mehr zu debattieren gibt.

Wenn nämlich die europäischen Vorschläge für die 5G-Hochfrequenzbänder an der Weltfunkkonferenz WRC-19 verabschiedet werden, dann wird die Schweiz laut Auskunft des Bakom «die in Europa verfügbaren Frequenzbereiche im Sinne einer harmonisierten Spektrumsnutzung voraussichtlich ebenfalls übernehmen».

Dann kann die Bevölkerung nur noch brav zuschauen, wie der Bundesrat die von der Telekom-Industrie gewünschte und vom Bakom vorgenommene Anpassung des Nationalen Frequenzzuweisungsplans (NaFZ) genehmigt. So war es auch als die bisherigen 5G-Frequenzen im Bereich bis 3,8 GHz eingeführt wurden.

Es herrscht das Primat der Technokratie statt der Politik

Transparenz und demokratische Mitsprache sieht anders aus. Die Einführung der 5G-Frequenzen wird auf der Ebene der Technokraten entschieden. Und das geht so: Zuerst geben die unzähligen Telekom-Lobbyisten anlässlich der Vorbereitungs-Sitzungen der CEPT ihre Frequenz-Wünsche bekannt, dann spuren die nationalen Beamten und am Schluss segnet der Bundesrat die ursprünglichen Wünsche der Lobby ab. (siehe dazu Infosperber: Die 5G-Hochfrequenz-Welle rollt an)

Ob die Menschen überhaupt selbstfahrende Autos, selbstbestellende Kühlschränke und dergleichen mehr wollen, das spielt dabei ebenso keine Rolle wie die offenen Fragen zu den gesundheitlichen Auswirkungen. Es herrscht das Primat der Technokratie statt der Politik.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

5GNetz

5G-Netze: Nutzen und Risiken

Langzeitwirkungen bleiben unerforscht. Offene Fragen öffnen Raum für Mutmassungen und Angstmacherei.

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2 Meinungen

  • am 6.09.2019 um 12:40 Uhr
    Permalink

    hab mit nicht alzuviele gedanken gemacht vor dem kommentar. aber doch ein bisschen. bitte nicht an details aufhängen. bzw nicht lesen wenn schon in schlechter stimmung und einem das thema herzensangelegenheit ist.

    wenn ich eine antenne gerade in der nähe haette, das heist… auf meinem oder nachbars dach, würde ich mich selber mehr zum thema informieren.
    generell gesagt bin ich dem ganzen thema nicht so kritisch gegenüber eingestellt wie sonst bei anderen luftqualität, lebensmittel und arztneien angelegenheiten.

    aber an den autor, was wäre das mindest angemessene verhalten der behörden? jetzt nicht bezüglich transparenz. sondern bezüglich abwarten, auf welche studienergebnisse warten, sich kritisch bei den internationalen organisationen einbringen.

    andere frage zum breiteren thema, vieleicht nicht vom autor beantwortbar.
    für leute die diesbezüglich wirklich oder halt auch eingebildet (keine beleidigung gemeint) sensitiv sind. sich also nicht nur theoretisch sorgen machen…

    wie weit weg von existierenden mobilfunkantennen ist weit genug? noch bevor handies gar keinen empfang mehr haben?

  • am 9.09.2019 um 15:33 Uhr
    Permalink

    Mit dem BAKOM verhält es sich offensichtlich wie beim BAZL. Die Aufsichtsbehörde ist zur Förderungsbehörde geworden. BAZL interpretiere ich schon lange als «Bundesamt für ZUVIEL Luftfahrt».

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