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Kasachstan - Mitglied der Schweizer Stimmrechtsgruppe im IWF © CC Ken and Njetta

Was hinter der «Affäre Markwalder» steht

Heinz Moser /  Hinter dem Fall von Christa Markwalder spiegelt sich die Frage, mit welchen Staaten sich die Schweiz international verbandelt.

Die hemdsärmelige Politik von Kasachstan ist in den letzten Wochen durch das unverfrorene Lobbying in Bern aufgefallen. Zuerst war es der ehemalige Botschafter Thomas Borer, der unter Argumentationsdruck geriet, dann die als Nationalratspräsidentin vorgeschlagene FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Sie reichte zu Kasachstan eine von der Kasachstan-Lobby bis in den Text hinein beeinflusste Interpellation im Nationalrat ein und meint dazu gestern in einem Interview mit dem «Blick»: «Aber mein Vertrauen wurde durch die Lobbyistin Marie-Louise Baumann aufs Übelste missbraucht. Ich mag Menschen, und meine Gutgläubigkeit wurde mir nun zum Verhängnis.»

Christa Markwalder und der «Fall Kasachstan»

Markwalder wurde so zur Stichwortgeberin für eine verharmlosende Antwort des Bundesrates, der zur Korruption in Kasachstan diplomatisch antwortete, das Land sei wie die Schweiz Mitglied der Uno-Konvention zur Korruptionsbekämpfung. Und wörtlich: «Zudem unterstützt die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ein Regionalprojekt zur Verbesserung der Verwaltung öffentlicher Finanzen und fördert damit die Transparenz und Rechenschaftspflicht.» Das wird Nursultan Nasarbajew, seit 1990 immer wieder gewählter Präsident von Kasachstan, gern gehört haben.

Denn Kasachstan ist kein unbeschriebenes Blatt in Sachen Korruption. Nach dem Korruptionsindex von «Transparency International» liegt Kasachstan auf dem 126. Platz von 174 Staaten. Dazu hat die deutsche Bundesregierung 2014 weniger freundlich festgehalten, die aktuelle Menschenrechtslage in der Republik Kasachstan sei nicht zufriedenstellend und bleibe hinter internationalen Standards und Verpflichtungen zurück.

Was in der Presse als Causa Markwalder abgehandelt wird, ist in Wirklichkeit ein «Fall Schweiz». So ist es kein Zufall, dass sich der Bund bei Kasachstan zurückhält. Denn Kasachstan gehört zu den von der Schweiz präsidierten Stimmrechtsgruppen bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds. Dazu gehören auch Aserbaidschan, Kirgisistan, Polen, Serbien, Tadschikistan, Turkmenistan. Die Zentralasiatischen Staaten Kirgisistan, Turkmenistan und Tadschikistan sind dabei auf dem Korruptionsindex noch weiter hinten platziert.

Der «Fall Aserbeidschan»

Nicht besser als Kasachstan ist Aserbaidschan – auch Teil der Schweizer Stimmrechtsgruppe – im Korruptionsindex platziert. Wie dort gefuhrwerkt wird, zeigen die in einem Monat beginnenden ersten olympischen europäischen Spiele, die sich dessen Herrscher Ilham Aliijew für hunderte vom Millionen leistet.

Im Fall der Spiele in Baku war es nicht so schwierig, die Spiele zu bekommen. Denn es ist die erste Durchführung der «European Games» – mit einem bescheidenen Feld von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. So schickt der Europäische Leichtathletikverband keine Athleten erster Wahl nach Baku. Immerhin können in Disziplinen wie Tischtennis, Triathlon und Schiessen direkte Olympia-Qualifikationen erreicht werden. Und anderen Sportarten wie Sambo oder 3×3 Basketball hoffen, dadurch einen Schritt in Richtung der Aufnahme ins Olympische Programm zu machen. Den Präsidenten Ilham Aliijew ficht dies nicht an. Immerhin sollen rund 6000 Sportlerinnen und Sportler nach Baku gelockt werden, denen die Reise- und Logierkosten fast komplett bezahlt werden.

Und wo bleiben die Menschenrechte?

Hinter dem zügigen Aufbau der europäischen Spiele in Baku gibt es von Menschenrechtsorganisationen wie «Amnesty International» grosse Bedenken. Laut Liza Salza, Zentralasien-Koordinatorin bei Amnesty International Schweiz gehört Aserbaidschan zu den repressivsten Regimes in Europa. Wenn es für die Zahl der inhaftierten Aktivistinnen und Menschenrechtsverteidiger Medaillen gäbe, so würde Aserbaidschan ganz oben auf dem Treppchen stehen, sagt sie. Immer wieder würden Aktivisten, Journalisten und Oppositionelle bedroht, geschlagen und inhaftiert.

Dabei waren die Menschenrechtsverletzungen schon ein Thema, als 2012 der Eurovision Song Contest in Aserbaidschan durchgeführt wurde. Der deutsche Journalist Stefan Niggemeier, der damals vor Ort war, erinnert sich, wie Kritiker damals abgeschmettert wurden. Die Regierung in Baku sei sich bewusst, dass alle Blicke auf das Land gerichtet seien, hiess es da seitens der Eurovision. Die Veranstaltung könne deshalb einen Anlass für Verständnis und Fortschritt bieten. Nach Niggemeier sind jedoch mittlerweile von den damals Protestierenden fast alle im Gefängnis gelandet oder untergetaucht.

Wirtschaftliche Interessen in Zentralasien

Verharmlost und ausgeklammert wird die Menschenrechtsfrage auch im Fall von Kasachstan – nicht nur wenn das Wort «Menschenrechte» bei der Interpellation Markwalders von ihrer Lobbyistin dreist herausgestrichen wurde. So hat der ehemalige SVPler und Unternehmer Peter Spuhler nach Verhandlungen mit der staatlichen Eisenbahn in Aserbaidschan gegenüber dem «Blick» kühl erklärt: «Wir können uns in den Verhandlungen nicht auch noch um die Menschenrechte kümmern.»

Das könnte auch das Leitmotiv der Schweiz beim Engagement für eine eigene Stimmrechtsgruppe beim Internationalen Währungsfond sein. Schliesslich gehört die Schweiz nach «Switzerland Global Enterprise» zu den zehn wichtigsten Investoren in Kasachstan. Erst vor wenigen Jahren hat Aserbaidschans staatliche Energiegesellschaft Socar Esso Schweiz übernommen.

Doch es sind nicht nur bilaterale Wirtschaftsinteressen mit den Staaten Zentralasiens, welche die Schweizer Politik bestimmen. Denn mit der Leitung einer Stimmrechtsgruppe erstritt sich die Schweiz einen Machtzuwachs. Sie bekam einen neu geschaffenen Sitz in den Exekutivräten und in den ministeriellen Steuerungsausschüssen beider Körperschaften.

Dieser Zusammenschluss mit Autokraten aus dem zentralasiatischen Raum will zu einem Land, das sich als Hort der direkten Demokratie fühlt, nicht so recht passen. Wie die Lobbyisten herumfuhrwerken und wie Pressefreiheit und Korruption in vielen Ländern «unserer» Stimmrechtsgruppe zum Alltag gehören, zeigt eigentlich nur, dass Moral und Geschäft auch in der Schweiz zwei Paar Schuhe sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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11 Meinungen

  • am 15.05.2015 um 14:55 Uhr
    Permalink

    Lieber Heinz Moser,

    Sie sollten nicht so böse über Aserbeidschan sprechen. Seine Führer (Ilham Aliyev und vorher sein Papa) haben zwar in diesem Jahrtausend mehrfach Kriegsdrohungen gegen Armenien ausgesprochen. Seit sie Grossveranstaltungen und jetzt sogar Olympiaden veranstalten dürfen, haben sie sich aber etwas gemässigt. Wie schon die alten Griechen (und auch schon mal der grosse Kanton) vor Olympiaden. Auch rund um Sotchi war der Kaukasus ruhiger. Also machen Sie doch mit – es ist noch Kreide übrig.

    Werner T. Meyer

  • am 17.05.2015 um 11:42 Uhr
    Permalink

    Was hinter der «Affäre Markwalder» steht?

    Erstens läuft diese «Story» bekanntlich nicht unter dem Namen «Affäre Markwalder», sondern als «Kasachstan-Affäre». Diesen Titel hat die NZZ bewusst gewählt, denn es geht eben nicht um Frau Markwalder, noch viel weniger geht es um Lobbyisten in Bern, sondern es geht um den Russland-Allierten Kasachstan. An Markwalder wird nur das Exempel statuiert. Vielleicht wird sie ein Bauernopfer und kann nicht Nationalratspräsidentin werden, doch das ist völlig nebensächlich. Entscheidend ist der Denkzettel an die Parlamentarier: Mit Verbündeten Russlands wird nicht mehr verhandelt.

    Es geht auch nicht um den IWF. Die Schweiz spielt im Executive Board mit ihren 2.79% eine Statistenrolle. Die zentralasiatische Stimmrechtsgruppe ist weder besser noch schlechter als eine der anderen Gruppen. Oder wären Sudan, Bahrain oder Pakistan etwa besser? (https://www.imf.org/external/np/sec/memdir/eds.aspx)

    Die geleakten Emails sollen aus dem Umfeld des kriminellen und in internationale Verfahren verwickelten Oligarchen Wiktor Chrapunow stammen. Doch ist dies den Journalisten egal. Im einfachsten Fall geht es um eine Oligarchen-Abrechnung mit Nazarbayev. Ebenso wahrscheinlich ist eine Medienoperation der CIA zur Isolierung der Eurasian Economic Union. Womit wir wieder bei der NZZ und CIA-Gujer wären. So oder so liessen sich die Schweiz und ihre Schreiberlinge wieder einmal instrumentalisieren. Und haben es selbst nicht mal gemerkt.

  • am 18.05.2015 um 13:45 Uhr
    Permalink

    Chrapunow ist zweifellos kein unbeschriebenes Blatt, aber schlechter als der an der Macht befindliche Nazarbajew ist er wohl auch nicht. Burson-Marsteller hat einfach ein gutbezahltes Mandat. Geld stinkt bekanntlich nicht. Die Schweiz als Land sollte sich weder dem einen noch dem andern Kasachen andienen. Es kann unserem Ruf nur schaden.

  • am 22.05.2015 um 19:00 Uhr
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    jetzt hat USA-Fanatiker Gujer die Katze aus dem Sack gelassen:

    http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/bern-und-die-despoten-1.18547406

    Genau wie ich prophezeite: Es geht nicht um Christa, nicht um Burson-Marsteller oder andere Lobbyisten, nicht um den Verrat von Geheimnissen. Das sei alles belanglos, so Terror-Gujer.

    Nein, es geht, so die Losung von CIA-Gujer, um Putin, um Iran, um China, um Venezuela. Um Kasachstan und die Post-Sowjets. Es geht um die Feinde des US-Imperiums und darum, dass die Schweiz die Finger von ihnen lassen soll. Auch die «Hohepriester» der Neutralität müssen das einsehen, so Kriegshetzer Gujer.

    Die US-Strategen haben Bern via Hampelmann Gujer einen Denkzettel verpasst. Und von der Weltwoche bis zum Infosperber, von Ultranationalisten bis zu den verträumten Gutmenschlein, alle sind drauf reingefallen und liessen sich in die Aktion einspannen. Geheimdienst-Gujer hat alle eiskalt erwischt.

  • am 23.05.2015 um 09:14 Uhr
    Permalink

    Vorsicht bitte, Dominik Roelli mit den Details im ehemaligen Westlichen Lager. Der deusche imperialistische (Selbstbekenntnis) Chefdenker, Herfried Münkler legt die im Buch «Testfall Ukraine» (Artikel «Das Chamäleon Krieg und der Kampf um eine neue Weltordnung") präzise dar.
    Wenn Sie schon schimpfen wollen, dann bitte BND-Gujer und nicht CIA-Gujer, auf die feine Differenz kommt es zunehmend an.

    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 23.05.2015 um 16:40 Uhr
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    @Meyer: der BND wurde vom CIA gegründet, wie Sie wissen. Im Kampf gegen die Sowjets. Daran hat sich nichts geändert. BND-Gujer ist auch richtig, aber das ist nur eine Nebenrolle in Gujers Jihad für die USA.

  • am 24.05.2015 um 16:41 Uhr
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    Lieber Herr Roelli,
    Die Organisation Gehlen (später BND) entstand schon 1946 aus offensichtlichen Wurzeln, die «CIA» erst 1947. Es lohnt sich, die Geheimdienste, die auf die Schweiz einwirken, etwas auseinander zu halten. Insbesondere spielen selbst CIA und MI6 in dieser Beziehung nicht dieselbe Rolle. Und der Mossad wieder eine andere, obwohl sie alle intensivst kooperieren. Und alle 3 zusammen zum Beispiel die Schweiz in die Sabotage iranischer Uranküchen verwickelten.

    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 24.05.2015 um 19:27 Uhr
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    @Meyer: Der BND wurde 1956 gegründet, 9 Jahre nach der CIA. Ich sprach nicht von der Org. Gehlen. Bitte auseinanderhalten. Das mit den Uranküchen ist freilich ein Propagandamärchen.

  • am 24.05.2015 um 22:44 Uhr
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    @Roelli: Märchen?

    Die Anschläge von CIA+MI6+Mossad gegen die iranischen Uran-Zentrifugen sind genügend beschrieben worden.
    Die Rolle von Urs Tinner dabei vielleicht weniger. Zu den «Märchenbüchern», wo Tinners vorkommen gehören:
    Mossad: The Greatest Missions of the Israeli Secret Service [Hardcover] Michael Bar-Zohar (Author), Nissim Mishal (Author)
    Fallout: The True Story of the CIA’s Secret War on Nuclear Trafficking Hardcover – January 4, 2011 by Catherine Collins (Author), Douglas Frantz (Author)

    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 25.05.2015 um 10:36 Uhr
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    Ich kenne die Bücher, nur sind darin keine Belege, dass die Schweiz in die Sabotage iranischer Urankuchen verwickelt war. Genauso wie der offizielle Untersuchungsbericht zu 9/11 zwar behauptet, ein paar Araber hätten Flugzeuge ins WTC gesteuert, aber dafür eben auch keinerlei Belege liefert. Da muss man kritischer sein. Aber die Diskusion wurde ohnehin wieder auf ein Nebengeleise geführt: Fakt bleibt, Gujer hat Bern einen US-Denkzettel verpasst, und alle sind drauf reingefallen.

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