Strack-Zimmermann.ZDF

Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Talk-Show mit Markus Lanz © ZDF

Tamedia überspielt Strack-Zimmermanns Interessenkonflikte

Urs P. Gasche /  Tages-Anzeiger, Bund etc. portraitierten die FDP-Politikerin, ohne ihre militärpolitischen Engagements beim Namen zu nennen.

Sie sei «Scholz’ mächtigste Gegenspielerin», titelten die Tamedia-Zeitungen am 3. Februar. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisiere «des Kanzlers Zögerlichkeit schärfer als jede Opposition». Der Berliner Korrespondent Dominique Eigenmann bezeichnete die 64-Jährige als «schlagfertig und streitbar, sachlich und kompetent». Kritiker meinen, dass Strack-Zimmermann weniger sachlich als emotionalisierend rede.

Wer die Meinung äussere, schrieben die Tamedia-Zeitungen weiter, Strack-Zimmermann würde Deutschland «in eine militärische Auseinandersetzung hineinreden», wie es etwa der «bekennende Pazifist Rolf Münzenich» tue, der kritisiert die FDP-Frau nicht etwa, sondern er «ätzt». 

Ihr Engagement in militärpolitischen Organisationen übergehen die Tamedia-Zeitungen. Lediglich in einem einzigen Satz erwähnte Eigenmann, dass «andere» versuchen würden, «sie als Lobbyistin der Rüstungsindustrie zu diffamieren». 

Einen Tag nach dem Tamedia-Zeitungen titelte der Blick ebenfalls: «Sie ist Kanzler Scholz’ gefährlichste Gegenspielerin». Auch der Blick erwähnte nur kurz, viele würden Strack-Zimmermann für eine Rüstungslobbyistin halten: «Beweise dafür gibt es allerdings nicht.»

Ob Lobbyistin oder nicht: Es geht um mögliche Interessenkonflikte. Um welche es sich handelt, erfahren die Leserinnen und Leser der Tamedia-Zeitungen und des Blick nicht. Deshalb sei dies hier nachgeholt.

Der militärisch-industrielle Komplex

Eigentlich müssten Medien bei Militär- und Rüstungsfragen besonders scharf auf mögliche Interessenkonflikte schauen und Verbindungen zu Lobby-Organisationen offenlegen. Denn in Ländern mit einer starken Rüstungsindustrie ist kaum eine Lobby mächtiger und einflussreicher als die Rüstungslobby. Sie finanziert Think-Tanks und sponsert zahlreiche Organisationen und Universitäts-Fakultäten. Sie neigt dazu, militärische Gefahren hochzuspielen, um Parlamentarier zu möglichst hohen Rüstungsausgaben zu verleiten und ihr lukratives Geschäft anzukurbeln. Ihr Informationsvorsprung ist enorm.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist in drei wichtigen Lobby-Organisationen der Rüstungsindustrie aktiv:

  1. In der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik DWT
  2. In der Deutschen Atlantischen Gesellschaft DAG
  3. Im Förderkreis Deutsches Heer FKH


1. Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik DWT

Strack-Zimmermann ist Mitglied des Präsidiums der DWT.

Diese Organisation der Rüstungs-Lobby knüpft Kontakte zu Mitgliedern des deutschen Bundestags. Lobbypedia schreibt über die DWT: «Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) ist ein von der Rüstungsindustrie dominierter Verein, bei dessen Treffen und Diskussionsrunden Vertreter der Rüstungsindustrie, Bundestagsabgeordnete sowie Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums Fragen der Rüstungspolitik und Wehrtechnik erörtern […] Der Rahmen der DWT erlaubt der Rüstungsindustrie, bereits im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungsprozesse, informell Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Dabei werden die Rüstungsunternehmen neben ihrem Sachverstand zwangsläufig auch ihre Interessen an aufwändigen Rüstungsprojekten einbringen. Das dauerhafte Zusammenwirken von Rüstungsunternehmen und Parlamentariern birgt die Gefahr, dass rüstungspolitische und wehrtechnische Entscheidungen von den zuständigen parlamentarischen Gremien faktisch in intransparente Gesprächsrunden verlagert werden, in denen es an der gebotenen Distanz zwischen den Abgeordneten und der Rüstungsindustrie mangelt.»

«Themen der Zeit» schreibt über den «Rüstungs-Lobbyismus im Ukraine-Krieg»:

«Im Vorstand der ‹Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik› ist der Rüstungskonzern Rheinmetall durch den Technologie-Chef Klaus Knappen vertreten. Als leitender Beamter der Bundeswehr ist Wolfgang Gäbelein im Vorstand eingebunden, seines Zeichens Amtschef des Planungsamts der Bundeswehr. Des Weiteren ein Unternehmensberater für Militär und eine Führungskraft des Weltraumlagezentrums für die Bundeswehr sowie ein IT-Spezialist für Streitkräfte und der Generalbeauftragte einer Container-Firma für das Militär.»

Im Beirat der DWT sind nach Angaben von lokalkompass.de Vertreter von Rheinmetall, Daimler und IVECO-Magirus (Militärfahrzeuge), Lockheed Martin International, Kraus Maffei Wegmann, Diehl und Airbus (Militärhubschrauber, Trägerraketen etc.), aber auch von Thales (Radaranwendungen, Satellitensysteme und Sicherheitstechnik), der Flensburger Fahrzeugbau (Panzer und Militärfahrzeuge), Dr. Müller-Elektronik (Luftfahrt und Raumtechnik, Kabeltechnologie), Rohde und Schwarz (Flugsicherung und Funkkommunikationssysteme), Plath (Funkaufklärung für die Rüstungsindustrie) sowie der Mönch-Verlag für Waffen- und Militärzeitschriften.


2. Der Förderkreis Deutsches Heer FKH

Strack-Zimmermann ist Mitglied des Präsidiums.

Zweck des FKH ist nach eigenen Angaben «das gemeinsame Bemühen um eine leistungsfähige nationale Industriebasis für die Ausrüstung des Deutschen Heeres und der deutschen Landstreitkräfte insgesamt» sowie «die Förderung der transatlantischen Zusammenarbeit».

Präsident ist Wolfgang Köpke, Generalmajor a.D. Die beiden Vizepräsidenten sind Ralf Ketzel, Vorsitzender der Geschäftsführung des Waffenkonzerns Krauss-Maffei Wegmann und Henning Otte, CDU-Bundestagsabgeordneter. 

Die weiteren Mitglieder sind auf der Webseite nicht veröffentlicht. 

Laut Lobbycontrol zählt der Förderkreis Deutsches Heer (FKH) neben der «Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.» (GSP) und der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V.» (DWT) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie. 


3. Die Deutsche Atlantische Gesellschaft

Seit Mai 2022 ist Strack-Zimmermann Vizepräsidentin der DAG.

Nach eigenen Angaben verfolgt die Gesellschaft folgende Ziele:

«Die Deutsche Atlantische Gesellschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren. Sie setzt sich für eine Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO und eine enge Bindung zu den beiden nordamerikanischen Demokratien ein.»

Präsident ist Christian Schmidt, bis 2021 CSU-Bundestags-Abgeordneter. Im Vorstand sitzen neben etlichen Bundestagsabgeordneten auch ehemalige Generäle und andere hohe Militärs, pensionierte Manager der Rüstungsindustrie wie beispielsweise Werner Dornisch und der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, dessen SPD-Kreisverband in Hamburg Spenden der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei entgegennahm. Im Vorstand sitzt ebenfalls Veronika Fucela, Präsidentin der «Youth Atlantic Treaty Association Germany». Diese hat nach eigenen Angaben zum Ziel, «den öffentlichen Dialog über die NATO und die transatlantischen Beziehungen in der jüngeren Generation in Deutschland zu fördern.» Im Vorstand ist ebenfalls Jana Puglierin, Leiterin des «European Council on Foreign Relations» (ECFR). Dieser «Think-Tank» wird finanziert von Aussenministerien verschiedener Länder Europas, dem deutschen Verteidigungsministerium und von Privaten wie den Open Society Foundations, dem Bundesverband der deutschen Industrie, verschiedenen Konzernen und der Bill & Melinda Gates Foundation. Der ECFR ist Partner der Mercator-Stiftung. 


Medien machen mögliche Interessenkonflikte nicht transparent

Bei Strack-Zimmermann geht es nicht um Bestechlichkeit, aber um fehlende Sensibilität für Befangenheit und offenkundige oder mögliche Interessenkonflikte. Als führendes Mitglied dieser Organisationen verpflichtet sich Strack-Zimmermann, sich für deren Zwecke einzusetzen.

Darauf weisen die für Transparenz und Demokratie eintretende Initiative «Lobbycontrol» mit ihrer Internetplattform «Lobbypedia» sowie die Internetplattform «Abgeordnetenwatch» und die internationale Antikorruptionsorganisation «Transparency International» hin. Die Rüstungsindustrie verfüge über «sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament».

Auch im ARD-Faktencheck heisst es: «Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und der Förderkreis Deutsches Heer zählen neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie.» Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnte in den vergangenen Jahren immer wieder vor einer möglichen Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse.

Im deutschen Bundestag nahm Strack-Zimmermann wie folgt Stellung:

«Selbstverständlich bin ich als ehemalige Sprecherin für Verteidigungspolitik und nun als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ständig im Austausch mit der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und daran angeschlossenen Verbänden. Das gehört zu meinem Job, und sofern alles transparent ist, ist daran auch nichts Anstössiges.»

Auf ihrer Webseite deklariert Strack-Zimmermann die Mitgliedschaften in den drei oben genannten Organisationen. Sie seien «ehrenamtlich».

Ob Lobbyistin, Interessenvertreterin oder Interessenkonflikte: Viele Leserinnen und Leser erwarten, dass grosse Medien wie Tages-Anzeiger, Der Bund, Berner Zeitung oder Blick über die engen Beziehungen von Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit der Rüstungsindustrie nicht so oberflächlich oder bagatellisierend hinwegsehen, sondern sie transparent machen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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7 Meinungen

  • am 6.02.2023 um 10:19 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für Ihren Artikel,
    ich hatte schon bei Lanz und anderen Talkshows das Gefühl dass dies auch den Moderator explizit nicht interessierte was die Frau Strack-Zimmermann für «sonstige Interessen » noch haben könnte.
    Schön gibt es den Infosperber

  • am 6.02.2023 um 12:20 Uhr
    Permalink

    Mit ihren Mitgliedschaften in obengenannten Organisationen kann man Strack-Zimmermann wohl unwidersprochen eine NATO- und Rüstungslobbyistin nennen – ob sie diese Ämter ehrenamtlich ausübt, ist unerheblich. Zu recherchieren ist, ob sie Entschädigungen jedweder Art für ihren sicher nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand in diesen Organisationen erhält. Man sollte ihr auch unbedingt die Frage stellen, wie sie es mit ihrer Kriegs- und Rüstungsbegeisterung hielte, wenn deutsche Waffen ukrainische und russischen Zivilisten töteten, auf dem Schwarzmarkt auftauchten oder von der Ukraine sonstwie zweckentfremdet eingesetzt würden. Frau Strack-Zimmermann trommelt für Rüstung und Krieg und bekommt extrem viel Medienzeit; keine Talkshow ohne sie. Früher nannte man das schlicht Propaganda – wie nennt man es heute?

  • am 6.02.2023 um 13:38 Uhr
    Permalink

    Vielleicht brauchen wir vordringlich ein Europäisches Ranking, welche (Presse)Medien sich noch wieviel Selbständigkeit bzw. eigenständige Recherche bei globalen Themen erhalten haben und wieviele Konsumenten sie übers Jahr erreichen.

  • am 6.02.2023 um 13:42 Uhr
    Permalink

    Lieber Infosperber
    Als Abonnent des Tagesanzeigers schätze ich journalistische «Nahrungsergänzungsmittel» wie diesen Artikel ausserordentlich.
    Vielen herzlichen Dank!

  • am 6.02.2023 um 16:15 Uhr
    Permalink

    Danke Infosperber fürs Hinschauen. Informationsmanipulation erfolgt ja nicht nur durch falsche Informationen, sondern eben auch durch absichtliches Weglassen oder Verschweigen oder fahrlässiges, unvollständiges Recherchieren. Gerade «Der Bund» als Teil von Tamedia versucht sich in letzter Zeit durch Blick-ähnliche Schlagzeilen zu profilieren («Berset muss vor die Tür» am 26.Januar; «Karin Keller Sutter starke neue Frau im Bundesrat» am 29.Januar; «Jetzt greift Bundesrätin Keller Sutter ein» am 1.Februar. Das ist bewusste Meinungsmanipulation. Bemerkendswert ist dort auch die Rubrik «Korrigenda», wo oft die fehlende Seriosität der journalistischen Tätigkeit ausgebügelt werden muss, das aber meist nur aufgrund von Hinweisen aus der Leserschaft erfolgt.

  • am 6.02.2023 um 16:27 Uhr
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    Bei einem Ressortchef wie Stefan Kornelius und seinem Korrespondenten Netzwerk geht einseitige Berichterstattung mit Narrativ Hand in Hand.
    Die Zürichsee-Zeitung hat das Institute for the Study of War (ISW) und dessen Gründerin, die Historikerin Kimberly Kagan, als unabhängig bezeichnet. Dabei müssten bei diesem Nachname schon alle Alarmglocken schrillen.
    Als sich vor kurzem ein hoher Verteter der Afrikanischen Union über einen abfälligen Tweet des Auswärtigen Amtes beschwerte wurde dies auch als «ätzte» bezeichnet. Während erstes als misslungen abgetan wurde.
    Habe bezüglich Transparenz auch schon dem Tamedia Obmann geschrieben und auf die etwas zu kurz geratenen Bios hingewiesen. Worauf eine freundliche Mail zurückkam man werde die Kritik gerne dem Autor weiterleiten. Als ob dies nicht die Redaktion betreffen würde.
    Ergo muss man sich auch nicht über schwindende Glaubwürdigkeit beschweren.

  • am 6.02.2023 um 16:35 Uhr
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    Auch in der Schweiz, im Bundehaus in Bern sorgen Lobbyisten, der diskrete „Arbeitskreis „Sicherheit und Wehrtechnik“ (Asuw) sich um die Anliegen der Rüstungsfabrikanten, der Kriegsgewinnler. Jetzt gerade wollen sie, dass Schweizer Waffen in Deutschland, Dänemark und Spanien der Ukraine geliefert werden dürfen. „Die Industriefirmen, die bei der Asuw mitmachen, sind öffentlich bekannt. Dazu gehören laut Swissmen etwa die Rüstungsfirmen Ruag und Rheinmetall Air Defence, der Sicherheitskonzern Thales, der Panzer- und Fahrzeugbauer GDELS-Mowag und der grösste israelische Rüstungsexporteur Elbit.“ „Das Netzwerk der Lobby umfasst 21 National- und Ständeräte sowie 33 frühere nationale Politikerinnen und Politiker. Das Co-Präsidium teilen sich FDP-Nationalrätin Maja Riniker und Thomas Rechsteiner (Mitte)„ Beide üben dieses Mandat ehrenamtlich aus. (Der diskrete Arme der Rüstungslobby, von Otto Hostettler, Beobachter 24/2022)

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