Kopp & Kopp: Von Legenden und Heiligenbildern
Die «NZZ am Sonntag» charakterisiert sie in ihrer heutigen Ausgabe als «Ikone der Frauenbewegung», und FDP-Präsident Thierry Burkart würdigte sie gestern als «Pionierin der Gleichstellung von Frau und Mann». War sie das wirklich?
Die jüngsten Darstellungen sind nur eine von mehreren Legendenbildungen rund um Elisabeth Kopp – über deren Rolle als erste Frau, die kriminellen Aktivitäten ihres Gatten und die Gründe ihres Rücktritts. Kein Zweifel: Die erste Schweizer Ministerin ist eine tragische Figur, die für ihre Fehler einen sehr hohen Preis bezahlen musste. Doch bleiben wir bei den Fakten, auch in den Würdigungen zu ihrem Tod. Details sind in der Biographie «Kopp & Kopp – Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin»1 nachzulesen.
Angepasst und bürgerlich
Zunächst: Die erste Ministerin stammt aus einem konservativen Milieu und war nie Teil der Frauenbewegung. Als angepasste bürgerliche Frau hatte sie sich privat wie politisch vorwiegend an männlichen Autoritäten orientiert. Als Kind wurde sie vom Vater konsequent «Peter» genannt und wie ein Junge erzogen, wie in einer autobiografischen Schrift nachzulesen ist: Der Vater hatte sich einen Sohn gewünscht. Später leistete sie militärischen «Frauenhilfsdienst» (FHD) und forderte eine Dienstpflicht für Frauen – längst bevor andere Benachteiligungen korrigiert worden wären. In Wahlkampagnen präsentierte sie sich gerne als mustergültige Hausfrau und warb zum Thema Gleichberechtigung mit Sätzen wie: «Vielleicht müssen wir wieder lernen, dass auch im Dienen ein hohes Mass an Selbstverwirklichung und Befriedigung liegen kann.» Parteiinterne Gegner wie der frühere Luzerner Stadtpräsident Hans Rudolf Meyer behaupteten gar, Elisabeth Kopp habe sich in den 60er Jahren hinter den Kulissen gegen ein Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene engagiert.
Die erste Bundesrätin war alles andere als eine Frauenrechtlerin – und sie hat sich auch selber nie so dargestellt. Fragen nach ihrem persönlichen Leistungsausweis in Sachen Gleichstellung pflegte sie stets mit demselben Argument zu kontern: «Es ist allein schon wichtig für die Frauen zu wissen, dass man auch Bundesrätin werden kann.»
Wenig für Frauen erreicht
Tatsächlich hat die Zürcherin mit Ausnahme des neuen Eherechts herzlich wenig für ihre Geschlechtsgenossinnen erreicht. Elisabeth Kopp vollführte in Frauenfragen während ihrer ganzen Karriere eine «politische Springprozession», wie die damalige Gewerkschaftssekretärin und spätere Bundesrätin Ruth Dreifuss nach Kopps Rücktritt treffend sagte: «Zwei Schritte vor, einer zurück» war ihre bevorzugte Gangart.
Das lässt sich anhand politischer Dossiers belegen. Im Gegensatz zu Tier- und Naturschutz oder Bildungsfragen war Gleichberechtigung für Kopp nie wichtig. In ihren vier Jahren als Nationalrätin reichte sie keinen einzigen frauenspezifischen Vorstoss ein, als Justizministerin stoppte sie wiederholt Gleichstellungsbemühungen. So unterstützte sie zwar die Einführung eines Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau, liess aber zu, dass dieses mit wenig Kompetenzen ausgestattet und weit unten in der Bundeshierarchie im damaligen «Bundesamt für Kulturpflege» angesiedelt wurde.
In Fragen der Lohngleichheit zeigt sich exemplarisch, wie sich die vermeintliche Vorzeigefrau an wirtschaftsfreundlichen Parteikollegen orientierte. So hatte sie im Herbst 1985 zunächst ein Verbandsklagerecht in Lohnfragen in der vorberatenden Kommission befürwortet und der Initiantin, SP-Ständerätin Yvette Jaggi, ihre Unterstützung versprochen. Der Handlungsbedarf war gross: Frauen verdienten damals bis zu einem Drittel weniger als Männer mit gleichen Kompetenzen und Aufgaben – und trauten sich aus Angst vor Stellenverlust kaum, sich dagegen zu wehren. Doch mitten in der Parlamentsdebatte machte Elisabeth Kopp eine Kehrtwende: Überraschend plädierte sie gegen das Verbandsklagerecht – unmittelbar nachdem ihr Parteikollege Heinz Allenspach, Direktor des Arbeitgeberverbandes, für alle sichtbar im Nationalratssaal heftig auf sie eingeredet hatte. Fazit: Das Verbandsklagerecht scheiterte äusserst knapp mit 87 zu 89 Stimmen – wohl wegen Kopps Einknicken.
Stattdessen gab die Bundesrätin vier aufwändige Studien in Auftrag und setzte eine Arbeitsgruppe ein. Sie wollte wie in anderen Dossiers Zeit gewinnen. Als drei Jahre später im November 1988 endlich der Bericht «Lohngleichheit für Mann und Frau» vorlag, schickte sie diesen ins Reich der Utopien. Das Expertengremium habe derart phantasiereiche und kreative Arbeit geleistet und so viele unkonventionelle Modellvorschläge präsentiert, dass man diese zuerst einmal sorgfältig auf die realpolitische Machbarkeit abklopfen müsse, sagte Kopp öffentlich – und desavouierte den Bericht, indem sie ihn in eine unübliche doppelte Vernehmlassung entsandte.
Mitglieder der Arbeitsgruppe reagierten erbost über das doppelbödige Lob, denn nur wenige Tage zuvor hatte die Bundesrätin ihren Bericht noch wohlwollend entgegengenommen. Wieder wurde gemutmasst, dass Wirtschaftskreise sie umgestimmt hätten. Dennoch übten Frauenorganisationen während der ganzen Amtszeit bewusst nur zurückhaltend Kritik an der ersten Frau in der Schweizer Regierung: Sie beobachteten sie mit Sorge und hofften, dass ihr als weibliches Vorbild möglichst wenig Fehler unterlaufen würden.
Erst der Nachfolger handelte
Erst Kopps Nachfolger Arnold Koller (CVP) machte mit der Gleichstellung ernst, indem er bei Lohnklagen die Umkehr der Beweislast durchsetzte – ein Meilenstein. Elisabeth Kopp selber begann nach dem Tod ihres Gatten vermehrt Klartext zu reden, etwa als sie vor fünf Jahren öffentlich erklärte: «Man kann nicht ein bisschen gleichberechtigt sein. Entweder man ist es, oder man ist es nicht!» Die Einsicht kam spät.
Natürlich muss man der ersten Ministerin zugute halten, dass sie während ihrer aktiven Politkarriere unter scharfer Beobachtung stand, sich kaum Fehler leisten konnte und daher besonders vorsichtig sein musste – in allen politischen Dossiers. Wie viele Führungsfrauen der ersten Stunde arbeitete sie akribisch, glaubte an die Kraft ihrer Argumente, unterschätzte das persönliche Lobbying. Sie strebte nach Perfektion, angesichts der Arbeitsbelastung ein unmögliches Unterfangen. Bisweilen fehlte ihr die nötige Distanz und auch ein Umfeld, das sie kritisch hinterfragte. Umso härter war der politische Absturz.
Nach ihrem Rücktritt strickte die alt Bundesrätin in Interviews, einem Film und einer Autobiografie recht erfolgreich an der Legende, sie und ihr Mann seien Opfer ihres politischen Erfolgs geworden, Neider hätten Intrigen geschmiedet und sie zu Fall gebracht. Bis zuletzt zeigte sie kaum Einsicht, dass sie ihren Rücktritt weitgehend selbst zu verantworten hatte – und dass ihr Ehemann im Laufe der Jahre mit sexueller Belästigung seiner Angestellten, Steuerhinterziehung, betrügerischem Konkurs und undurchsichtigen Verwaltungsratsmandaten schlicht für zu viele Skandale gesorgt hatte. In einer Art Schuldumkehr erklärte sie öffentlich, die Karriere ihres Ehegatten sei ruiniert worden, weil sie Ministerin geworden sei. Auch das ist eine dreiste Legendenbildung.
Tatsache ist: Nicht ein Telefonat kostete Elisabeth Kopp ihr Bundesratsamt. Entscheidend war, dass sie und ihr Gatte Landesregierung, Medien und Öffentlichkeit mehrfach belogen hatten. Sie hatten beide über Tage hinweg bestritten, dass der Wirtschaftsanwalt aufgrund eines Hinweises zu den internen Ermittlungen der Bundespolizei wegen Geldwäscherei als Verwaltungsrat der Shakarchi AG zurückgetreten war.
Pikant an der Geschichte ist: Hans W. Kopp wurde erst mehrere Jahre nach dem Rücktritt seiner Gattin aus der Landesregierung für seine wiederholten Fehltritte als Anwalt verurteilt. Zwar musste das Ermittlungsverfahren wegen Geldwäscherei mangels schlüssiger Beweise eingestellt werden. Doch Hans W. Kopp wurde später sowohl wegen Steuerhinterziehung als auch wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Erschleichung falscher Unterschriften beim Konkurs seiner Risikokapitalgesellschaft Trans K-B verurteilt. Solange Elisabeth Kopp Justizministerin war, ging es mit dem Verfahren nicht vorwärts. Er war nicht ihr Opfer, er hatte womöglich indirekt profitiert.
Auch daran sollte man sich erinnern, wenn Elisabeth Kopp jetzt als politische Ikone gefeiert wird.
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1Catherine Duttweiler, «Kopp & Kopp – Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin», Weltwoche-ABC-Verlag, Zürich 1989.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
De mortuis nil nisi bene – Über Tote nur Gutes. – Ein nobler Grundsatz, der durch Cathérine Duttweilers kritische Würdigung von alt Bundesrätin Elisabeth Kopps Lebenswerk nicht verletzt wird. Das Bild der feministischen Ikone, welches zurzeit landesweit gezeichnet wird, muss zurechtgerückt werden. Elisabeth Kopp hat durchaus ihre Verdienste erworben. Eine Pionierin der Frauenrechte wie Josi Meier oder Emilie Lieberherr jedoch war sie nie.
Festzuhalten aber ist : Die aus den Reihen ihrer eigenen Partei orchestrierte Demontage ihrer Person als Folge des fatalen, durch eheliche Loyalität zu erklärenden Telefongesprächs mit ihrem Ehemann wäre in einem vergleichbaren Fall gegenüber einem männlichen Magistraten niemals denkbar gewesen (als Beispiel diene nur der Skandal um Bundesrat Delamuraz, dessen aussereheliche Affäre mit der Ehefrau seines engen Freundes André Debétaz, Syndic von La Tour-de-Peilz, diesen zum Suizid getrieben hat, … oder die Merz’sche Milliardenlüge zur USR II 2008).
Da hab ich mich (auch) aufgeregt über das Bild, das heute von Frau Kopp rückwirkend gezeichnet wird. Sie war nie eine ausgesprochene Frauenrechtlerin. Sie war eher eine selbstsichere Ehe- und Hausfrau und Politikerin, welche jedoch fatalerweise (und leider) ihrem (strafrechtlich verurteilten) Ehemann (Fuditätsch-Kopp) zeitlebens treu ergeben war. – Als Jungspund, der damals ein Praktikum an der Börse absolvierte, mag ich mich gut an die Causa Kopp/Ernst mit Trans K-B erinnern. Die Sache hat damals viel Staub aufgewirbelt.
Aber das heutige Bild der alt Bundesrätin entspricht dem Zeitgeist und wird dementsprechend allgemein verzerrt dargestellt. Was heute nicht sein darf, konnte auch nicht sein. Gut, dass Frau Duttweiler dieses Bild im infosperber zurecht rückt.
PS: Bundeskanzler Kohl war doch auch so ein Fall, oder?
Danke, ein Beitrag für das Kleingedruckte der FDP-Geschichtsschreibung, das Thierry Burkart zu fehlen scheint.
Es kommt schon einer Geschichtklitterung nahe, wenn in den Rückblicken auf Leben und Wirken der Eheleute Kopp mit keinem Wort die Reportagen von Niklaus Meienberg erwähnt werden. Er war es, welcher das seltsame Verhalten von Hans W. Kopp in seiner Kanzlei im Umgang mit seinen Angestellten aufdeckte und später die unterwürfige TV-Sendung aus dem Hause Kopp sarkastisch kommentierte.
Ich habe Elisabeth Kopp persönlich noch als Gemeinderätin von Zumikon kennen und schätzen gelernt. Auf Ihre Initiative wurde vor über 50 Jahren die Abwärme der Kläranlage Zumikon für die Beheizung verschiedenster Gemeindeanlagen genutzt.
Auch in der heutigen Zeit eine Pionierleistung.
Auch das war Elisabeth Kopp.
Ich frage mich, was bringt es uns, der FDP Propaganda eine Plattform zu bieten.
Aus meiner Sicht der Dinge ist Elisbath Kopp eine tragische politische Persönlichkeit ihrer Zeit. Die heutige Leitung der FDP Schweiz hat draus nichts gelernt.
Urs Anton Löpfe ehem. Mitglied der FDP, der Partei der Pfründler
Waren die Meinungen zum Tode von Elisabeth Kopp „geschönt“? Im Falle ihrer Verdienste in Frauenrechtsfragen mag das der Fall sein. Ich wurde mit ihr 1979 in den Nationalrat gewählt (mein Rücktritt erfolgte 1993, also erlebte ich ihre ganze NR- und BR-Zeit) und konnte als einer der Exponenten in Umwelt- und Verkehrsfragen gut mit ihr zusammenarbeiten. Ohne ihren Einsatz im bürgerlichen Lager wären manche Allianzen u Abstimmungserfolge nicht zustande gekommen. So gab bei der BR-Wahl die SP-Fraktion bei der vorliegenden Zweierkandidatur mehrheitlich ihr die Stimme. Auch als BR wirkte und regierte sie alles andere als eine Zürcher Finanz-Freisinnige. M.E. fiel deshalb insgesamt die Würdigung von Frau Duttweiler zu negativ aus, wenn es auch verdienstvoll ist, dass sie analytisch einzelne Entscheidungsprozesse untersuchte. Diese müssen aber immer aus der Perspektive des zeitlichen und politischen Umfelds beurteilt und gewichtet werden.
Sie war für viele Frauen eine Hoffnungsträgerin und hat einen grossen Teil der Erwartungen erfüllt. Frau Duttweiler’s Häme betrachte ich als nicht gerechtfertigt. Vielleicht widmet sie sich ja einisch den Machenschaften, auch in dieser Affäre, von Moritz Leuenberger.