Luigi di Maio

Italiens Aussenminister Luigi di Maio präsentierte eine Verhandlungslösung für die Ukraine © zdf

Italien legt UNO einen Plan für den Frieden in der Ukraine vor

Michael Derrer /  Vier Kernpunkte: Waffenstillstand, Neutralität der Ukraine, Lösung territorialer Fragen, europäischer Sicherheitspakt.

Red. Michael Derrer spezialisiert sich seit über 30 Jahren auf Russland, die Ukraine und Osteuropa, wo er geschäftlich und wissenschaftlich tätig ist.*

Über den Plan des italienischen Aussenministeriums für einen Frieden in der Ukraine berichtete die italienische Zeitung La Repubblica am 18. Mai. Aussenminister Luigi di Maio stellte den Plan dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor.

Der Plan sieht einen vierstufigen Weg unter der Aufsicht einer Internationalen Vermittlungsgruppe vor: Waffenstillstand, Neutralität der Ukraine, Lösung territorialer Fragen und einen europäischen und internationalen Sicherheitspakt. In jeder Etappe soll geprüft werden, ob sich die Parteien an ihre Verpflichtungen halten, damit der nächste Schritt eingeleitet werden kann.

«Wenn es stimmt, dass der Krieg das Scheitern der Diplomatie ist», erklärte Di Maio, «dann stimmt es auch, dass es die Diplomatie ist, die Kriege beenden kann. Sie enden alle früher oder später, und es müssen Pläne für die Zeit nach dem Krieg bereit sein.»

Der italienische Friedensplan soll parallel zu den Sanktionen, der Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung sowie der finanziellen und humanitären Hilfe umgesetzt werden.

Was beinhalten die vier Etappen? Der erste Schritt ist ein Waffenstillstand, der noch während der Kampfhandlungen ausgehandelt werden und mit Überwachungsmechanismen und der Entmilitarisierung der Frontlinie einhergehen soll.
Der zweite Schritt sieht eine Friedenskonferenz über den künftigen internationalen Status der Ukraine und insbesondere über die Option der Neutralität Kiews vor, die durch eine internationale politische Garantie gesichert werden soll. Dieser Status muss vollständig mit einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine vereinbar sein.

Der dritte Punkt ist der gewagteste aus diplomatischer Sicht und betrifft ein bilaterales Abkommen zwischen Russland und der Ukraine über territoriale Fragen, insbesondere die Krim und den Donbass. Der italienische Plan schlägt eine nahezu vollständige Autonomie der umstrittenen Gebiete und deren autonome Wahrung der Sicherheit vor. Der Verweis auf international anerkannte Grenzen deutet darauf hin, dass die Souveränität Kiews über das gesamte Staatsgebiet nicht in Frage gestellt wird. Zu den zu lösenden Fragen gehören sprachliche und kulturelle Rechte sowie der freie Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr.

Schliesslich die vierte Stufe: Es wird ein neues multilaterales Abkommen über Frieden und Sicherheit in Europa im Rahmen der OSZE und der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union vorgeschlagen, in dem eine Neuordnung der internationalen Gleichgewichte erfolgen soll, angefangen bei den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Moskau. Strategische Stabilität, Abrüstung und Rüstungskontrolle, Konfliktverhütung und vertrauensbildende Massnahmen werden angestrebt. Gegenstand der Vermittlung ist auch der Abzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten, mit dem Ziel, den Zustand vor dem 24. Februar 2022 wiederherzustellen. Dieser Rückzug würde schrittweise erfolgen, ebenso wie die partielle und verhältnismässige Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Parallel dazu würde die multilaterale Koordination der Hilfe und des Wiederaufbaus im Rahmen einer Geberkonferenz erfolgen.

Roms Ziel, so erklärte Di Maio gegenüber Guterres, sei es, «eine faire, gerechte und zwischen den Parteien vereinbarte Lösung zu finden, die auf der Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Ukraine beruht». Denn «eine der Grenzen der bisherigen Versuche besteht darin, dass es sich zwar um wichtige, aber isolierte Initiativen handelte». Besser sei es, verschiedene «internationale Partner auf koordinierte Weise» zu mobilisieren.

Die Initiative des italienischen Aussenministeriums zeigt, dass eine Lösung des Konflikts nicht nur über einen militärischen Sieg gegen Russland verfolgt werden kann. Ob der Friedensplan Erfolg hat, wird vom Willen sowohl der russischen wie auch der ukrainischen Seite abhängen, auf Teile ihres Forderungskatalogs zu verzichten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.
*Michael Derrer spezialisiert sich seit über 30 Jahren auf Russland, die Ukraine und Osteuropa, wo er geschäftlich und wissenschaftlich tätig ist. Er spricht acht Sprachen, darunter Russisch, Ukrainisch und Italienisch. An der Hochschule Luzern unterrichtet er Soziologie und Volkswirtschaft. In Rheinfelden amtet er als nebenamtlicher Bezirksrichter. Derzeit befindet er sich beruflich in Italien.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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8 Meinungen

  • am 23.05.2022 um 11:53 Uhr
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    Nur schon Stufe drei halte ich für vollig unrealistisch. Weshalb? Weil sich Putin dauerhaft nicht daran halten wird. Das lehrt jegliche Erfahrung mit ihm während der letzten Jahre. Er würde über kurz oder lang auf diese «Autonomie» pfeifen. Diplomatie funktioniert nur, wenn beide Seiten darauf vertrauen können, dass sich die jeweils andere an Vereinbarungen halten.

    • am 24.05.2022 um 13:30 Uhr
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      Wie?
      Verhandeln sei sinnlos, weil man angeblich heute schon weiß, dass die Vereinbarungen nicht eingehalten werden? So ein Irrsinn!
      Also am besten also FEUERN was das Zeug hält, bis alles in Schutt und Asche liegt!?
      Wenn niemand mehr lebt, kann auch niemand mehr Vereinbarungen brechen – oder?

      Wie war das nochmal: Welche Seite hatte sich nicht an die Zusagen gegenüber Gorbatschow bezüglich der NATO-Osterweiterung gehalten?!

  • am 23.05.2022 um 12:09 Uhr
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    Vor 5 Tagen und keine Reaktionen in den Medien oder der Politik!
    Es führt kein Weg an einem Waffenstillstand vorbei. Trotzdem ruft man hysterisch nach mehr Waffen, der wirtschaftlichen Zerstörung (beider Länder) und damit weiteren Opfern auf beiden Seiten.
    Nur mit einer Bereitschaft aller Beteiligten ist ein Waffenstillstand möglich ob uns das passt oder nicht.

  • am 24.05.2022 um 08:27 Uhr
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    Sieht nach Minsker Abkommen aus, welches leider von den Deutschen und Franzosen torpediert wurde. Auch werden die Russen die OSZE ablehnen, da sie diese Organisation der Spionage bezichtigen. Vielleicht weiss Moritz mehr.

  • am 24.05.2022 um 19:35 Uhr
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    Mein 17jähriger Sohn liest grad «Im Westen nichts Neues». Ein Buch, das die Nazis verboten, weil es «wehrkraftzersetzend» war. Ein Tatbestand, auf den die Todesstrafe stand. Der Erste Weltkrieg war eigentlich mit dem Stellungskrieg (un)entschieden. Trotzdem liessen die Generäle auf beiden Seiten über Jahre noch hunderttausende junge Männer elendiglich verrecken. Kein Wunder, stürzte Europa, sobald die traumatisierten und völlig verrohten Überlebenden kurz darauf politische Entscheidungsmacht erhielten, erneut ins Chaos. Wer glaubt, dass die Situation in der Ukraine oder Russland sich bessert, wenn die Mörder nicht so schnell als möglich von der Front nach Hause zurückkehren und erst mal intensiv psychologisch betreut werden, hat wohl nichts aus der Geschichte gelernt.
    Der Krieg kann in JEDEM Moment aufhören.

  • am 24.05.2022 um 22:36 Uhr
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    Verhandlungen muss es geben, hätte es lange vor 2014 geben müssen!

    Die Idee:
    «Gegenstand der Vermittlung ist auch der Abzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten, mit dem Ziel, den Zustand vor dem 24. Februar 2022 wiederherzustellen.»

    Der Zustand vor dem 24. Februar war doch die Unterdrückung und die Bombardierung der abtrünnigen Ostprovinzen durch die Ukrainische Armee, welche 2014 begann und immer noch andauert!

    Gegenleistung zu einem Abzug der Russischen Truppen müsste der Abzug aller US-NATO Truppen sein, mitsamt den Söldnertruppen und den Laboren für Bio-Kampfstoffe.

    Ferner wären all die Kriegsverbrechen zu untersuchen und zu ahnden!

    Doch WER soll das machen, es gibt leider keine wirklich neutralen Staaten, der EUGH wird leider nicht von allen Regierungen anerkannt.

    • am 25.05.2022 um 10:18 Uhr
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      «Abzug aller US-NATO-Truppen»? Bitte sagen Sie mir, wo genau sich US- resp. NATO-Truppen auf ukrainischem Territorium befinden. Sie scheinen das als Einziger zu wissen.

      • am 25.05.2022 um 22:59 Uhr
        Permalink

        Ich bin kein Geheimdienstler, die Geheimdienste zeichnen sich aber durch Verschwiegenheit sowie durch gezielte Fehlinformation aus.
        Fragen Sie bei den zuständigen Diensten an, Pentagon, CIA, KGB etc.
        Oder Fragen Sie Victoria Nuland.
        Vernehmen Sie bitte die Propaganda beider Seiten, die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.
        Nein, ich bin nicht der einzige, der die US-NATO-Propapropaganda als solche erkannt hat.
        Es gibt nicht viele Länder, in denen die USA (USA = NATO) keine militärischen Einrichtungen hat, ob eingeladen oder erzwungen.
        Vielleicht sind Sie der einzige, der nachweisen kann, dass die NATO bzw die USA kein Militär in der Ukraine hat?

        https://interessantundaktuell.wordpress.com/2022/03/30/us-soldaten-in-der-ukraine/

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