Sperberauge

Vorbilder statt böse Buben

Jürg Müller-Muralt © zvg

Jürg Müller-Muralt /  Der Think-tank, der Angela Merkel berät, hält grosse Stücke auf die neue griechische Regierung.

Noch ist unklar, wie renitent sich die soeben mit Macht aufs politische Parkett gestürmten «bösen Buben» in Griechenland in Zukunft aufführen werden. Klar ist bloss, dass die Skepsis gegenüber ihren Vorstellungen und Plänen in Rest-Europa gross ist – vor allem und in höchstem Masse bei der deutschen Regierung. Da ist es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, die diese deutsche Regierung berät, im Grunde nur Positives im Athener Machtwechsel zu erkennen vermag.

Nur wenige Tage vor der Parlamentswahl vom 25. Januar 2015 erschien auf der SWP-Homepage ein Beitrag, welcher das kurz darauf siegreiche Linksbündnis Syriza als «ernsthafte Alternative» anpreist: Denn «mit einer Abwahl der alten politischen Elite in Griechenland würden sich die Chancen verbessern, das Vertrauen zwischen Staat und Gesellschaft wiederherzustellen.» Im Vordergrund müsse die Überwindung des «klientelistischen Systems» stehen, dann könnten tiefgreifende Reformen nicht nur geplant, sondern auch durchgesetzt werden.

Syriza voll im Trend

Steuergerechtigkeit müsse «die Grundlage eines neuen politischen Deals» sein. Im Übrigen sei auch der internationale Kontext günstig, «denn nicht nur Griechenland leidet unter Steuerungerechtigkeit. In der EU sollen Steuerschlupflöcher gestopft werden, und die OECD und die G20 sind dabei, die internationale Zusammenarbeit gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung voranzubringen.» Mit anderen Worten: Die Syriza-Regierung liegt laut SWP voll im Trend. Jetzt muss der gemäss Eigendeklaration «grösste Think-tank Europas» bloss noch Angela Merkel von diesem Tatbestand in Kenntnis setzen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Tsipras

Griechenland nach der Kapitulation

EU, EZB und IWF erzwangen Rückzahlungen an die fahrlässigen Kreditgeber – auf dem Buckel der Bevölkerung.

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6 Meinungen

  • am 4.02.2015 um 13:12 Uhr
    Permalink

    Interessant auch die Meinung von Heribert Dieter von der SWP zur Ukraine:

    http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/die-scheinheilige-eu-1.18260060

    und zum Freihandelsabkommen:

    https://www.zu-daily.de/daily/zuruf/2014/07-07_dieter_ttip.php

    Man müsste meinen, so schlecht ist Merkel nicht beraten mit der SWP.

    Dieter Heribert zu allen Themen auf allen Kanälen. Hier kürzlich im Schweiz. Radio zu den neuen Wilden in Griechenland:

    http://www.srf.ch/play/radio/srf-4-news-aktuell/audio/im-gespraech-heribert-dieter-von-der-stiftung-wissenschaft-und-politik-in-berlin?id=53b57917-5d23-40d5-ab74-900e7b0c15ae

    Der Think Tank dürfte nächsten in die Liste aufgenommen werden:

    http://thinktanknetworkresearch.net/wiki_ttni_en/index.php?title=Main_Page

  • am 4.02.2015 um 13:54 Uhr
    Permalink

    Interesssant auch der erste Kommentar unter dem nzz-Artikel 😉

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 4.02.2015 um 23:33 Uhr
    Permalink

    Ich muss zugeben, dass mich diese neue griechische Manschaft stark an 68 erinnert, aber auch die Schlussfolgerung meines Buches zur «Impossibilité de rembourser la dette», d.h. des unrealistischen Charakters der Strukturanpassungsprogramme des IWF/IBRD der 90er Jahre mit neuen Daten dokumentiert.

    Wenn alle Bemühungen zur Schuldentilgung in der nominellen Erhöhung der Gesamtschuld resultieren muss etwas faul im System sein.

    Ökonomen sollten manchmal über ihren Schatten springen und die überalterten Rezepte ihrer Finanzkochbücher neu überdenken.

  • am 5.02.2015 um 02:00 Uhr
    Permalink

    Wahrscheinlich sind sie schon gezähmt, die neuen Wilden in Griechenland.

    Aber zu Ihrer letzten Aussage. Interessant hierzu die Doku »Master of the Universe …. – Innenansicht eines Bankers«:

    https://www.youtube.com/watch?v=LhPuJPDFrgo

    Minute 1:23:
    »…es gibt nicht die Märkte…Märkte lernen auch nicht… Die springen in denselben Abgrund… da kann man viele Beispiele machen bis in die 30er Jahre. …
    Schliesse ich eine Feuerschutzversicherung auf mein Haus ab oder auf das Haus meines Nachbarn? … Das Produkt macht nur dann Sinn, wenn es für mich eine entsprechende Gegenposition gibt."
    ab 1:22

    "alle starren wie gebannt auf die Politik…und wenn man den Menschen sagt, «hört damit auf, dann hören sie damit auf…wenn der Wille dazu da wäre, wäre das wie ein Wasserhahn zuzudrehen…da braucht es politische Eingriffe…

    …. dass Produkte existieren …die auf der falschen Seite angewandt, Unheil anrichten.»

    Zurück Ihrer Aussage, Herr Hunkeler: Wahrscheinlich ist es für Ökonomen kein Problem, die überalterten Rezepte der Finanzbücher zu überdenken.

    Das Problem scheint eher die Umsetzung:
    Der Finanzsektor hat einen sehr grossen Einfluss auf die Politik. Der Finanzsektor lebt von kurzfristigen Gewinnen – platt ausgedrückt. Die Politik im Dienst der Bevölkerung von Nachhaltigkeit.
    Vom Finanzsektor kann nicht erwartet werden, dass er über seinen Schatten springt. Die keiner Lobby angehörenden Ökonomen haben die Systemfehler erkannt, nur haben sie nicht die Macht.

  • am 5.02.2015 um 02:11 Uhr
    Permalink

    "Wenn alle Bemühungen zur Schuldentilgung in der nominellen Erhöhung der Gesamtschuld resultieren muss etwas faul im System sein."

    …verstecker Schuldenschnitt. Hanno Beck sagte es voraus:

    http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=48971

  • am 5.02.2015 um 02:24 Uhr
    Permalink

    zu Griechenland in der obigen Doku ab ca. 1:06:00 verschiedene Aussagen, u. a.:

    "Das sind solche Geldsummen unterwegs, mit denen man Länder angreifen kann."

    Interessant auch, wie verschieden Rechtssysteme ausgenutzt werden können.

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