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Der hochrangige russische Diplomat Boris Bondarew hat seinen Dienst an der UNO-Mission in Genf aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine quittiert. © Facebook

Russischer Diplomat: «Man sagte mir, ich soll den Mund halten»

Andreas Zumach /  Ein russischer Diplomat an der UNO-Mission in Genf ist demissioniert. Auf Anfrage sagt Boris Bondarew, was ihn dazu gebracht hat.

Mit scharfen Worten des Protests gegen Russlands Überfall auf die Ukraine hat am Montag erstmals seit Kriegsbeginn heute vor drei Monaten ein ranghoher Diplomat der Regierung Putin mit einer öffentlichen Erklärung seinen Posten quittiert. Boris Bondarew, seit 2019 an der russischen UNO-Mission in Genf zuständig für die Verhandlungen in der UN-Abrüstungskonferenz, erklärte in seinem Rücktrittsbrief an seinen Vorgesetzten, Moskaus UNO-Botschafter Gennadi Gatilow, er habe sich «in den 20 Jahren meiner diplomatischen Laufbahn noch nie für mein Land geschämt, wie am 24. Februar dieses Jahres», als Putin-Russlands Überfall auf die Ukraine begann.» Der von (Präsident Wladimir) Putin angezettelte Angriffskrieg gegen die Ukraine, ja gegen die gesamte westliche Welt, ist nicht nur ein Verbrechen gegen das ukrainische Volk, sondern vielleicht auch das schwerste Verbrechen gegen das russische Volk, dem ein fettes Z alle Hoffnungen und Aussichten auf eine blühende und freie Gesellschaft in unserem Land durchkreuzt», schrieb der 41-jährige Diplomat in Anspielung auf das Z-Symbol, mit dem der russische Angriffskrieg offiziell unterstützt wird. Diejenigen, die diesen Krieg geplant hätten, wollten «ewig an der Macht bleiben, in geschmacklosen Palästen leben und auf Jachten segeln», kritisierte Bondarew. «Dafür sind sie bereit, so viele Leben zu opfern wie nötig.»

Bedenken mehrfach geäussert

Im russischen Aussenministerium hätten «Desinformation und Propaganda ein Ausmass erreicht, das an die Sowjet-Zeit der 1930er Jahre» erinnere, schrieb er in Anspielung auf die Herrschaft unter Diktator Josef Stalin. Namentlich kritisierte Bondarew Aussenminister Sergej Lawrow. Der «ehemals hochangesehene» Minister habe sich «in seinen 18 Amtsjahren von einem professionellen, gebildeten und bei seinen Kollegen hochangesehenen Intellektuellen zu einem Mann gewandelt, der ständig einander widersprechende Äusserungen verbreitet sowie die Welt (und damit auch Russland) mit atomaren Waffen bedroht». «Im Aussenministerium geht es heute nicht um Diplomatie. Es geht nur um Kriegstreiber, Lügen und Hass».

Auf telefonische Nachfrage teilte Bondarew mit, er habe nicht nur seinen Genfer Posten aufgegeben, sondern werde vollständig aus dem diplomatischen Dienst seines Landes ausscheiden. Seit dem 24. Februar habe er seine Besorgnis über den Krieg gegen die Ukraine «mehrmals gegenüber leitenden Botschaftsmitarbeitern geäussert», berichtete Bondarew. Doch ihm sei gesagt worden, «ich soll den Mund halten, um Konsequenzen zu vermeiden.»

Er habe schliesslich «keine Alternative mehr zu einem Rücktritt gesehen», erwarte allerdings nicht, dass viele seiner bisherigen Kollegen seinem Beispiel folgen werden.

Andere waren «glücklich, erfreut und euphorisch»

Zunächst hätten seine Kollegen in der Botschaft auf den Krieg gegen die Ukraine «glücklich, erfreut und euphorisch reagiert, dass Russland jetzt radikale Massnahmen ergreift», berichtete Bondarew. Inzwischen seien sie allerdings «weniger glücklich, weil wir nun einige Probleme haben, vor allem wirtschaftliche.» Aber er erwarte nicht, dass viele seiner Exkollegen «ihre Haltung bereuen und ändern werden. Sie werden vielleicht ein bisschen weniger radikal und viel weniger aggressiv, aber nicht friedlich.»
An der Genfer UNO-Mission Russlands waren bislang 66 Diplomatinnen und Diplomaten akkreditiert. Gerüchte über weitere Rücktritte konnten zunächst nicht bestätigt werden. Auch aus anderen diplomatischen Vertretungen Russlands sind bislang zumindest keine Diplomatenrücktritte öffentlich bekannt geworden. Eine von der Genfer UNO-Mission Moskau angekündigte Stellungnahme zum Rücktritt Bondarews erfolgte bis zum Montagabend nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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