Mariano_Rajoy

Ratloser denn zuvor: Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy © gk

Rajoys Schuss in den katalanischen Ofen

Alexander Gschwind /  Die vorgezogenen Regionalwahlen in Katalonien haben die Situation nicht geklärt und schon gar nicht vereinfacht. Im Gegenteil.

Wie von den meisten nüchternen Beobachtern und Meinungsforschern befürchtet trägt das Ergebnis der vorgezogenen Regionalwahl in Katalonien wenig bis nichts zur Lösung des Konfliktes zwischen Separatisten und Spanientreuen bei. Zwar vermochten die beiden wichtigsten Separatisten-Parteien mit getrennten Listen zwei Sitze mehr zu gewinnen als 2015 mit ihrer Listen-Verbindung. Gleichzeitig verlor die anarcho-radikale CUP rund 60 Prozent ihres Wähleranteils genau wie der Ableger der zentralspanischen Regierungspartei PP. Unter dem Strich büssten die Separatisten sogar ein paar Promille Wähleranteil ein und verfehlten erneut die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dank des gewichteten Proporzes zu Gunsten der stärksten Listen und bevölkerungsärmerer Landregionen verfügen sie trotzdem über eine hauchdünne Mehrheit von 70 der 135 Abgeordneten im Regional-Parlament.

Von einem klaren Mandat für eine Fortsetzung des katalanischen Unabhängigkeits-Prozesses von Spanien kann deshalb keine Rede sein. Zumal sich während des Wahlkampfes tiefe Gräben und offene Rivalitäten im separatistischen Lager aufgetan haben, die einzig durch den Märtyrerstatus ihrer inhaftierten oder exilierten Wortführer übertüncht wurden. Eine Regierungsbildung dürfte sich unter diesen Umständen schwierig gestalten und die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bleiben so oder so brüchig. Aussicht auf stabilere Verhältnisse böte einzig der Einbezug der «Gemeinschaftsliste» mit Barcelonas populärer Bürgermeisterin Ada Colau, die bisher zwischen den beiden Lagern lavierte und damit einiges von ihrem politischen Kapital aufs Spiel setzte. Bleiben die beiden grossen Separatistenkräfte der bürgerlichen Junts per Catalunya und der linksrepublikanischen ERC aber auf die anarcho-radikale CUP als Mehrheits-Beschaffer angewiesen, werden sie von dieser auch weiterhin vor sich hergetrieben und an einem konstruktiven Dialog mit der Gegenseite gehindert werden. Gerade weil sie der Parole von der «sofortigen Unabhängigkeit» unter dem Druck der jüngsten Entwicklung inzwischen – halbherzig – abgeschworen haben.

Vergiftetes Klima

Mit der Zementierung des politischen Patts bleibt Kataloniens politische Zukunft jedenfalls in der Schwebe. Für die spanische Zentralregierung ist das Wahlergebnis so oder so ein völliges Fiasko, das sie sich mit ihrer sturen Konfrontations-Politik selbst eingebrockt hat. Brutale Polizei-Einsätze gegen das Unabhängigkeits-Referendum vom 1.Oktober, die vorübergehende Intervention der katalanischen Selbstverwaltung wie die strafrechtliche Verfolgung der separatistischen Wortführer haben das politische Klima zusätzlich vergiftet und jeglichen Dialog-Ansatz noch weiter erschwert. Weite Teile der separatistischen Basis sehen sich in ihren Vorurteilen gegen Spanien bestärkt, sind umso empfänglicher für frivol-demagogische Vergleiche mit der Franco-Diktatur und werden weiterhin ihren Unabhängigkeitsträumen nachhängen, obwohl deren realpolitische Umsetzung durch die Konfrontation der letzten Monate in noch weitere Ferne gerückt ist. Hat sich doch die Hoffnung auf eine Anerkennung eines selbständigen Kataloniens durch die EU und die übrige Völkergemeinschaft als naive Illusion erwiesen. Ausser Venezuela und Nordkorea macht bisher niemand Mine, ein unabhängiges Katalonien anzuerkennen.

Was aber nichts an Rajoys Harakiri zu ändern vermag. Dass er die Haftbefehle gegen die Separatistenchefs jetzt kurzerhand aufhebt und den Interventionsartikel 155 wieder ausser Kraft setzt, ist kaum zu erwarten. Weil er damit in den eigenen Reihen auf Granit beissen und erst noch die Verpolitisierung der spanischen Justiz eingestehen würde. Auch sein Angebot einer Verfassungs-Reform in föderalistischer Richtung haben er und seine Parteifreunde schon in den ersten Sondierungsgesprächen mit der Opposition wieder verwässert, so dass sich auch die Hoffnung auf einen grundlegenden Umbau der spanischen Staatsstruktur zu Gunsten der Regionen verflüchtigt und sich damit auch gemässigte Autonomisten kaum mehr ködern lassen. Damit ist aber auch die Position von Rajoys Minderheitsregierung noch wackliger geworden. Sozialisten wie die in der Katalonienwahl nun massiv gestärkte Bürgerpartei Ciudadanos haben jedenfalls künftig noch weniger Anlass, dem angezählten Regierungschef ein weiteres Mal aus der Patsche zu helfen. Erhalten doch auf nationaler Ebene die Perspektiven einer pragmatischen, sozialliberalen Alternative zur Vorgestrigkeit der Rajoy-Leute durch das katalanische Hornbergerschiessen wieder Auftrieb. Wie ein solch neues Regierungs-Bündnis in Madrid aussehen könnte, müssten wohl vorgezogene Neuwahlen in Gesamtspanien zeigen, bei denen die neo-liberalen Ciudadanos die konservative Volkspartei Rajoys womöglich als stärkste bürgerliche Kraft überflügeln könnte. Ciudadanos hat ihre Wurzeln ursprünglich in Katalonien und stellt dort als Wortführerin der Anti-Separatisten seit Donnerstag die stärkste Fraktion im Regionalparlament – noch vor den beiden Unabhängigkeitsparteien. Was den Dialog zwischen den beiden katalanischen Lagern zwar nicht eben erleichtert, aber die Karten im weiteren Poker zwischen Madrid und Barcelona womöglich doch neu mischt.

Gerade weil der Urnengang vom 21. Dezember keinen direkten und schnellen Ausweg aus dem katalanischen Labyrinth aufgezeigt hat, sind jetzt mutige Sprünge über die Schatten der Vergangenheit gefragt!


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Alexander Gschwind war Spanien-Korrespondent bei Schweizer Radio DRS (heute SRF). Er ist Autor des Buches «Diesseits und jenseits von Gibraltar». Wer sich für die Länder Spanien, Portugal, Marokko, Algerien oder Tunesien interessiert, findet in diesem Buch viel Hintergrundwissen.

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3 Meinungen

  • am 24.12.2017 um 14:10 Uhr
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    Ich denke die Verpolitisierung der spanischen Justiz wurde bereits unter Beweis gestellt mit dem Verbot die Farbe Gelb zu verwenden (sie ist Symbol für die eingekerkerten Verfassungsbrecher). So darf man z.Bsp. nicht mit gelbem Bändchen in öffentliche Schulen oder die Beleuchtung von Brunnen und Fassaden in gelb ist verboten.

    Und scheinbar greift selbst das Königshaus in den demokratischen politischen Prozess ein. Gemäss SEAT Geschäftsleitung wurde diese von der Krone aufgefordert Katalonien zu verlassen und den Geschäftssitz zu verlegen.

    Ich beführworte die Abspaltung keineswegs aber was hier in Spanien momentan abläuft ist schlicht Demokratie unwürdig oder anders gesagt es legt offen wie verfiltz das System in diesem Land ist.

  • am 25.12.2017 um 16:24 Uhr
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    In der rechtsliberalen Partei Ciudadanos ausgerechnet “Sozialisten” ausmachen zu wollen, ist schon sehr eigenwillig. Diese Partei ist in etwa so sozialistisch wie die Lambsdorff-Papiere und in etwa so liberal wie die deutsche “AfD”.

  • am 25.12.2017 um 21:02 Uhr
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    Hallo Herr Birk…musste zuerst den Text nochmals lesen um zu verstehen was Sie meinen, Sie haben absolut recht, allerdings ist es wohl ein «Druckfehler» soll wohl heissen: Sozialisten UND die aus den…

    Die beiden Parteien einigten sich nach den 2ten, letzten National-Wahlen zum sogenannten Wohle Spaniens, die PP Minderheitsregierung anzuerkennen.

    Dabei wäre für die Sozialisten ein Zusammenschluss mit Podemos möglich gewesen, ist aber gescheitert da Podemos eine neue Verfassung mit Möglichkeit des Austritts schaffen wollte, die Sozis lehnen dies strikt ab.

    Alles in allem ähnlich wie in D wo SPD und Linke nicht zusammenfinden.

    Mir fällt dazu immer der Spruch ein: Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten.
    Der Gedanke mag populistisch sein, aber was soll ich machen, fällt mir halt ein.

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