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Übung der Bundeswehr: Nazi-Generäle als Vorbilder © Bundeswehr/Stollberg

«Kriegerischer Altruismus» statt «Hedonismus»

Jürg Müller-Muralt /  Junge deutsche Offiziere wollen zurück zu «preussischen Tugenden» und lassen das «soldatische Wesen» hochleben.

Wenn junge deutsche Bundeswehroffiziere eine «patriotische Einstellung zu Volk und Vaterland» fordern und das deutsche «militärische Erbe hochhalten» wollen, dann sollte man hellhörig werden. Im Carola Hartmann Miles-Verlag in Berlin, einem «Verlag für Soldaten», ist, weit unter dem Radar der breiten öffentlichen Wahrnehmung, ein Buch mit einigen bedenklichen Beiträgen erschienen. «Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr» (Berlin 2014) heisst der Sammelband. Bei den Autoren handelt es sich um 16 junge Truppenführer im Rang eines Leutnants, die Politikwissenschaft, Geschichte und Pädagogik an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr in Hamburg studieren. Die Hochschule dient der Ausbildung des Offiziersnachwuchses der Bundeswehr.

Ehre und Opferbereitschaft

Die Gedankenwelt junger Offiziere, zumindest einiger von ihnen, lässt aufhorchen. Da wird zum Beispiel die Rückbesinnung auf «klassische preussische Tugenden» wie «Disziplin», «Treue», «Mut», «Pflichtbewusstsein», «Gehorsam» gefordert und die Bereitschaft «zu leiden, ohne zu klagen». Die Gesellschaft wird als «hedonistisch und individualistisch» dargestellt, sie sei geprägt von einer «grundsätzlich dekadenten Haltung». Das «Streben nach Ehre durch eine hohe Opferbereitschaft» werde nicht mehr akzeptiert, es herrsche vielmehr ein öffentliches Misstrauen «gegenüber jedem kriegerischen Altruismus».

Rommel als Vorbild

Ein Offizier dürfe sich nicht an «sozialer Akzeptanz» orientieren, sondern an dem «brutal einfachen Satz der Effektivität»: «Während in der Zivilgesellschaft Diskurs und politische Differenzen die demokratische Kultur bereichern, wirken sie als Charakterzug eines militärischen Führers wie lähmendes Gift.» Der Autor plädiert für eine «Reinigung des Offiziersstandes» von «falsch verstandener Toleranz und liberalen Auffassungen». Als Vorbilder erscheinen ihm die Nazi-Generäle Erich von Manstein und Erwin Rommel. «Die von den beiden Militärführern begangenen Kriegsverbrechen erwähnt er nicht», schreibt die Internet-Plattform German-Foreign-Policy.

Militärisches Erbe hochhalten

Überhaupt, findet ein weiterer Autor, «wir sollten unser militärisches Erbe hochhalten und würdigen und uns wieder mehr darauf besinnen, was es heisst, Soldat zu sein.» Einem anderen Offiziersstudenten geht es darum, ein «in Haltung und Pflichterfüllung geschlossenes Offizierskorps» zu schaffen, das eine «soldatische und bürgerliche Elite» bilde. In seinen Augen «kann nur der Offizier zu einer Elite gehören, der sich von der breiten Masse abhebt.» Einer fordert eine «patriotische Einstellung zu Volk und Vaterland» und zu Werten wie «Mut, Treue oder Ehre» als «permanentem Gegenpol zur Gesellschaft». Gar von einer «Parallelgesellschaft Bundeswehr» ist die Rede, denn schliesslich sei die «Masse» der Bevölkerung «völlig inkompatibel mit dem soldatischen Wesen selbst».

Absage an Staatsbürger in Uniform

Bemerkenswert ist auch, dass Oberleutnant Martin Böcker, einer der Autoren, dem für die deutschen Streitkräfte verbindlichen Konzept des «Staatsbürgers in Uniform» eine Absage erteilt. Das sei eine abstrakte Kopfgeburt der politisch-militärischen Führung ohne Bezug zu den «Lebenswirklichkeiten der Soldaten». German-Foreign-Policy macht darauf aufmerksam, dass Böcker zum Umfeld des auf der äussersten Rechten angesiedelten Instituts für Staatspolitik gehört und Mitarbeiter der national-konservativen Wochenzeitung «Junge Freiheit» ist.

Das Buch deshalb gleich als Beweis dafür zu nehmen, «dass der Militarismus in Deutschland auf dem Vormarsch ist», wie es German-Foreign-Policy tut, schiesst wohl weit über das Ziel hinaus. Ein Buch ist noch kein Trend und einzelne Beiträge in einem Sammelband erst recht nicht. Doch auch der bürgerlich-konservativen «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) ist es etwas mulmig zumute. Das Buch sei «ein Dokument der Verunsicherung, Enttäuschung und Abgrenzung. Verbissener Stolz nach innen paart sich mit scharfer Polemik gegen das Aussen.» Es gehe um «militärische Selbstvergewisserung als Abgrenzung von der Gesellschaft». Die «FAZ» bezeichnet die Autoren als «angebliche Elite». Und die Aussage im Buch, die Furcht vor der Armee als einem Staat im Staat sei unbegründet, quittiert die «FAZ» mit unverhohlener Ironie: «Für uns Hedonisten ist das natürlich sehr beruhigend.»

Lob von oben

Dass es schief herauskommt, wenn sich das Offizierskorps als eigene Kaste zu verstehen beginnt und ein antidemokratisches Selbstverständnis entwickelt, muss wohl nicht speziell erläutert werden. Deshalb ist der Umstand, dass prominente Vertreter der Bundeswehr das Buch in höchsten Tönen loben, noch fast irritierender als die Publikation selbst. Einige wenige Beispiele:

«Der Sammelband «Armee im Aufbruch» ist ein überzeugendes Beispiel für das, was wir – immer wieder aufs Neue – brauchen: Die kritische und gut reflektierte Auseinandersetzung mit dem Beruf der Soldatinnen und Soldaten.» (Volker Barth, Brigadegeneral, Beauftragter des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung).

«Es spricht für die geistige Qualität und das Interesse unserer jungen Offiziersanwärter und Offiziere, wenn sie sich couragiert zu Wort melden und ihre Gedanken, Meinungen, Empfindungen und Vorstellungen zum Beruf des Offiziers niederschreiben.» (Hans-Christian Beck, Generalmajor a.D., Freundeskreis Zentrum Innere Führung).

«Es ist erfreulich, dass sich junge Offiziere der Kampftruppen entschließen, die öffentliche Diskussion über die komplizierte Lage der Kampftruppen anzustoßen. Sie haben die Probleme auszubaden, die durch die de-facto Abschaffung der Wehrpflicht, durch einengende »rules of engagements«, durch Mängel in der einsatzrelevanten Bewaffnung und Ausrüstung entstanden sind. Die Soldaten der Kampftruppen tragen die Hauptlast der Auslandseinsätze. Sie verdienen Aufmerksamkeit und jede mögliche Unterstützung.» (Dieter Farwick, Brigadegeneral a.D., International Institute for Strategic Studies)

«Dieser Sammelband bietet faszinierende Einblicke in die Gedankenwelt junger Offiziere. Ihre kritischen Reflexionen und innovativen Ideen bieten vielfältige Ansatzpunkte für Gespräche über unser Berufs- und Selbstverständnis.» (Uwe Hartmann, Oberst, Kommando Heer)

«Die Autoren dieses Buches sind Teil der Zukunft unserer Streitkräfte, dass sie sich hier äußern zeigt, dass sie auf dem richtigen Weg sind.» (Jan Hecht, Stabsfeldwebel, Träger der Tapferkeitsmedaille).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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7 Meinungen

  • am 12.03.2015 um 11:08 Uhr
    Permalink

    Es ist erfreulich, wenn die Bundeswehr, derzeit quasi eine US-Hilfstruppe für Sicherungsaufgaben im Balkan, Afghanistan etc., wieder eine echt patriotische Einstellung entwickelt und an die tapferen und ehrlichen preussischen Traditionen anknüpft. Sie wird dies im 21. Jahrhundert jedoch vermutlich mit modernen Nuklearwaffen ergänzen müssen, um zu verhindern, dass England und die USA Deutschland und Europa erneut, wie 1914 und 1939, in einen Krieg stürzen können, um die eigene globale Hegemonie zu sichern (England) bzw. auszubauen (USA). Nur ein souveränes Deutschland wird die US-Hegemonie über Europa beenden und eine nachhaltige Partnerschaft mit Russland, China und der arabischen Welt schliessen können. Die Chancen stehen gut, denn anders als 1914 möchte Frankreich (wg. Elsass-Lothringen) und Russland (wg. Dardanellen) keinen Krieg mehr gegen das friedliche Deutschland, und anders als 1939/41 gibt es keine Sowjetunion mehr, die Europa überrennen und ins komunistische System einbinden möchte. Wer noch an die Schulbuch- und TV-Version der Geschichte des 20. Jahrhunderts glaubt, wird diese Zusammenhänge jedoch nicht auf Anhieb verstehen können.

  • am 12.03.2015 um 11:25 Uhr
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    Hat Herr Müller-Muralt das Buch selbst gelesen oder nur den Artikel auf «German Foreign Policy» (die «das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen […] kontinuierlich beobachten», aber die Aktivitäten der tatsächlichen Grossmächte offenbar nicht)?

    Und könnte Herr Müller-Muralt noch die angedeuteten Kriegsverbrechen von Manstein und insb. von Rommel nennen?

    Sicher erinnert sich Herr Müller-Muralt noch, wie Finnland nach dem Ueberfall durch die Sowjetunion 1939 um Beachtung der Haager Landkriegsordnung bat, die Sowjetunion dies als einziges europäisches Land jedoch ablehnte.

  • am 12.03.2015 um 20:42 Uhr
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    Was Jürg Müller-Muralt zum Thema «junge Offiziere» der deutschen Bundeswehr schreibt, ist nicht falsch, kann aber auch manch andere Armeen betreffen. In der Tat ist im militärischen Bereich ein spezieller Patriotismus anzutreffen, der zu denken gibt. Bedenklich ebenso, wie die sogenannten preußischen Tugenden herhalten müssen, um den militärischen Dienst mit einem ehrenvollen Etikett zu versehen. Hier geht es um die Mittel zum Zweck – einerseits die Tugenden zur Motivation von Soldaten.

    Andererseits geht es um Menschen als Mittel zum Zweck, nämlich hierarchisch angeordnete Ziele – sei es Krieg oder Abschreckung – zu verfolgen, die mit dem Zweck des Menschseins nichts zu tun haben. Aus ethischer Sicht gäbe es viel zu diskutieren, besonders was Immanuel Kants konstatierte, der Mensch sei ein Zweck an sich und dürfe nicht einem ihm fremden Zweck unterworfen werden. Die Geschichte wie auch viele aktuellen Ereignisse zeigen, wie Menschen einem fremden Zweck dienen (müssen).

  • am 12.03.2015 um 20:45 Uhr
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    @ Dominik Roelli

    Zu Ihnen, Herr Roelli. Was Sie schreiben, ist irreführend und unlogisch. Unlogisch beispielsweise Ihre Vorstellung, einen wiederaufflammenden deutschen Patriotismus mit Nuklearwaffen zu ergänzen. Sehr rätselhaft, dass sie mit militärischen Mitteln ein souveränes Deutschland schaffen wollen. Da schlage ich vor, Deutschland solle besser eine Neutralität anstreben, was einer Souveränität näher käme.

    Ich bin nicht sicher, ob Sie die Zusammenhänge der Geschichte verstehen und deuten können. Geschichte und Zusammenhänge haben zu einem großen Teil mit Macht zu tun, besser und grösser sein zu wollen als Andere sowie Bereicherung und Unterdrückung: Friedrich der Große war nicht groß; Karl der Große war auch nicht so toll. Und das Nazideutschland war die größte Beleidigung für die Menschheit.

    Dass Sie, Herr Roelli, von Manstein und Rommel in Ihr Spiel bringen, erstaunt mich sehr. Dies grenzt an Verharmlosung. Erich von Manstein wurde 1949 in neun Punkten für die Teilnahme an Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Von Rommel gibt es zwar nichts Ähnliches zu berichten, aber unter dem Strich standen Rommel und von Manstein im Dienste eines verbrecherischen Systems, deren Ziele bekannt waren. Und dies bedeutet Mitverantwortung und Mitschuld.

  • am 12.03.2015 um 21:18 Uhr
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    @Pawlowski:

    1) Souveränität ohne Verteidigung (dafür mit US-Basen im eigenen Land) = unmöglich

    2) Neutralität entspricht ja etwa dem von mir skizzierten Szenario. Ohne moderne Verteidigung jedoch unmöglich. Verteidigung gegen eine Nuklearmacht ohne Nuklearwaffen = unmöglich.

    3) «Geschichte und Zusammenhänge haben zu einem großen Teil mit Macht» => Genau das schrieb ich ja.

    4) Manstein und Rommel wurde von Herrn Müller-Muralt «ins Spiel gebracht», bzw. er hat es von der Rezension abgeschrieben. Sie haben hier offenbar von Wikipedia abgeschrieben, was ein Schlaglicht auf Ihr Geschichtswissen wirft. Manstein wurde im Schauprozess zwar verurteilt, aber Kriegsverbrechen wurden eben *keine* nachgewiesen (Sie haben den Prozess offenbar nicht studiert). Zudem wurde Manstein wie üblich der Zugriff auf Entlastungsdokumente vewehrt. Rommel wurden auch keine Kriegsverbrechen nachgewiesen. Ihr Argumentation bezüglich kollektiver «Mitverantwortung und Mitschuld» ist nicht haltbar. Die damaligen Ziele Deutschlands kennen Sie offenbar auch nicht.

    Fazit: «Was Sie schreiben, ist irreführend und unlogisch.»: Das fällt offensichtlich auf Sie zurück.

  • am 12.03.2015 um 22:30 Uhr
    Permalink

    1 + 2: Nichts ist unmöglich.
    3: Macht existiert ohne Machthaber nicht. Demzufolge zeichnen Machthaber verwantwortlich und mitverantwortlich.
    4: von Manstein ->
    * http://www.spiegel.de/politik/deutschland/clausewitz-gesellschaft-kontroverse-um-nazi-kriegsverbrecher-a-958943.html
    * http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article114800440/Hitlers-genialer-Stratege-und-williger-Vollstrecker.html: «Das jüdisch-bolschewistische System muss ein für allemal ausgerottet werden» – Zitat von Manstein
    * Auch wenn Sie von Manstein verteidigen wollen, bleibe ich bei meiner Darstellung von Mitverantwortung und -schuld. Dies ist haltbar! Von «kollektiv» habe ich nicht geredet.
    * Die damaligen Ziele des Hitler-Deutschlands kenne ich sehr wohl, denn sie waren genährt durch die krankhaften Vorstellungen des Deutschtums, der germanischen Überlegenheit und dem Willen, die Juden zu vernichten. Oder haben Sie neue Erkenntnisse?
    Verbreiten Sie bitte keine Märchen.

    Ihr Fazit? Nicht nachvollziehbar.

  • am 13.03.2015 um 08:22 Uhr
    Permalink

    1 + 2) Träumerisch

    3) Sie haben meine Argumentation offenbar nicht verstanden und widersprechen sich obendrein noch gleich selbst (siehe 1 + 2).

    4) Wie gehabt: Keine Kriegsverbrechen nachgewiesen. Der Prozess und die pro-forma Verurteilung von Manstein wurden nur gemacht, weil die Sowjets die Auslieferung verlangten. Manstein wurde deshalb auch vorzeitig aus der Haft entlassen und konnte als einziger Wehrmacht-General beim Aufbau der Bundeswehr mitarbeiten und wurde mit staatlichen Ehren beerdigt. Bei Ihrem «Zitat» ging es um die Partisanenbekämpfung durch die SS, nicht um die Wehrmacht (weshalb Sie das Zitat auch nicht vollständig wiedergeben. Ohnehin ist ein «Zitat» kein Kriegsverbrechen.). Sie sind schlicht auf Propaganda reingefallen und zitieren hier deshalb auch Artikel von Spiegel und der Springer-Presse (!), ein erneutes Schlaglicht auf ihr historisches Bildungsniveau.

    5) Zudem haben Sie sehr wohl eine Kollektivschuld der Generale impliziert, diese ist völkerrechtlich nicht haltbar (und wurde selbst vom IMT nicht angwandt! Anders bei Mitgliedschaft in der politischen SS).

    6)Die deutschen Ziele kennen Sie offenbar auch nur aus dem TV. Da müssen Sie sich schon selbst schlau machen.

    Besten Dank. Hiermit verabschiede ich mich aus der Diskussion.

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