Einwegsteuer: Tübingen legt sich mit McDonald’s an
Einweg wird in der süddeutschen Stadt Tübingen künftig deutlich teurer. Ab 2022 werden für To-Go-Becher, Pommes-Frites-Schalen und anderes Einweggeschirr 50 Cent, für Einwegbesteck, Glace-Löffel oder Trinkhalme 20 Cent Steuern fällig, die der ausgebende Handel bezahlen muss. Die Universitätsstadt am Neckar will damit Littering verhindern und einen grossen Schritt in Richtung Mehrweg gehen.
«Die Wegwerfkultur in den Städten lebt davon, dass die Städte mit Millionenaufwand den Müll beseitigen. Damit ist in Tübingen jetzt Schluss: Wer Müll produziert, muss dafür bezahlen», zitiert der «Reutlinger Generalanzeiger» den streitbaren Oberbürgermeister Boris Palmer, der schon öfter mit innovativen Ansätzen für Aufsehen gesorgt hat.
Verdauungsprobleme beim Burgerbrater
Dem Burger-Riesen McDonald’s schmeckt das gar nicht. Der Konzern hat gegen die neue Steuer, deren Einführung ursprünglich schon für 2021 geplant war, wegen der Corona-Pandemie aber auf 2022 verschoben wurde, Klage erhoben.
Für McDonald’s und andere Fast-Food-Ketten steht einiges auf dem Spiel. Die Tübinger Abgabe ist deutschlandweit die erste Verpackungssteuer. Andere Städte könnten folgen, sobald über die Klage entschieden ist. Das bayrische Bamberg etwa erwägt ebenfalls die Einführung einer Verpackungssteuer. Mit dem sogenannten Normenkontrollantrag könnte McDonald’s eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild für ganz Deutschland grundsätzlich kippen. Bis dahin hat die Stadt eine Vorreiterrolle, die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.
Gastronomiebetriebe bekommen einen Zuschuss bei der Anschaffung von Mehrweggeschirr und Spülmaschinen. Mehrwegsysteme, die es schon gibt, bleiben bestehen. Einwegverpackungen wird es trotzdem weiter geben, zum Mitnehmen für Auswärtige und Touristen zum Beispiel. Diese kosten dann aber 1,50 Euro.
Petition fordert McDonald’s auf, nachzugeben
Obendrauf kam im August noch eine Petition. Die Studentin Flora Dirr fordert McDonald’s darin auf, die Klage zurückzuziehen und seine Verpackungen auf Mehrweglösungen umzustellen. Insgesamt fielen in Deutschland jede Stunde 320’000 To-Go-Einwegbecher sowie 800‘000 Einweg-Essensboxen und -schalen an. 2019 habe McDonald’s 51‘000 Tonnen Verpackungsmüll verursacht, rechnet Dirr darin vor.
Was jeder selbst sehen kann: Ein guter Teil des Abfalls, der sich an Strassen und auf belebten Plätzen findet, besteht aus Einwegbechern, Burger- und Pommes-Verpackungen. Vierzig Prozent des in der EU anfallenden Mülls ist Verpackungsmüll.
McDonald’s könnte die Steuer komplett ausbremsen
Die offene Klage dürfe andere Städte nicht veranlassen, eine To-Go-Steuer aufzuschieben, findet die Umweltaktivistin und verweist auf einen ähnlichen Fall in Kassel, bei dem McDonalds 1998 eine Verpackungssteuer gekippt hatte. Dirrs Petition wurde bis zum 28. Oktober fast 70‘000-mal unterzeichnet. Die 19-jährige Tübingerin wird von der deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt.
Tübingen sei McDonald’s bereits mit einer Begrenzung auf einen Euro entgegengekommen, sagt Boris Palmer. Mit einem Urteil wird frühestens Ende des Jahres gerechnet.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Dank an Frau Gschweng für diesen Beitrag.
Schade, dass es nicht viele Leute in der Politik gibt, welche so mutig und fantasievoll agieren wie Boris Palmer. Hoffentlich kann er sich durchsetzen und findet Nachahmende bei seinem Vorgehen.
Solche Vorschläge geben uns doch immer wieder ein wenig Hoffnung in dieser eher düsteren Zeit.