Die ukrainischen Faschisten werden salonfähig
Ursache für die Radikalisierung der nächsten Werchowna Rada (Parlament der Ukraine) sind laut Beobachtern nicht die einschlägig bekannten faschistischen Parteien wie «Swoboda» oder der «Rechte Sektor», die in Umfragen seit geraumer Zeit relativ schwach abschneiden: Der Rechte Sektor kann nur mit ein bis zwei Prozent der Stimmen rechnen; Swoboda liegt knapp unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Vielmehr liege eine zentrale Gefahr darin, dass mehrere Parteien – darunter diejenige des derzeitigen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk – prominente Figuren aus den in der Ostukraine operierenden Milizen oder bekannte Faschisten in ihre Reihen integriert und sie teils auch auf ihre Wahllisten gesetzt haben.
«Teil der weissen Rasse»
Zu den Milizionären, die Jazenjuks «Volksfront» in ihre Strukturen aufgenommen hat, gehört Andrij Bilezkij. Bilezkij ist Führer des «Bataillon Asow», das Faschisten aus der Ukraine und Neonazis aus mehreren anderen europäischen Staaten vereint. Er ist zudem Führer des «Patriot der Ukraine». «Wie können wir unseren Feind beschreiben?», fragte er am 13. Februar 2009 auf einer Versammlung der Organisation: «Das Regime, das an der Macht ist, sind die Oligarchen. Gibt es etwas, was sie gemeinsam haben? Ja, sie haben eines gemeinsam – sie sind Juden, oder ihre wahren Bosse, die hinter ihnen stehen, sind Juden.»
Bilezkij ist ausserdem auch Führer der «Sozial-Nationalen Versammlung», eines Bündnisses faschistischer Gruppen um den «Patriot der Ukraine», der die «ukrainische Nation» als Teil der «Weissen Rasse» preist und seine Politik explizit auf «nationalen und rassischen Egoismus» gründet. Weil, wie die «Kyiv Post» berichtet, Soldaten nicht Mitglied politischer Parteien werden dürfen, hat Jazenjuks «Volksfront» eigens einen «Militärrat» gegründet, um Anführer von Milizen integrieren zu können. Dass sie Bilezkij für sich gewonnen hat, kann als spezieller Coup gelten: Dessen Bataillon Asow ist von Oleh Ljaschko mitgegründet worden, dem Vorsitzenden der mit der «Volksfront» konkurrierenden «Radikalen Partei».
Beteiligung am Holocaust geleugnet
Neben den Milizenführern – darunter Faschisten – integriert die Partei des Ministerpräsidenten auch prominente ultrarechte Intellektuelle. Wie www.ukrinform.ua berichtete, kandidiert der Historiker Wolodymyr Wjatrowytsch für sie. Er ist als Leiter des «Institutes des Nationalen Gedenkens» bekannt. Wjatrowytsch hat sich bereits unter der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko einen Namen gemacht, als er die Archive des Geheimdienstes SBU leitete; damals habe er «aggressiv für Bandera, Schuchewitsch und Stezko» geworben, drei Anführer der faschistischen OUN der 1940er Jahre. Als 2010 Wiktor Janukowitsch das Präsidentenamt übernahm, wurde Wjatrowytsch entlassen und leitete danach das «Zentrum für das Studium der Befreiungsbewegung» in Lwiw; dieses werde «finanziert und geführt» von der OUN(b) im Exil, einer Nachfolgeorganisation der am Holocaust beteiligten OUN, erläuterte Historiker Per Anders Rudlin.
Kommandant und Frontkämpferin
Schliesslich finden sich auf den ersten vier Listenplätzen von Jazenjuks «Volksfront» für die Parlamentswahl neben Jazenjuk selbst (Platz 1) und dem ehemaligen Präsidenten und heutigen Parlamentspräsidenten Oleksandr Turtschinow (Platz 3) zwei Personen, die bei den Protesten auf dem Majdan eine wichtige Rolle spielten. Einer von ihnen ist Andrij Parubij, einst Mitgründer der faschistischen «Sozial-Nationalen Partei der Ukraine», die sich 2004 in Swoboda transformierte. Parubij, vor allem als «Kommandant des Majdan» bekannt, arbeitete vom 27. Februar bis zum 7. August 2014 als Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats. Er kandidiert bei der Parlamentswahl auf Platz 4 der «Volksfront»-Liste.
Auf Platz 2 hat Jazenjuk Tetjana Tschornowol setzen lassen. Tschornowol war um die Jahrtausendwende als Pressesprecherin der faschistischen Organisation UNA-UNSO aktiv, die damals mit der deutschen NPD kooperierte; sie beteiligte sich aktiv an den Majdan-Protesten und wurde am 5. März 2014 zur Chefin des Nationalen Anti-Korruptions-Komitees ernannt. Am 18. August 2014 erklärte sie ihren Rücktritt von dem Amt und schloss sich dem faschistischen Bataillon Asow an. Ende September erklärte sie dazu in einem Interview: «Ich fühle mich an der Front wohl.»
Deutschlands Rolle
Dass sich das politische Establishment der Ukraine immer weiter für die äusserste Rechte öffnet, ist auch ein Resultat der deutschen Politik: Berlin hat zum Zwecke des Umsturzes in Kiew aufs engste mit Faschisten kooperiert und diesen damit Legitimität verschafft; zudem hat die Bundesregierung die Eskalation des Ukraine-Konflikts bis hinein in den Bürgerkrieg, der die politischen Verhältnisse im Land absehbar weiter radikalisiert hat, energisch mit vorangetrieben.
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Dieser Artikel ist die gekürzte Fassung eines Beitrags, der erstmals auf der Plattform «German-Foreign-Policy.com» erschienen ist.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
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