Emigration und Schulden: Zwei Dauerbrenner in Lateinamerika

Seit Jahrzehnten war Mexiko Transitland für Millionen von Flüchtlingen und Migranten auf dem Weg in die USA – nicht nur für solche aus dem eigenen Land, sondern für Menschen aus ganz Zentralamerika und weiten Teilen Südamerikas. Jetzt kommt diese Massenbewegung schlagartig fast zum Stillstand, seit Donald Trump erneut als US-Präsident am Ruder ist. So hoffnungsfroh früher legale und vor allem illegale Einwanderer über die Grenze nach Norden strömten, so schroff und kompromisslos werden sie jetzt am Rio Grande zurückgewiesen. Aber nicht alle Betroffenen verzweifeln deswegen, wie eine Reportage in der deutschen Tageszeitung «taz» zeigt. Viele schöpfen neue Hoffnung und entscheiden sich, in Mexiko zu bleiben. Denn bei manchen Latinos und Latinas setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass Amerika längst nicht mehr für alle «das Land der unbegrenzten Möglichkeiten» ist.
Mexiko: Präsidentin bietet Trump die Stirn
Mexiko erweist sich in dieser dramatischen Situation als überwiegend gastfreundliche, solidarisch eingestellte Nation. Entscheidenden Einfluss dürfte dabei die seit einem halben Jahr regierende Präsidentin Claudia Sheinbaum haben. Ein aufschlussreiches Porträt dieser Frau, die so gar nicht in die Geschichte Mexikos als eines der «Mutterländer» des Machismo passt, ist auf der Kommentarseite der «Neuen Zürcher Zeitung» erschienen. Im Gegensatz zu Justin Trudeau etwa, dem Ex-Regierungschef Kanadas, der offenkundig seine liebe Mühe hatte mit seinem Amtskollegen Trump, pariert Sheinbaum die Frontalangriffe des US-Präsidenten selbstbewusst und bestimmt, jedoch mit diplomatischer Eleganz.
«Die USA wollen den Panamakanal!» So elementar plump meldete die republikanische Regierung in Washington ihre Forderung an. Die wichtige Wasserstrasse ist nicht nur einer der Hotspots des globalen Warenhandels, sondern sie wäre im Falle eines bewaffneten Konflikts der USA mit China von eminenter strategischer Bedeutung. Dem Besitzanspruch der USA steht allerdings ein Vertrag entgegen, den US-Präsident Jimmy Carter mit der damaligen verfassungsmässigen Herrschaft in Panama eingefädelt hat. Die Geschichte des Panama-Kanals vom Baubeginn unter US-amerikanischer Aufsicht im Jahr 1881 bis zur feierlichen Übergabe an die Einheimischen um die Jahrtausendewende stellt die Tageszeitung «junge Welt» in einer detaillierten Analyse mit einer Fülle von bedeutsamen Ereignissen dar.
Argentinien: Der Schuldenberg wächst
Ein Dauerbrenner in Argentinien sind die verzweifelten Versuche von Präsident Javier Milei, irgendwie zu Geld – sprich: zu so und so vielen -zig Milliarden Dollar – zu kommen. Der üblicherweise martialisch auftretende Staatschef gibt sich ganz zahm, wenn es darum geht, mit dem Internationalen Währungsfonds IWF einen «Deal» auszuhandeln. Denn Argentinien braucht dringend neues Geld, um seine bisherigen Schulden in Höhe von 42 Milliarden US-Dollar zu tilgen. Vor kurzem hat das Parlament Staatschef Javier Milei grünes Licht für Verhandlungen mit dem IWF über einen weiteren Kredit gegeben. Per Notstandsdekret will Milei die neuen Milliarden-Schulden durchboxen, wie «amerika21» berichtet.
In welchem Dilemma Argentinien steckt, kann man als ferner Beobachter kaum ermessen: Der IWF fordert eine Lockerung (und lieber noch eine Beseitigung) der Devisenkontrollen, mit der die Regierung Milei die stets gegenwärtige Gefahr einer Kapitalflucht im chronischen Krisenstaat aufhalten will. Andernfalls, so mahnt der IWF, würden ausländische Anleger weiterhin zögern, grössere Beträge in argentinische Unternehmen zu investieren. Doch es besteht immer auch das Risiko, dass schrankenlose Kapitaltransfers nicht produktiven, sondern vor allem spekulativen Zwecken dienen könnten, wie lokale Erfahrungen vielfach gezeigt haben.
Brasilien: Situation für Indigene hat sich verschlechtert
Ein Problem ganz anderer Art, aber ebenfalls einen Dauerbrenner, hat auch der grosse Nachbarstaat Brasilien. Indigene Völker haben dort in den Augen herrschender Kreise stets letzte Priorität. Auch die gemässigt linksgerichtete Regierung von Luiz Inácio «Lula» da Silva hat daran in ihren drei Mandaten kaum etwas ändern können. Recherchen von «Misereor», dem Hilfswerk der katholischen Kirche Deutschlands, zeigen: Die Interessen von Goldgräbern, Edelholzhändlern und Rindfleischkonzernen haben in Brasilien immer und überall Vorrang. Laut dem Bericht hat sich die Lebensqualität der über das ganze Land verstreuten indigenen Gruppen während Lula da Silvas Amtszeit in wesentlichen Teilen noch verschlechtert. Das neu geschaffene Ministerium für indigene Völker und die Indigenenschutzbehörde Funai können nur wenig bewirken, denn es fehlt an Geld und Personal.
Ecuador: Stichwahl um die Präsidentschaft
Am 13. April findet in Ecuador die Stichwahl um die Präsidentschaft im 16 Millionen Menschen zählenden Land statt. Die politische Ausgangslage dazu erörtert das «Overtone-Magazin». Beim ersten Urnengang im Februar gewann der seit Mitte des vergangenen Jahres amtierende Daniel Noboa mit denkbar knappem Vorsprung von einem halben Prozent. Die geforderte absolute Mehrheit verfehlte der Sohn des reichsten Unternehmers der Nation deutlich. Auch linke Kreise befürchten, dass Konservative und Neoliberale keine Anstrengung scheuen werden, um nach dem auslaufenden Restmandat mit dem jungen Noboa weitere fünf Jahre an der Macht zu bleiben. Aber in Lateinamerika ist in politischen Belangen fast nichts in Stein gemeisselt. Wer im April das Rennen machen wird, entscheiden zur Hauptsache die mehrheitlich zur Sprachengruppe der Ketschua gehörenden Wählerinnen und Wähler. Über ihre Präferenzen im ersten Wahlgang stehen uns keine zuverlässigen Angaben zur Verfügung. Als Alternative zum Erben des Noboa-Bananen-Imperiums bietet sich die 48-jährige Anwältin Luisa González an. Sie gilt als Anhängerin des sozialdemokratisch orientierten Ex-Präsidenten Rafael Correa.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor war 33 Jahre lang Korrespondent in Südamerika, unter anderem für den «Tages-Anzeiger» und die «Frankfurter Rundschau».
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