Die Transparenz-Register des Parlaments sind voller Fehler
Alle Schweizer ParlamentarierInnen können zwei Personen Zutritt ins Bundeshaus gewähren. Dafür müssen sie dem Zentralsekretariat der Parlamentsdienste mittels eines Antragsformulars Name, Vorname und Funktion der Personen angeben. Die Parlamentsdienste führen über diese Personen ein monatlich aktualisiertes Register für Ständerat und Nationalrat. Diese Regelung wird gerne «Götti-System» genannt und als «unbürokratisch» gelobt. Der Aufwand dafür hält sich nämlich in Grenzen. Denn für die Richtigkeit der gemachten Angaben sind die Ratsmitglieder selber verantwortlich. Doch die fehlende Kontrolle hat einen Preis. Die Register sind nämlich voller Fehler – und niemanden kümmerts.
Lückenhaftes Register der Zutrittsberechtigten
Auf Infosperber-Anfrage teilt das Zentralsekretariat der Parlamentsdienste zuerst mit: «Das Register der Zutrittsberechtigten müsste vollständig sein. Fehlende oder fehlerhafte Angaben werden in der Regel bei der Aktualisierung des Registers behoben.»
Doch das stimmt nicht. Eine Infosperber-Stichprobe zeigt das Problem im Detail. Drei Beispiele aus dem aktuellen Nationalratsregister (Stand: 1. November 2022):
Erstes Beispiel: Fehlende Angabe
Nationalrat Jean-Paul Gschwind (Mitte, Jura) hat gemäss Register einen Zutrittsbadge an Michel Darbellay vergeben. Doch für diesen gibt er keine Funktion an. Obschon Darbellay seit 2020 im Vorstand des Schweizer Bauernverbandes sitzt.
Zweites Beispiel: Falsche Angabe
Nationalrat Lorenz Hess (Mitte, Bern) vergibt gemäss Register einen Badge an die Lobbyistin Nicole Beutler. Ihr Arbeitgeber stimmt aber nicht mehr. Sie arbeitet schon seit letztem Jahr nicht mehr für die PR-Agentur furrerhugi, sondern ist selbständig. Hess müsste das wissen. Er ist Verwaltungsratspräsident ihres Unternehmens. Auch die richtigen Angaben sagen nur wenig aus. Denn wen sie im Bundeshaus auf Mandatsbasis vertritt, muss Beutler – wie auch die anderen Interessenvertretenden – nicht angeben.
Drittes Beispiel: Unklare Funktion
Nationalrätin Marianne Binder-Keller (Mitte, Aargau) vergibt einen Badge an ihren Ehemann Andreas Binder. Das Register führt ihn als «Gast». Gemäss eigener Website berät der HSG-Professor für Schuld- und Gesellschaftsrecht als Anwalt auch Unternehmen und ist in zahlreichen Verwaltungsräten aktiv.
Berater» gelangen an geheime Kommissionsprotokolle
Besonders heikel: Zahlreiche Zutrittsbadges gehen an sogenannte «persönliche Mitarbeitende». Diese Personen haben seit Dezember 2019 exklusiven Zugriff auf die geheimen Kommissionsprotokolle – und damit besseren Zugang zu den politischen Geschäften als JournalistInnen. Das Problem ist: Die ParlamentarierInnen entscheiden selber, wer diesen Sonderzugang erhält.
Auch hierüber führen die Parlamentsdienste Register. Doch auch diese sind löchrig wie Emmentaler Käse. Gemäss Deklaration der Parlamentsdienste sollten die Register «weitere Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und für diese ausgeübte Tätigkeiten» der entsprechenden Personen beinhalten. Doch eine Infosperber-Stichprobe zeigt: Auch diese Register sind voller Lücken und Fehler.
Drei Beispiele aus dem aktuellen Register der persönlichen Mitarbeitenden des Nationalrats (Stand 1.11.22)
Erstes Beispiel: Falsche Angabe
Nationalrat Roland Fischer (Grünliberale, Luzern) unterhält gemäss Register den persönlichen Mitarbeiter Tobias König. Doch der Eintrag ist nicht aktuell. Gemäss eigener LinkedIn-Seite ist König seit Januar 2022 selbständig als politischer Berater. Gemäss Website bietet er Wahlkampfcoaching und Lobbying an.
Zweites Beispiel: Unvollständige Angabe
Nationalrätin Petra Gössi (FDP, Schwyz) hat Olivier Buchs als persönlichen Mitarbeiter registriert. Er ist Geschäftsführer der Zürcher Sektion des Verbands Treuhand Suisse. Was im Register fehlt: Olivier Buchs ist auch Berater in den Bereichen Telekommunikation und Medien bei Swiss Economics – einem Wirtschaftsberatungsunternehmen mit illustrer Kundschaft im In- und Ausland.
Drittes Beispiel: Fehlende Angaben
Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP, Wallis) gibt Patrick Mayer als persönlichen Mitarbeitenden an – ohne weitere Angabe. Doch Mayer ist Direktor eines Genfer Sicherheitsunternehmens und im Vorstand der Handelskammer Schweiz-Frankreich.
Ein weiterer Fall: Nationalrätin Verena Herzog (SVP, Thurgau) und Nationalrat Thomas Burgherr (SVP, Aargau) haben Urs Vögeli als persönlichen Mitarbeiter registriert – ohne weitere Angabe. Doch Vögeli ist auch Inhaber eines Politikberatungsunternehmens und Co-Direktor des Thinktanks «Swiss Global Affairs», das geopolitische Analysen publiziert.
Nach Ansicht der Parlamentsdienste liegt das Problem nicht bei ihnen. Von Infosperber konfrontiert mit den konkreten Einträgen, schreibt das Zentralsekretariat der Parlamentsdienste: «Dies liegt in der Verantwortung der Ratsmitglieder. Wir haben damit nichts zu tun.»
Lobbywatch fordert ein Lobbyregister
Otto Hostettler, Co-Präsident des Vereins Lobbywatch, sagt zu den fehlerhaften Einträgen: «Ich gehe davon aus, dass meist keine Absicht hinter fehlenden Angaben oder nicht aktualisierten Angaben steckt. Aber diese Fälle zeigen in aller Deutlichkeit, dass die aktuelle Regelung elementare Mängel aufweist. Wieviele solcher Beispiele braucht es noch, bis sich endlich etwas an diesem Missstand ändert?»
Für Lobbywatch bräuchte es ein klares Akkreditierungssystem: ein Lobbyregister. Dabei würde ein Gremium (zum Beispiel Büro des Nationalrats/des Ständerats, Parlamentsdienste, Bundeskanzlei) entscheiden, ob eine externe Person Zutritt zum Parlament erhielte. Zugang gäbe es, wenn objektive Bedingungen erfüllt wären. Dazu gehörten unter anderem die Offenlegung der Interessen und Tätigkeiten.
Einführen könnten dies die ParlamentarierInnen selber. Doch zuletzt kippte der Nationalrat im Herbst 2020 eine neue Regelung. Das Parlament hatte einen ursprünglich als Verschärfung gedachten Vorschlag zuvor verwässert.
Lobbywatch stopft die Transparenzlücken
Zum obengenannten Fall von Jean-Paul Gschwind sagt Lobbywatch Co-Präsident Otto Hostettler: «Solche Fälle waren mitentscheidend dafür, dass wir 2014 Lobbywatch gründeten.» Weil viele Parlamentsmitglieder die eigenen Interessenbindungen nicht selber offenlegen, recherchiert der Verein diese und unterhält eigene öffentliche Verzeichnisse über Ratsmitglieder, Zutrittsberechtigte und Lobbygruppen. Kürzlich zeigte der Verein, welche ParlamentarierInnen die meisten bezahlten Mandate haben.
Mittels Crowdfunding sammelt Lobbywatch noch Donnerstag, 1. Dezember, Geld. Die Organisation schreibt auf der eigenen Website: «In genau einem Jahr werden die Schweizerinnen und Schweizer ein neues Parlament wählen. Für Lobbywatch wird das enorm viel Arbeit bedeuten, damit wir unsere Datenbank auf dem neuesten Stand halten können. Damit wir unsere Arbeit fortsetzen können, sind wir auf Hilfe angewiesen.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Pascal Sigg ist Journalist, Infosperber-Redaktor und Mitglied von Lobbywatch.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Lobbyisten sollten generell keinen Zugang haben, sieht ja fast so aus als wenn es mehr Lobbyisten als Abgeordnete gibt. Und schon garnicht zu als Geheim eingestufte Papieren.
So muss man sich nicht wundern das die Politik mehr für die Wirtschaft als für den Staat gemacht wird, wobei der Einfluss des Geldes auch gesellschaftlich schon einen viel zu hohen Einfluss haben.
Bei jeder Abstimmung kommt die Keule mit Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten und es wird zurück gerudert. Dafür können wieder die Renditen und die Boni erhöht werden. Die Wirtschaft nagt ja sowas von am Hungertuch…..
Abgeordnete sind reine Lobbyisten. Leider werden diese von einer Mehrheit stets wieder gewählt. Fehlt diesem Volk der Durchblick, kein Interesse vorhanden sich mit der Realität auseinander zu setzen, zu grosse Angst vor möglichen Veränderungen ?
Bedenklich, dass hierfür Geld gesammelt werden muss um Transparenz zu fördern, sollte es doch Selbstverständlichkeit sein den Auftraggebern (Wählern) gegenüber.