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Die USA stärken ihre Position sogar über die Uno © weyo/Depositphotos

Die Rückkehr der Uno

Jean-Daniel Ruch /  Ausgerechnet US-Präsident Donald Trump ist im Ukraine-Konflikt der Wegbereiter für die Rückkehr der multilateralen Diplomatie.

Red.– Bei diesem Text handelt es sich um eine Übersetzung des von Jean-Daniel Ruch auf der Online-Plattform «Bon pour la tête» publizierten Analyse «Le Retour de l’Onu». Der Autor Jean-Daniel Ruch ist ehemaliger Botschafter der Schweiz, war als erster Staatssekretär für Sicherheitspolitik im VBS bestimmt, trat aber das Amt nach einer undurchsichtigen politischen Intrige nicht an.

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Der Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. Februar über die Beendigung des Krieges in der Ukraine ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Er ist das Ergebnis der neuen Dynamik in den russisch-amerikanischen Beziehungen und die erste wichtige Friedensresolution seit 14 Jahren. Darüber hinaus zeigt sie als auch die am gleichen Tag in der Generalversammlung verabschiedete Resolution, dass die auf die Erreichung aller Ziele ausgerichtete Position der Europäer schwächer geworden ist.

Wer hätte das gedacht? Nachdem Trump das internationale System durch seinen Rückzug aus der WHO und dem Menschenrechtsrat geschwächt hatte, rückte er die multilaterale Diplomatie wieder in den Mittelpunkt des politischen Geschehens, indem er am 24. Februar zwei Resolutionen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine einbrachte. Die erste wurde in der Generalversammlung mit 93 zu 18 Stimmen (bei 65 Enthaltungen) angenommen. Bemerkenswerterweise folgten die USA Russland und stimmten gegen den Text, den sie selbst vorgeschlagen hatten, nachdem die Versammlung drei europäische Änderungsanträge angenommen hatte, die die ukrainischen Positionen begünstigten. Die Europäer hatten Wert darauf gelegt, dem von den USA eingebrachten Entwurf drei Änderungsanträge hinzuzufügen:

  • Der erste Antrag ersetzt die Beschreibung des «russisch-ukrainischen Konflikts» durch «eine gross angelegte Invasion der Russischen Föderation in die Ukraine», was impliziert, dass Russland einen Akt der Aggression begangen hat.
  • Der zweite bekräftigt das Engagement der Vereinten Nationen für die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Ukraine – und lehnt daher jede Vorstellung von territorialen Zugeständnissen auf der Krim und in den Oblasten des Donbass ab.
  • Der dritte unterstreicht noch einmal die Bedeutung des vorherigen Änderungsantrags, indem er zu einem Frieden aufruft, der die Grundsätze der Souveränität und territorialen Integrität respektiert.

Das Verfahren in der Generalversammlung sieht vor, dass die vertretenen Staaten zuerst über die Änderungsanträge und dann über den gesamten abgeänderten Text abstimmen. Die drei Änderungsanträge wurden mit einfacher Mehrheit angenommen, und die USA entschieden sich zusammen mit Russland und 16 anderen Staaten, dagegen zu stimmen.

Blauhelme in der Ukraine?

Die zweite Resolution, die wichtiger ist, weil sie vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde und somit im Gegensatz zur ersten im Prinzip rechtlich bindend ist, enthält keine europäischen Änderungsanträge. Diese wurden in Abstimmungen abgelehnt. Der Text ist sehr kurz: 83 Wörter. Er beschränkt sich darauf, die Verluste an Menschenleben zu bedauern und ruft zu einem schnellen Ende des Konflikts auf. Er wurde von allen Mitgliedern des Sicherheitsrats angenommen, mit Ausnahme der fünf europäischen Mitglieder Frankreich, Grossbritannien, Dänemark, Griechenland und Slowenien, die sich der Stimme enthielten. Frankreich und Grossbritannien hätten ihr Veto einlegen können, taten dies jedoch nicht.

Die Resolution des Sicherheitsrates rückt die Uno nach Jahren der Lähmung aufgrund der Unmöglichkeit einer Einigung zwischen Russen und Amerikanern wieder ins Rampenlicht. Die letzte wichtige Resolution zu Krieg und Frieden, die der Sicherheitsrat verabschiedete, erlaubte 2011 den Einsatz von Gewalt in Libyen. 

Ist diese Entwicklung, die auf die neue Dynamik in den russisch-amerikanischen Beziehungen zurückzuführen ist, ein Vorbote für ein Engagement der Uno bei der Lösung des Ukraine-Konflikts? Denkbar wäre zum Beispiel, dass die Uno ein Kontingent von Blauhelmen entsendet, um ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Russen und Ukrainern zu überwachen. Der Schweizer Armeechef Thomas Süssli kündigte am vergangenen Wochenende an, dass er bereit wäre, 200 Soldaten zu entsenden. Wird ein UN-Kontingent ausreichen, um die ukrainische Forderung nach Sicherheitsgarantien im Rahmen eines Friedensabkommens zu erfüllen? Dies wird bezweifelt.

Die Europäer im Abseits

Die Entscheidungen der Generalversammlung und vor allem des Sicherheitsrats verdeutlichen, dass die auf die Erreichung aller Ziele ausgerichtete Position der Europäer geschwächt wurde. Im Rat waren sie vollkommen isoliert. In der Generalversammlung schmolz die Unterstützung. Traditionell erhielten pro-ukrainische Resolutionen rund 140 Ja-Stimmen, 50 mehr als die Resolution vom 24. Februar 2025.

Diese Entwicklungen sind positiv für die Weltordnungspolitik, auch wenn die Architekten der amerikanisch-russischen Annäherung, Trump und Putin, weder durch ihre Werte noch durch ihre Methoden überzeugen. Werden sie den Nahen Osten mit demselben Konsens angehen können? Das wäre eher ein Wunder.

Die Europäer müssen ihre Politik umgestalten, wenn sie nicht völlig aus der Bahn geworfen werden wollen. Was die Schweiz betrifft, so ist sie zum Glück nicht mehr im Sicherheitsrat vertreten. Was hätte sie zwischen ihrer Faszination für die USA und ihrer obligatorischen Solidarität mit Europa gewählt?


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Das Original dieses Artikels wurde auf «Bon pour la tête» publiziert. Dort ist für Abonnenten der vollständige Text zugänglich.
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2 Meinungen

  • am 4.03.2025 um 11:40 Uhr
    Permalink

    Interessant ist auch, dass Europa auf die territoriale Integrität der Ukraine besteht, aber praktisch kein Wort verliert, über die Gebiete die Israel kürzlich besetzt hat. Die im Libanon wollen sie eventuell wieder zurückgeben, die in Syrien aber nicht. Die Golanhöhen sind schon länger völkerrechtwidrig annektiert. Auch schweigt sich Europa grossmehrheitlich aus, zu den «militärischen Operationen» gegen die kurdische Bevölkerung welche die Türkei schon lange im Norden Syriens tätigt, um ihre «Sicherheitszone» zu erhalten. Es ist unteraderem genau diese Doppelmoral, welche im Rest der Welt, Europa als unzuverlässig und unglaubwürdig erscheinen lässt. Zurecht in meinen Augen. Europa kam 3 Jahre nicht auf die Idee, Diplomaten statt Waffen in die Ukraine zu schicken, was vorallem bei den Linken ein Totalversagen darstellt.

  • am 4.03.2025 um 11:42 Uhr
    Permalink

    Sind für Jean-Daniel Ruch Russen und Weißrussen keine «Europäer» wenn er im letzten Absatz die Europäer zur gemeinsamen Politik aufruft (gemeint ist wohl wieder nur EU+GB+CH)? Russland wird die Krim, die ohnehin nur auf Chruschtschows Laune zur (Sowjet)-Ukraine kam und deren Referenden durch die spätere Ukraine sämtlich ignoriert wurden, nicht hergeben; UNO hin oder her. Ein Blauhelmmission ist krasses Wunschdenken: schon einmal einen Blick auf die Landkarte geworfen, wie riesig dieses Territorium und lang die Grenze ist? Russland ist eine Supermacht und wird sich genausowenig von Blauhelmen reinreden lassen wie Israel. Die EU-Kriegstreiber haben noch nicht kapiert, dass kein EU-Bürger Lust hat noch einmal einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag ins Milliardengrab Ukraine zu werfen geschweige die eigenen Söhne dorthin zum Opfergang zu schicken. Die EU-Europäer und auch die Schweiz haben ihre Chance, den Frieden zu gestalten durch ihre Biden-Anbiederei verpasst.

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