Titanic aussen

Wie ein Ozeandampfer ragt das Verwaltungsgebäude Titanic II an der Monbijoustrasse in Bern in den Strassenraum. © Marco Diener

Der Bund lässt Paläste leer stehen

Marco Diener /  Ob Bürogebäude oder Wohnhaus – der Bund nutzt Gebäude an bester Lage nicht. Und das während Jahren.

War das ein Ereignis, als die «Titanic II» im Mai 1998 eingeweiht wurde! Für damals stattliche 110 Millionen Franken hatte der Bund an der Monbijoustrasse mitten in der Stadt Bern ein repräsentatives Verwaltungsgebäude bauen lassen. Wie ein Ozeandampfer ragt der 130 Meter lange Bau seither in den Strassenraum.

«Nur» gestrandet

Im Gegensatz zur richtigen Titanic ist die «Titanic II» zwar nicht untergegangen. Aber gestrandet ist sie schon. Das protzige Gebäude war seinerzeit als Sitz des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erbaut worden. Doch das EDA zog gar nie ein. Stattdessen dienten die Büros anfangs dem Bundesamt für Energie (BFE), dem Bundesamt für Strassen (Astra) und dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT).

Titanic Eingang
Die Titanic II ist verwaist.
Meielen BBL Areal
Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) ist in den Berner Vorort Zollikofen gezogen.

Doch das ist alles längst Geschichte. Das BIT zog vor über drei Jahren als letztes Amt aus der «Titanic II» aus. Es hat Räume im Vorort Zollikofen bezogen. Weil inzwischen auch das Rechenzentrum des Bundes nicht mehr in der «Titanic II» untergebracht ist, fehlt die Abwärme, mit der sich das Gebäude heizen liesse. Deshalb mussten Anlagen installiert werden, die das Grundwasser als Wärmequelle nutzen.

So gross wie vier Fussballfelder

Seit dem Auszug des BIT im Jahr 2021 stehen die 23’474 Quadratmeter leer – eine Fläche, so gross wie gut drei Fussballplätze. Und das wird noch eine Weile so bleiben. Denn frühestens Anfang 2026 ziehen die Nationalbibliothek und das Bundesamt für Kultur (BAK) provisorisch ein. Voraussichtlich 2033 werden sie wieder aus der «Titanic II» ausziehen. Und dann wird das Verwaltungsgebäude wieder leer stehen.

Infosperber hätte gerne gewusst, wie viel die bevorstehende Umnutzung für Nationalbibliothek und BAK kosten werden. Aber das zuständige Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) antwortete: «Aufgrund des laufenden Projektverfahrens können wir derzeit keine weiteren Informationen zu den Kosten bereitstellen.»

Deshalb fragte Infosperber, wie viel die Leerstände, die Umnutzungen und die Umbauten seit der Eröffnung der «Titanic II» bis heute gekostet haben. Doch auch dazu mochte sich das BBL nicht äussern.

Weitere Probleme

Sicher ist allerdings schon jetzt, dass es mit den Problemen weitergehen wird. So schrieb das Planungsbüro Eicher und Pauli schon vor vier Jahren: «Die Nationalbibliothek stellt aus konservatorischen Gründen hohe Anforderungen an das Klima.»

Deshalb führte das Planungsbüro vorgängig Simulationen durch. Zunächst tönt es im Bericht noch zurückhaltend: «Die Simulation zeigte auf, dass die benötigten Raumkonditionen nur knapp eingehalten werden können.» Doch dann wird klar: «Vor allem im Sommer wird es kaum möglich sein, konstante Bedingungen zu erreichen. Die Einflüsse von aussen sind zu gross, als dass sie mit technischen Mitteln zu beseitigen wären.»

Das nehmen die Planer ziemlich locker: «Da die Nutzung der ‹Titanic› durch die Nationalbibliothek nur provisorischer Natur ist, werden mögliche Abweichungen in Kauf genommen.»

Auch ein Wohnhaus

Der Bund lässt nicht nur das Bürogebäude an der Monbijoustrasse leer stehen. Miserabel genutzt ist auch das Beatrice-von-Wattenwyl-Haus an der Junkerngasse in der Berner Altstadt. 1446 erbaut, ging die herrschaftliche Villa 1934 in Bundesbesitz über. Seither nutzt der Bund sie für den Empfang von Gästen sowie für Sitzungen – zum Beispiel die so genannten Von-Wattenwyl-Gespräche zwischen dem Bundesrat und den Spitzen der Bundesratsparteien.

Von wattenwyl haus
Wie weiter? Von-Wattenwyl-Haus an der Junkerngasse in Bern.

Das Beatrice-von-Wattenwyl-Haus ist aber auch ein Wohnhaus. Es beherbergt eine Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung, eine Drei-Zimmer-Wohnung und ein einzelnes Zimmer. Die letzten Mieter waren: die damalige Bundesrätin Doris Leuthard bis Ende 2018 in der grossen Wohnung, Nationalrat Martin Candinas bis 2019 im Zimmer und Bundeskanzler Walter Thurnherr bis Januar 2021 in der kleineren Wohnung.

250 Quadratmeter für 2450 Franken

Während Jahren versuchte das BBL die Räume zu vermieten – erfolglos. Mal hiess es, die Wohnungen und das Zimmer seien in einem schlechten Zustand. Dann hiess es von Seiten des BBL: «Ein Mietverhältnis kam aufgrund der Höhe der Miete nicht zustande.»

Das ist erstaunlich. Denn die Mieten waren zuletzt ausserordentlich günstig. Das geht aus der Antwort auf einen Vorstoss des Berner SVP-Nationalrats Erich Hess im Jahr 2018 hervor. Doris Leuthard zahlte für fünfeinhalb Zimmer auf sagenhaften 250 Quadratmetern gerade mal 2450 Franken, Walter Thurnherr für drei Zimmer 2000 Franken und Martin Candinas für sein Zimmer 200 Franken. Und das an bester Lage mitten in der Altstadt.

Nur «Magistratspersonen»

Dass der Bund offenbar Mühe hat, die Räume zu vermieten, ist selbst verschuldet. Denn als Mieter kommen nur «Magistratspersonen» in Frage. Also etwa Bundesräte, Bundesrichter oder Staatssekretäre. Nur so wäre laut BBL «in einem Haus, in dem Treffen der Regierung mit Gästen abgehalten werden», die Sicherheit gewährleistet.

Das Resultat: Die Wohnräume stehen seit vielen Jahren leer. Und sie werden auch während der nächsten Jahre nicht genutzt. Denn das BBL weiss noch nicht einmal, was es damit anfangen soll. Zur Debatte steht «eine sanfte Umnutzung der Wohnungen zu Nebennutzflächen für die repräsentativen Räume (Besprechungsräume, Garderoben etc.), sofern dies rechtlich möglich ist und ein entsprechender Bedarf besteht».

Trotzdem hat der Bund bereits letztes Jahr mit Sanierungsarbeiten begonnen. Wie lange sie dauern werden? Das kann das BBL noch nicht sagen. Aber bestimmt «mehrere Jahre». Und wie viel sie kosten werden? Auch das kann das BBL noch nicht sagen.


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