Kommentar

Bundesrat steht nur halbherzig zu NGO

Markus Mugglin* ©

Markus Mugglin /  Die Frontalangriffe auf die NGO blockt der Bundesrat zwar ab, hält aber trotzdem am Maulkorb fest.

Zumindest den Rachegelüsten vieler bürgerlicher Parlamentarier will der Bundesrat nicht freien Lauf lassen. In seinen Antworten auf ein halbes Dutzend Vorstösse der SVP-Nationalräte Glarner, Guggisberg und Hess, der Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (hier und hier) und des FDP-Nationalrates Hans-Peter Portmann würdigt er sogar die Bedeutung der NGO: «Eine starke und vielfältige Zivilgesellschaft gehört zur politischen Kultur der Schweiz». Es gebe keinen Grund, «NGO, die in der Internationalen Zusammenarbeit tätig sind und ihre Anliegen auch politisch vertreten, von der Finanzierung durch den Bund auszuschliessen.» Der Bundesrat äussert sich auch froh darüber, dass er Aufgaben an NGO delegieren kann. Denn in vielen Fällen würden diese eine gewünschte Leistung kostengünstiger erbringen als es die Verwaltung tun könnte.

Mehr Kontrollen als anderswo

Zum Kernpunkt des Streits um die Verwendung von Geldern für Information, Bildungsarbeit und Kampagnen stellt der Bundesrat auch klar, dass die Kontrollen über die Verwendung der Gelder überdurchschnittlich intensiv seien. Es gäbe kaum Politikbereiche, die so oft extern evaluiert würden wie die DEZA. In den letzten zwölf Jahren geschah dies nicht weniger als sechs Mal durch die Geschäftsprüfungskommission und die Eidgenössische Finanzkontrolle. Die Ergebnisse fielen «zur Zufriedenheit» aus. Und selbst im «Sündenfall» von Solidar Suisse stellt der Bundesrat fest: Das Hilfswerk habe den DEZA-Programmbeitrag, den es für eine politische Kampagne verwendet hatte, «umgehend zurückerstattet und den Fehler eingestanden». Folglich: «Die Kontrollmechanismen der DEZA haben funktioniert.»

Alles in Ordnung zwar, aber trotzdem Strafe

Kein Problem also – würde man vermuten. Doch wer das meint, unterschätzt die Fähigkeit des Bundesrates, aus klaren Fakten falsche Schlüsse zu ziehen. Denn was laut seiner Stellungnahme bestens funktioniert, soll trotzdem mit einem Maulkorb bestraft werden. Vom Entscheid des EDA, den NGO die Informations- und Bildungsarbeit zu den von der DEZA finanzierten Projekten in der Schweiz zu verbieten, rückt der Bundesrat nämlich nicht ab. Sie dürfen dafür keine Mittel mehr aus DEZA-Programmbeiträgen verwenden, was gestern vom EDA offiziell bekanntgemacht wurde. Die Regel gilt für «Schweizer NGO». Da fragt man sich natürlich, was für andere, nicht-schweizerische NGO gilt? Und wie steht es für schweizerische NGO, die von anderen Bundesstellen Gelder erhalten?

Denn – auch das ist den Bundesrats-Antworten zu entnehmen – auch NGO, die in der Gesundheits-, Migrations-, Landwirtschafts-, Forschungs-, Umwelt-, Aussen- oder Alterspolitik arbeiten, erhalten staatliche Gelder. Es gebe keinen Grund, in der Internationalen Zusammenarbeit tätige NGO anders zu behandeln als NGO, die in anderen Bereichen tätig sind, lässt der Bundesrat zwar den Motionär Portmann wissen. Doch ob das so ist, weiss er offenbar nicht. An die Adresse der Interpellantin Schneider-Schneiter führt er nämlich aus: «Eine bundesweite Analyse sprengt den Rahmen einer Interpellation.» Den Verdacht, dass er zwischen guten und unbequemen NGO unterscheidet, räumt er damit nicht aus. Die einen kontrolliert er also mehr als andere, sie erhalten dabei Noten «zur Zufriedenheit» und werden trotzdem sanktioniert. Bei anderen schaut man weniger hin, will man es gar nicht so genau wissen. 

«Zweierlei Massstab»

Dass nicht mit gleichen Ellen gemessen wird, ist aus einer gleichzeitig publizierten Antwort auf eine Interpellation der Grünliberalen Nationalrätin Kathrin Bertschy herauszulesen. Sie forderte die Beendigung der «widersprüchlichen Steuergeldverwendung bei den Absatzförderungsinstrumenten in der Landwirtschaftspolitik».  Der Bundesrat will aber keine Widersprüche eingestehen. «Absatzförderung von Fleisch mit Steuergeldern, auch aus Gründen des Klimaschutzes» erachtet er als «gerechtfertigt» und offenbar nicht als politisches Problem, auch in Zeiten des Klimawandels nicht.  Auf den Verdacht auf «zweierlei Massstab» im Bundeshaus hat unlängst auch der «Beobachter» mit mehreren Beispielen hingewiesen.    

Noch gravierender ist, dass es der Bundesrat mit seiner Verbotsklausel den NGO erschwert, in der Schweiz Rechenschaft abzulegen über das, was sie in fernen Ländern mit Steuergeldern tun. Da stellt sich die Frage, warum darf die DEZA in der neusten Ausgabe ihrer Zeitschrift «Eine Welt» über die mit DEZA-Geldern realisierten Trinkwasserprojekte in ländlichen Gebieten Tunesiens informieren, während es Schweizer NGO wegen der Maulkorb-Klausel nur dürfen, wenn sie dafür zusätzliche Geldquellen mobilisieren können. Und was geschieht, wenn ihnen das nicht gelingt? Verzichten sie dann bundesrätlich autorisiert auf öffentlich leicht zugängliche Rechenschaftsablage über verwendete Gelder?

Es ist ein mehr als nur eigenwilliger Umgang mit Steuergeldern. Bundessteuer-Pflichtige haben doch Anrecht darauf, dass sie in der Schweiz möglichst verständlich erfahren können, welche Wirkung und welchen Nutzen die über NGO eingesetzten Steuergelder in fernen Ländern erzielen.

Die Schalmeienklänge des Bundesrates über die Wertschätzung einer starken und vielfältigen Zivilgesellschaft mögen schön klingen. Doch es genügt nicht. Es braucht den Rückzug des Maulkorb-Entscheids, damit es den NGO nicht erschwert wird, in der Schweiz über ihr steuergeldfinanziertes Tun in fernen Ländern zu informieren. 

Dazu auch Rache gegen Hilfswerke


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 5.03.2021 um 11:50 Uhr
    Permalink

    Guten Tag Herr Mugglin

    Danke für den Artikel. Die Lorbeeren wollen Sie – das DEZA und das SECO – die hätten Sie dann gerne.

    Ist die Frage erlaubt ob das SECO überhaupt noch existiert. Auch im Fall Neumann muss man sich das fragen. Jetzt habe ich – Coffee Buying and Consulting – den Fall auch im Brief an Nestle von dieser
    Woche erwähnt. Es weiss die ganze Kaffeewelt, dass Neumann und der ugandische Staat bis heute nichts bezahlt haben. Wenn man in Uganda die richtigen Freunde hat, dann kann man sich alles erlauben.

    Freundliche Grüsse – Walter Zwald

  • am 6.03.2021 um 10:26 Uhr
    Permalink

    Sehr geehrter Herr Zwald, Sie tun mit Ihrem Text ein riesiges Feld für Informations-Spekulationen auf. Könnten Sie bitte etwas konkreter werden. Sie hören sich so an, dass Ihnen mehr Informationen zur Verfügung stehen. Bitte teilen sie diese. MfG Carlos Schenkel

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...