Kommentar

Auch die Nationalbank muss sich ans Klimagesetz halten

Gerhard Andrey ©

Gerhard Andrey /  Das vom Volk gutgeheissene Klimagesetz setzt der Nationalbank neue Leitplanken für das Anlegen ihrer grossen Vermögenswerte.

(Red) Der Autor Gerhard Andrey ist Unternehmer und vertritt die Grünen Schweiz im Nationalrat. Nachhaltige Finanzen ist eines seiner Hauptthemen.

Das eigene Handeln wertebasiert zu präsentieren, hat Hochkonjunktur. Das gilt auch für die Schweizerische Nationalbank (SNB). Ihr Präsident Thomas Jordan begründete den Ausstieg aus Kohleinvestitionen im Dezember 2020 damit, dass die «Anlagepolitik den Werten der Schweiz entsprechen soll». In den Anlagerichtlinien heisst es weiter, dass die Nationalbank «die grundlegenden Normen und Werte der Schweiz berücksichtigt.» 

Was genau die grundlegenden Werte und Normen sind, darüber lässt sich bekanntlich streiten, zumal der Begriff «Wert» in der Finanzbranche vieldeutig sein kann. Ein SNB-Ethikrat, wie ich ihn an anderer Stelle gefordert hatte, könnte in solchen Fragen Klarheit schaffen.  

Denn die SNB engagiert sich mit astronomischen Dimensionen am Aktienmarkt und verwaltet damit einen der weltweit grössten De-facto-Staatsfonds. Der Dividendenertrag der letzten zehn Jahre beläuft sich auf 28 Milliarden Franken. Das zeigt eindrücklich, wie die SNB im Interesse der Schweiz zumindest die finanziellen Werte zu vermehren wusste.  

Neues Klima- und Innovationsgesetz verändert die Anlageregeln 

Die SNB trägt aber auch eine grosse Verantwortung, wofür ihre angelegten Gelder konkret eingesetzt werden. Ein stabiler und deutlich weniger umstrittener Wert zur Orientierung des eigenen Handels ist die Beachtung von Verfassung und Gesetz. Seit der deutlichen Annahme des Klima- und Innovationsgesetzes am 18. Juni dieses Jahres hat die Schweiz hierfür eine neue und klare gesetzliche Grundlage. Das Gesetz, das am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, hat zum Ziel, den Verbrauch von Öl und Gas zu reduzieren und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Die SNB hat erste kleine Schritte gegen die Klimakrise schon ergriffen. So hat sie beispielsweise Unternehmen, die mehr als 30 Prozent ihrer Einnahmen aus Kohle erzielen, aus ihrem Devisenportfolio ausgeschlossen und bewertet in ihrem Stresstest den Einfluss der Klimakrise auf die Finanzstabilität. Diese Massnahmen sind aber unzureichend, wie Untersuchungen des WWF oder der britischen NGO Positive Money aufzeigen.

Die SNB investiert in fast jedes vierte der 100 klimaschädlichsten Unternehmen weltweit. Dazu gehören fossile Energieunternehmen wie Duke Energy (350 Mio.), Shell (300 Mio.), Exxonmobil (900 Mio.), Enbridge (299 Mio.) oder Chevron (775 Mio.). Diese Unternehmen heizen durch ihre Aktivitäten nicht nur die Klimakrise an, sondern verursachen auch schwere Umweltschäden oder verletzen grundlegende Menschenrechte.

Es ginge auch anders. Laut einem Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey & Company in Zusammenarbeit mit dem WWF und Economiesuisse verfügt die Schweiz als internationales Wirtschafts- und Finanzzentrum über enorme Hebel, eine Energie- und Ressourcenwende zur weiteren Dekarbonisierung der Wirtschaft herbeizuführen. Denn der Schweizer Finanzplatz ist für das 14- bis 18-Fache der inländischen Emissionen im Ausland mitverantwortlich.  

Chance für Führungsrolle in nachhaltiger Finanzpolitik 

Mit dem Klima- und Innovationsgesetz hat sich die Schweiz auch für die Umlenkung der Finanzflüsse gemäss dem Pariser Klimaabkommen entschieden. Nachdem die SNB mit dem Ausstieg aus Kohleinvestitionen einen ersten Schritt gemacht hat, steht nun konsequenterweise der Rückzug aus den fossilen klimaschädlichen Energieträgern an.  Die Nationalbank kann die Dekarbonisierung durchaus auch als Chance nützen, indem sie den Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreibt. 

Bundesrat und Finanzbranche haben sich zum Ziel gesetzt, den schweizerischen Finanzplatz weltweit zum führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, bestätigte der Bundesrat vor kurzem, dass verbindliche Regelungen für Finanzakteure notwendig sind. Sie werden auch für die Nationalbank gelten, damit sie ihr Devisenportfolio in Übereinstimmung bringt mit den Zielen des Klima- und Innovationsgesetzes. Dann würden künftig finanziell und ökologisch Werte im doppelten Wortsinn geschaffen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor Gerhard Andrey ist Nationalrat der Grünen und kandidiert im Kanton Freiburg für den Ständerat. Er ist Gründer und Partner der Digitalagentur Liip und ist Mitglied des Verwaltungsrats der Alternativen Bank Schweiz. Ein nachhaltiger Finanzmarkt Schweiz ist eines seiner Hauptthemen im Parlament. Sein jüngster Vorstoss, der auch vom Bundesrat unterstützt wird, fordert die verbindliche Ausrichtung der Finanzmittelflüsse gemäss dem Übereinkommen von Paris.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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3 Meinungen

  • am 13.09.2023 um 11:56 Uhr
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    Die Nationalbank hat zwei grosse Aufgaben: Gewährleistung der Preisstabilität und der Finanzstabilität. Bei ersterer gehört sie international zur Spitzenklasse. Bei der Finanzstabilität verdient sie bestenfalls die Note «genügend». Priorität für die SNB muss haben, dass sie sich bei der Finanzstabilität mindestens die Note «gut» erarbeitet. Ihr eine «Führungsrolle in nachhaltiger Finanzpolitik» aufzutragen, ist wirklich kein sinnvolles Ziel.

  • am 13.09.2023 um 19:40 Uhr
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    Die Schweiz sollte aus dem Pariser Abkommen aussteigen. Es ist ein Witz, was sie verlangen. Haben sie sich schon gefragt, was ansteht, wenn der Rückzug aus fossilen klimaschädlichen Energieträgern erfolgt. Fast alle Produkte, die sich in einem Haushalt befinden, bestehen auch aus fossilen Energieträgern. Stattdessen sollten Sie sich mal überlegen, was CO2 überhaupt ist.

  • am 14.09.2023 um 09:23 Uhr
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    Interessant an diesem Artikel für mich,in welche Firmen die SNB investiert. Da wäre schon eine Verbesserung von Nöten. Solche Abkommen, wie dasjenige von Paris, kommen jeweils nur zustande,weil sie keinen Lösungsweg vorgeben. Sobald konkrete Vorschläge kommen, werden sie meistens abgelehnt. Mich dünkt die Fixation auf CO2 etwas kontraproduktiv,es gäbe soviel wichtigere Themen in Sachen Umweltschutz. Das Artensterben,die Zubetonierung, sauberes Trinkwasser etc…

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