Als Nächstes: Atomwaffen verbieten!
Red. Dieser Gastbeitrag von Heinrich Frei ist auf der Website der friedenspolitischen Organisation IFOR Schweiz in einer ausführlicheren Version erschienen. Heinrich Frei ist Mitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein.
Als 59. Staat hat Peru am 23. Dezember 2021 den Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW) ratifiziert. Alle neun Staaten, die Atomwaffen besitzen, haben den Vertag jedoch nicht unterschrieben, auch Deutschland und alle Nato-Mitglieder nicht. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe üben Piloten der deutschen Bundeswehr mit Tornado Jets sogar immer noch den Abwurf von Atombomben. Österreich hat das Abkommen ratifiziert, die Schweiz bisher nicht.
Die Notwendigkeit eines Verbots
Ein atomarer Schlagabtausch der Grossmächte würde zur Ausrottung der Menschheit und vieler weiterer Arten führen. Schon mehrmals nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Menschheit am Abgrund einer atomaren Katastrophe. Ein Atomkrieg könnte auch durch eine technische Panne ausgelöst werden. Selbst ein begrenzter Atomkrieg mit «nur» hundert explodierten Bomben würde zu einem nuklearen Winter führen, gefolgt von weltweiten Hungersnöten. Seit 22. Januar 2021 ist das Atomwaffenverbot universell gültiges Völkerrecht. Infosperber berichtete darüber. Das weltweite Verbot trat in Kraft, nachdem mit Honduras der 50. Staat den Vertrag ratifiziert hatte. Trotzdem wird weiter in Atomwaffen investiert.
Die meisten Länder dieser Welt versuchen ein rechtlich bindendes Abkommen zur Abrüstung des Atomwaffenarsenals zu erreichen und haben den Vertrag über das Verbot von Kernwaffen unterschrieben. Die neun atomar bewaffneten Länder tun aber das Gegenteil: Pro Minute geben sie mehr als 100’000 US-Dollar aus für das neue nukleare Wettrüsten.
685 Milliarden US-Dollar investiert
Laut ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, erhielten die 25 Unternehmen, die Atomwaffen produzieren, zwischen Januar 2019 und Juli 2021 insgesamt 685 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Das sind 44 Milliarden US-Dollar mehr als im Vorjahr.
Die Firmen, die Aufträge für den Bau von Massenvernichtungswaffen erhalten, und die Finanziers und Investoren der Atomwaffenindustrie des privaten Sektors erzielen grosse Gewinne. Unternehmen aus China, Frankreich, Indien, Italien, den Niederlanden, der Russischen Föderation, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten sind massgeblich an der Herstellung von Kernwaffen beteiligt. Viele dieser Unternehmen haben mehrjährige Produktionsverträge im Gesamtwert von mindestens 200 Milliarden US-Dollar, die über Jahrzehnte in Kraft bleiben.
«Northrop Grumman» beispielsweise hält laut ICAN Verträge im Wert von mindestens 24 Milliarden US-Dollar (ohne die Einnahmen aus Konsortien und Joint Ventures Verträgen). Der Aktienkurs dieses weltweit grössten Atomwaffenproduzenten erhöhte sich von 6.52 USD am 31. Juli 1990 auf 385.33 am 28. Dezember 2021 – und damit stiegen sicher auch die Dividenden. «Raytheon Technologies» und «Lockheed Martin» haben gemäss dem Bericht ebenfalls Multi Milliarden Dollar-Verträge zur Herstellung neuer Atomwaffensysteme erhalten.
Institutionen der Schweiz und Deutschlands, die in Firmen investieren, welche Atomwaffen herstellen:
Investor | Investment in Millionen US Dollar |
Companie Financière Tradition | 23 |
Credit Suisse | 2’059 |
EFG International | 113 |
Pictet | 61 |
Quaero Capita | 1 |
Schweiz. Nationalbank | 64 |
UBS | 2’562 |
Total Investitionen der Schweiz in Atomwaffenproduzenten | 4’883 |
_____________________ | |
Allianz | 133 |
Bayern LB | 552 |
Commerzbank | 5’037 |
Deka Group | 496 |
Deutsche Bank | 14’030 |
DZ Bank | 254 |
KfW | 254 |
Landesbank Baden-Württemberg | 76 |
Landesbank Hessen-Thürigen | 76 |
Total Investitionen Deutschlands in Atomwaffenproduzenten | 20’908 |
Diese Profiteure könnten ihr Verhalten ändern, hofft nicht nur ICAN. Mithelfen könnte dabei die wachsende Stärke der Länder, die ein Atomwaffenverbot unterstützen.
Laut ICAN investierten verschiedene Institutionen 2021 bereits nicht mehr in Unternehmen, die nukleare Waffen produzieren. Mehrere dieser Institutionen stammen aus Staaten, die dem Kernwaffenverbotsvertrag beigetreten sind, darunter die Bank of Ireland und AIB (Irland) sowie Investec (Südafrika). Ihr Investment in die Atomwaffenindustrie aufgegeben haben aber auch Finanzinstitute mit Sitz in nuklear bewaffneten Staaten oder die mit solchen Ländern verbündet sind, wie Longview Asset Management (USA), das 5,7 Milliarden US-Dollar von General Dynamics veräussert hat, oder Nomura (Japan), das 273 Millionen US-Dollar von Larsen&Toubro verkauft hat.
Waren es 2020 noch 390 Institutionen, die in Atomwaffenhersteller investierten, sank diese Zahl auf 338 im Jahr 2021. Auch die zunehmende Stigmatisierung von Unternehmen und Investoren der Atomwaffenindustrie könnte dazu führen, dass sie Alternativen in Betracht ziehen.
Ein Ländervergleich der Investitionen in Firmen, die Atomwaffen herstellen:
Land | Investitionen in Millionen US-Dollar pro Land | Einwohnerzahl des Landes in Millionen | Investitionen pro Einwohnerin oder Einwohner in US-Dollar |
Luxemburg | 3’318 | 0,65 | 5’104,6 |
USA | 465’321 | 335 | 1’389 |
Norwegen | 4’926 | 5,5 | 895,6 |
Frankreich | 44’399 | 65,8 | 674,8 |
Schweiz | 4’883 | 8,8 | 554,8 |
Kanada | 21’356 | 38,6 | 553,3 |
Spanien | 16’191 | 46,6 | 374,4 |
Japan | 38’402 | 126,4 | 303,8 |
Australien | 6’654 | 26,1 | 254,9 |
Deutschland | 20’908 | 83,8 | 249,5 |
Grossbritannien | 30’966 | 68,6 | 148,1 |
Italien | 8’107 | 60,6 | 133,8 |
Der Bundesrat ist seit 2018 aufgefordert, zu handeln
Sowohl der National- wie der Ständerat der Schweiz haben den Bundesrat bereits 2018 aufgefordert, den Vertrag über das Verbot von Kernwaffen zu ratifizieren. Auch mehrere Schweizer Städte, darunter Bern, Genf und Zürich, appellierten an die Schweizer Regierung, den Vertrag über das Verbot von Kernwaffen zu unterzeichnen und zu ratifizieren.
Im März 2021 liess der Chef des Aussenministeriums, Bundesrat Ignazio Cassis, jedoch verlauten, es müssten zuerst die von einigen anderen Staaten geäusserten Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Vertrags auf den Nichtverbreitungsvertrag von 1968 «aufgegeben» werden. Das kann dauern…
Hinter der Weigerung Berns, den Vertrag nicht zu unterzeichnen, stehen auch finanzielle Interessen, die von Bern «berücksichtigt» werden müssen. Laut ICAN betrugen die Investitionen der Schweiz in Atomwaffenproduzenten im November 2021 sage und schreibe 4’883 Millionen US-Dollar – obwohl es seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) vom 1. Januar 2013 ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen gibt. Darunter fallen auch Atomwaffen.
Antipersonenminen und Streumunition
110 Staaten haben Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet. Nicht zu den Unterstützern der Konvention zählen unter anderem die Vereinigten Staaten, Russland, die Volksrepublik China, Israel, Indien, Pakistan und Brasilien. Sie alle gehören zu den weltweit wichtigsten Herstellern beziehungsweise Anwendern von Streumunition. In vielen Kriegen wurden in den letzten Jahrzehnten Streubomben (auch «Clustermunition» genannt) eingesetzt, mit verheerenden Folgen.
Auch der Kampf gegen Antipersonenminen und Streubomben ist nicht vorbei. 164 Staaten haben zwar die «Ottawa Konvention», das Verbot von Antipersonenminen, ratifiziert. 32 Staaten haben jedoch nicht unterzeichnet. Nicht zu den Unterstützern der Konvention zählen unter anderem die Vereinigten Staaten, Russland und die Volksrepublik China.
Das Mahnmal «Broken Chair» (links im Bild) auf dem Place des Nations in Genf vor dem UNO Sitz soll den Kampf gegen Antipersonenminen versinnbildlichen. Der Stuhl steht nur auf drei Beinen. Das symbolisiert, dass Menschen von Personenminen oft nicht getötet werden, sondern meist «nur» ein Bein oder ein Fuss verlieren, wenn sie auf eine Mine treten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Heinrich Frei ist Mitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Kurz gesagt: Eine absolute Schande für die Schweiz!
Wann haben die Parteien (inkl. SP) endlich den Mut, echt Farbe zu bekennen, und dem Bundesrat, insbesondere dem US-hörigen Aussenminister endlich Beine zu machen, damit er diesen von der grossen Mehrheit des Volkes schon längst gewünschten Parlamentsbeschluss unverzüglich ausführe?
Der Bundesrat sollte ja die Exekutive, d.h. die Behörde sein, welche die Entscheidungen des Parlamentes in einer verantwortbaren Frist effektiv auch a u s f ü h r t. Oder waren das von verschiedenen Parlamentarier*innen – im Blick auf die nächsten Wahlen – lediglich wohltönende Lippenbekenntnisse, da sie mit der traurigen, aber sehr bekannte bundesrätlichen Bremspolitik bestens vertraut sind? Es stellt sich wirklich die bange Frage, ob sie in Tat und Wahrheit die Verzögerungspolitik des Bundesrates – im Geheimen – sogar noch gutheissen?
Natürlich finde ich Atomwaffen eine Katastrophe. Und ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass die Schweiz dieses Abkommen nicht unterzeichnet. Aber mehr als «Symbolpolitik» ist dieser Vertrag nicht, wenn er von ALLEN Ländern, die über Atomwaffen verfügen, NICHT unterzeichnet wird! Das muss man sich vor Augen halten, bevor man sich im Stil von «eine Schande für die Schweiz» äussert. Von grösserer praktischer Auswirkung sind Abrüstungsverträge zwischen Staaten, die Atomwaffen besitzen. Zudem darf man nie vergessen, dass untrennbar mit der Atomwaffenproduktion verbunden die sog. «friedliche Nutzung der Atomenergie», d.h. die Atomkraftwerkstechnologie, ist. Die Schnittstelle ist die Anreicherungs- und die Wiederaufarbeitungstechnik. Also: Ist es nicht auch «eine Schande für die Schweiz», dass wir den ältesten AKW-Park der Welt haben, ohne uns dafür zu schämen?!
Ich kann nur schwer verstehen, aus welcher Überlegung heraus ein «Friedenspolitiker» Atomwaffen verbieten möchte.
Zur Zeit ist atomare Bewaffnung die einzige Hemmschwelle für konventionell bewaffnete Supermilitaristen wie beispielsweise USA und NATO, die Welt militärisch zu kujonieren. Ohne Atomwaffen wäre Russland schon längst (wie die Bundesrepublik Jugoslawien) in mehrere Teile zerschlagen worden.
Meines Erachtens kann und sollte deshalb nur eine schrittweise Reduktion atomarer Waffensysteme in Betracht kommen, bei der aber ein Zweitschlag immer noch glaubwürdig sein muss.
Ein bischen mehr Real-Politik täte da not.
«Kratzt es die Eiche, wenn die Sau sich an ihr reibt»?
Wohl nicht. Dieser Vertrag ist einigermassen nutzlos, diejenigen Länder, welche die A-Bombe haben, kratzt das kaum.
Ich selbst lebe seit über 60 Jahren unter der Drohung der Atombombe, und solange ich darauf vertrauen kann, dass über deren Einsatz nur zurechnungsfähige Leute entscheiden, habe ich da keine Sorge.
Wir sollten dabei nicht vergessen, dass die einzige Macht, welche bisher Atombomben eingesetzt hat, die Amerikaner waren, und wir sollten dabei auch im Auge behalten, dass z.B. im Koreakrieg der führende General 32 (!) koreanische Städte mit Atombomben belegen wollte.
Die Gefahr kommt von Westen.
Der Vertrag ist aber auch darum ein Unding, weil noch nie etwas, das auf dieser Welt erfunden wurde, wieder von dieser Welt entfernt werden konnte – die Atombombe wird auf dieser Welt bleiben wie viele andere Dinge:
Napalm zum Beispiel, welches zwar geächtet, aber dennoch in den Lagern ist.
Biowaffen, deren Resultat noch viel furchtbarer ist als jede Atombombe, erfunden von unseren ach so hehren Wissenschaftlern.
Nein, ich sehe als einzige Lösung, dass die Waffenbesitzer sich ihrer Verantwortung bewusst sind, dass alle möglichen Sicherungsmechanismen technischer und politischer Art eingebaut sind.