Wie die CO2-Vorlage Klimaschutz und Umverteilung fördert
Am 13. Juni entscheidet das Schweizer Volk über die Revision des CO2-Gesetzes. Lehnt es diese Vorlage ab, steht die Schweizer Klimapolitik jahrelang still. Stimmt das Volk zu, macht die Schweiz bis 2030 einen kleinen Schritt auf dem Weg zu ihrem grossen Ziel, die Treibhausgase bis 2050 auf netto-null zu senken.
Das Resultat hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Stimmberechtigten glauben, das revidierte Gesetz nütze oder schade, sei es der Nation, der nächsten Generation oder ihnen persönlich. Im Abstimmungskampf stehen die persönlichen Vor- und Nachteile und damit insbesondere die Kosten im Vordergrund. Das zwingt auch Infosperber, in der aktuellen Kostendebatte mitzurechnen.
Hundert oder tausend Franken pro Jahr?
Die Randdaten haben Befürworterinnen und Gegner bereits gesetzt: «Hundert Franken zusätzliche Kosten pro Jahr für eine vierköpfige Durchschnittsfamilie» prophezeit Umweltministerin Simonetta Sommaruga im Namen des Bundesrates, der die Vorlage befürwortet. «Bis zu tausend Franken Mehrkosten pro Jahr für eine normalverdienende vierköpfige Familie» prophezeit das Komitee «CO2-Gesetz Nein», das die Gesetzesrevision ablehnt. «Durchschnitt-» und «Normal-Familie» lägen demnach um den Faktor zehn auseinander.
Für die riesige Spanne, in der sich die Zahlenakrobaten tummeln, gibt es zwei Gründe:
1. Der CO2-Ausstoss pro Person oder pro Familie unterscheidet sich sehr stark. Das illustrieren zwei Extremfälle: Wer seine Wohnung ohne Öl oder Gas heizt, kein Auto oder Töff mit Verbrennungsmotor fährt und nie fliegt, zahlt null CO2-Abgabe und keinen Klimarappen, profitiert aber von der pro Kopf bemessenen Rückverteilung des Abgabeertrags. Wer hingegen in einer ölbeheizten, schlecht gedämmten Villa haust, mit einem schweren übermotorisierten Benzinauto herumfährt und wahllos in der Welt herumjettet, zahlt unter dem Strich mehr als tausend Franken pro Kopf und Jahr – und bekommt damit den vom Gesetz beabsichtigten finanziellen Anreiz, seinen CO2-Ausstoss zu verringern.
2. Die Umsetzung des revidierten CO2-Gesetzes enthält eine Reihe von Unbekannten. Unbekannt ist, wie die Regierung ihren Spielraum bei der Bemessung von CO2- und Flugticket-Abgaben sowie Klimarappen auf Benzin und Diesel ausschöpfen wird. Ebenfalls offen ist, wie sich der Bedarf an fossilen Brenn- und Treibstoffen, die unterschiedlichen Abgaben unterliegen, in den nächsten Jahren entwickeln wird. Je nach Annahmen zu diesen Unbekannten entstehen etwas höhere oder tiefere Kosten.
Rappenspalten im Promille-Bereich der Lebenskosten
Aus obigen Gründen lässt sich nicht präzis voraussagen, wie stark Teile der Bevölkerung vom revidierten CO2-Gesetz profitieren oder wie viel sie unter dem Strich draufzahlen werden. Sicher ist nur: Die zusätzlichen Kosten und Erträge werden sich für 99 Prozent der Bevölkerung im Promillebereich ihrer gesamten Lebenskosten bewegen. Das lässt sich unter anderem aus einer neuen Studie der Ökonomen Ruedi Meier und Walter Ott abschätzen.
Die beiden Autoren ermittelten für sechs verbreitete Haushalttypen, wie gross die zusätzlichen Kosten und Erträge ausfallen werden, welche die im Gesetz revidierten CO2-Abgaben sowie die neue Flugticket-Abgabe bewirken. Die Resultate für einen Vier-Personen-Haushalt im Jahr 2030 schwanken hier im Extremfall zwischen annähernd 3000 Franken Netto-Kosten und 400 Franken Netto-Ertrag. Wer’s genau wissen will, kann die Studie mit Anklicken dieses Links gratis herunterladen.
Nachfolgend zeigen wir, wie sich die Abgaben im CO2-Gesetz insgesamt auf das Budget der Schweizer Bevölkerung auswirken, und welche Umverteilung daraus resultieren kann:
Die Abgaben und ihre Verwendung
Die Summe aller Abgaben gemäss revidiertem CO2-Gesetz, die Konsumentinnen und Konsumenten insgesamt für ihre Emissionen zahlen müssen, ist höher als die Summe der Rückverteilung. Das liegt daran, dass nur etwa die Hälfte des gesamten Ertrages aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffen plus der Flugticket-Abgabe plus der Treibstoff-Abgabe (Klimarappen) an die Bevölkerung zurückverteilt wird.
Die andere Hälfte des Abgabe-Ertrags wird verwendet, um Investitionen und Forschung zu subventionieren, die dazu dienen, den Ausstoss von CO2 im In- und Ausland zu vermindern. Dazu gehören insbesondere die energietechnische Sanierung von Häusern im Inland, die Unterstützung von CO2-mindernden Projekten im Ausland (Ablasshandel) und die Erforschung von alternativen Treibstoffen insbesondere im Luftverkehr. Die Befürworter der Abgaben und damit der Gesetzes-Revision loben, mit diesem Mix aus Lenkung mit Rückverteilung und Förderung brächten die Abgaben eine «doppelte Rendite». Die Gegner bekämpfen Energie-, Umwelt- und Klima-Abgaben prinzipiell.
Die Grössenordnungen brutto und netto
Die gesamte Belastung aus der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen, der Flugticket-Abgabe sowie dem Klimarappen auf Benzin und Diesel summiert sich im Jahr 2030 schätzungsweise auf drei Milliarden Franken, falls der Bundesrat die gesetzlich möglichen Ansätze der Abgaben voll ausschöpft. Von dieser Summe muss man die Belastung durch die bereits bestehende Brennstoff-Abgabe und den Klimarappen abziehen, ebenso die Belastung, die auf die Unternehmen entfällt. Damit bringt die Gesetzes-Revision für die Schweizer Bevölkerung eine zusätzliche Abgabe-Belastung von maximal zwei Milliarden Franken. Das ergibt im Schnitt eine Zusatz-Belastung von brutto rund 200 Franken pro Person oder von rund 500 Franken für einen Durchschnitts-Haushalt mit 2,5 Personen.
Nach Abzug der Rückverteilung bleibt pro Person und Jahr netto eine zusätzliche Belastung von maximal hundert Franken übrig. Das ist ein Durchschnittswert – der Medianwert ist tiefer. Das heisst: Die zusätzliche Abgabe-Last dürfte für die grosse Mehrheit der Bevölkerung deutlich unter dem Durchschnittswert liegen, für eine kleine Minderheit deutlich darüber. Die hundert Franken pro Person entsprechen einem Anteil von rund 0,3 Prozent respektive drei Promille an den gesamten Haushaltausgaben.
Abgaben bewirken erwünschte Lenkung
Bei den obigen Zahlen handelt es sich wie erwähnt um Grössenordnungen, basierend auf möglichst realistischen Annahmen. Die wahren Resultate können etwas höher oder tiefer ausfallen, denn die Berechnungen enthalten einige Unbekannte. So kann niemand genau voraussagen, wie viel fossilen Brennstoff wir 2030 noch verheizen oder wieviel wir dannzumal fliegen werden.
Doch auch wenn die errechnete Abgabelast etwas höher ausfiele als oben geschätzt, bliebe die finanzielle Auswirkung des CO2-Gesetzes im Durchschnitt marginal. Im Durchschnitt, aber nicht in jedem Fall: Besitzer von ölbeheizten und schlecht gedämmten Häusern und ihre Mieterinnen sowie Vielflieger werden überdurchschnittlich belastet. Gerade das ist der Zweck des CO2-Gesetzes. Denn die Abgaben sollen finanziell dazu anreizen, den CO2-Ausstoss zu senken, sei es durch Investitionen in CO2-ärmere Energietechniken oder durch eine Lebensweise, die weniger Emissionen verursacht.
Kleine Umverteilung – tendenziell von oben nach unten
Weil Leute mit hohem Einkommen tendenziell mehr fliegen und mehr Energie verheizen oder verfahren als Leute mit tiefem Einkommen, führt das CO2-Gesetz indirekt zu einer geringen Umverteilung von oben nach unten. Generell kommen Reiche durch die Revision des CO2-Gesetzes etwas stärker zur Kasse, während bei Armen die Rückerstattung des Abgabe-Ertrags stärker ins Gewicht fällt. Doch jeder Einzelfall, so zeigt die Studie von Meier und Ott, führt zu anderen Resultaten. Abweichungen von der Tendenz (Umverteilung nach unten) sind allerdings nicht ausgeschlossen. So ist es möglich, dass Mieterinnen in fossil beheizten und schlecht gedämmten Altwohnungen unter dem Strich mehr zahlen müssen als reiche Leute, die eine Minergie-Villa mit Elektro-Wärmepumpe beheizen, ein übergewichtiges Elektroauto besitzen und aus Flugangst mit dem Schiff in die USA reisen. Solche Ausnahmefälle gilt es auszugleichen. Doch ein Nein zur CO2-Abgabe wäre kein geeignetes Mittel dafür. Denn soziale Härten gilt es mit Sozialpolitik zu dämpfen, nicht mit dem Verzicht auf klimapolitische Massnahmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Oh, 400 Franken Netto-Ertrag für eine vierköpfige Familie. Das ist gerade eine umwerfende Umverteilung von oben nach ganz unten! Die ganze Übung ist ein zusätzlicher Zwang als Alibi, um den Buchaltungs-, Verwaltung- und Juristen-Klüngel zu beschäftigen. Wieder einmal dasselbe Muster: Brosamen und Spiele für das arme Volch. Die sinnlose Übung gehört abgebrochen. Wir haben bereits eine Rückverteilung der Lenkungsabgaben auf CO2 von 7.25 via Krankenkassen. Über diese wird nicht mehr gesprochen und die Höhe der diesbezüglichen Bearbeitungskosten bleibt ein Staatsgeheimnis.
Das Leben besteht nicht nur aus Autofahren und Heizen. Die Mieten werden steigen (notwendige Investitionen wollen auch verzinst sein), die Transportkosten und damit die Preise für alle Konsumgüter werden steigen. Die Kosten des ÖV und die KK-Prämien sowieso. Aber lassen wir den Leuten doch die Illusion der «Umverteilung von oben nach unten».
Diejenigen, die «oben» sind, können sich das, was man ihnen weggenommen hat, mit einem Finger-Schnippsen wieder zurückholen. Und bei wem wohl werden sie zugreifen? Dreimal darf man raten:
A) bei denen «unten»;
B) bei denen «unten»;
C) bei denen «unten».
Man redet immer nur von Haushalten, Wohnungen und Häusern! Wie sieht es mit klein- Gewerbler aus die kaum eine Möglichkeit haben den CO2 Ausstoss zu verringern? Diese werden mit mehreren 10000 Fr. belastet was unter dem Strich alles noch einmal teurer macht! Zudem wird das Gewerbe, dass im Exportgeschäft ist auch massiv belastet und im Wettbewerb mit dem Ausland benachteiligt, auch wenn sich einige Betriebe von der CO2 Steurer freikaufen können! Wie sieht es mit LKW`s aus? Diese können nicht mit Strom fahren und werden auch mit der Annahme mit Diesel fahren! Dadurch werden unsere Güter noch einmal teurer! Jemand der es zahlen kann (der mit der Villa) wird auch in Zukunft mehr CO2 ausstossen und der kleine der es nicht kann wird bestraft! Man bezahlt für das ausgestossene CO2 etwas mehr dadurch haben wir dann ein besseres Gewissen! Das ist moderner Ablasshandel! Man Bezahlt dafür damit man die Welt trotzdem schädigen kann! Mit mir nicht, das ist verlogen! Zudem wird der Import von Gütern in keiner Weise geregelt! Wir können weiterhin Plastikmüll aus Asien importieren und zahlen nichts an das Ausgestossene CO2 in Asien! Liebes Parlament bitte noch einmal und dieses mal vernünftig! Darum NEIN am 13. Juni!
Das ist ein sehr guter Artikel. Bravo!
Im Titel hat sich aber ein kleiner Fehler eingeschlichen: Nicht der CO2 wird nämlich reduziert, sondern der CO2-Ausstoss, wie im ganzen Artikel richtig geschrieben.
Was viele Journalisten nicht wissen: Die Reduktion von CO2 bedeutet, dass die chemische Verbindung zwischen C (Kohlenstoff) und O (Sauerstoff) Atomen gebrochen wird. Reduktion ist nämlich das Gegenteil von Oxydation.
Seit Jahrzehnten mache ich immer wieder darauf aufmerksam. Als ich beim Bundesamt für Energie Angestellter war, konnte ich im letzten Moment verhindern, dass die mit diesem Fehler versehene französische Version der offiziellen Broschüre der Volksabstimmung über eine Gesetzesvorlage eingestampft und neu gedruckt werden musste.
«Weil Leute mit hohem Einkommen tendenziell mehr fliegen und mehr Energie verheizen oder verfahren als Leute mit tiefem Einkommen, führt das CO2-Gesetz indirekt zu einer geringen Umverteilung von oben nach unten.» – Mit dieser Umverteilung können die Reichen gut leben, sie haben in Bezug auf den Lebensstil keine Komforteinbusse. Diese Klasse kann auch weitgehend selbst bestimmen wie sie heizen, isolieren und autofahren. Mit geeigneten Aktienportfolios können sie wie beim Coronaboom auch am Klimaboom schön mitverdienen. – Im Gegensatz zu den Kleinen können die Reichen fast jeden Zeitgeist in Bares verwandeln. Man kann von ihnen viel lernen.
„… Besitzer von ölbeheizten und schlecht gedämmten Häusern und ihre Mieterinnen sowie…“
Betrifft das nicht den typischen Schweizer Mieter?
Der Eigentümer saniert die Heizung, erhöht den Mietzins etwas mehr als die Heizeinsparung und bleibt Gewinner in diesem Umverteilungsspiel mit kryptischem Ausgang.
Das ist mir 0,1% unseres globalen Energieverbrauchs nicht wert. Und wer technische Innovation an Planwirtschaft knüpft, ist zu spät zur Welt gekommen.
Leider wird auch hier wieder an den entscheidenden Fragen vorbeidiskutiert:
–Wer will (und kann hoffentlich nicht) hier wen lenken und in das «richtige» Verhalten zwingen?
–Welche Kreise profitieren von Staatsmassnahmen?
–Wo bleibt der so betrogene Souverän und die Demokratie?
–Was ist, wenn das Klima macht was es will, wie es das schon immer getan hat auch ohne Menschen?
Schade, dass immer nur diskutiert wird, wer wie viel im Portmonnaie hat.
Diejenigen, die sagen, wir würden nur 0.1 % des Klimas verschmutzen, sagen sonst immer wieder, wir müssten aus der Schweiz Innovation liefern. Und wenn die Hälfte der CO2-Abgabe für Innovationen abgezweigt wird, ist es auch wieder nicht recht.
CO2-Nein heisst Geld an Staaten, die Journalisten zersägen (Saudi-Arabien) oder Oppositionelle vergiften (Putin), CO2-Ja heisst, das eigene Gewerbe und hoffnungsvolle Start-Ups unterstützen.
Gegen die Verzerrung mit dem Ausland sollte es Zölle, sogenannte border adjustments geben. Die seien offenbar sogar WTO-konform.
Guggenbühl hat einen sehr guten Artikel geschrieben. Hoffentlich wird das CO2 Gesetz angenommen. Trotz den Bekenntnissen der Politiker und der Klimajugend ist in Zürich der Bau Hochhäusern in Zürich Mode, mit dem Segen der Behörden. Gerade heute Morgen sah ich an der Hagenholzstrasse in Oerlikon, dass wieder ein riesiges Wohnhochhaus ausgesteckt wurde. Auch in Regensdorf sind zwei riesige Wohntürme beim Bahnhof geplant. Die beiden Hochhäuser beim neuen Hardturm-Fussballstadion, die Wolkenkratzer beim Depot Hard am Escher Wyssplatz, die Hochhäuser im Letzi Areal in Seebach, die Türme an der Heinrichstrasse und in Altstetten in Zürich, werden wie es aussieht, definitiv gebaut. Solche Bauten sind ökologisch schlecht für Alt und Jung.
Hochhäuser sind im Bau, Betrieb und im Unterhalt wesentlich umweltbelastender als eine Flachbauweise. Über 25 Meter Höhe benötigen Bauten wesentlich mehr Bauenergie als darunter. Statik, Fundationen, Erdbebensicherheit, Brandschutz etc. werden sehr aufwendig, Erschliessungssysteme immer umfangreicher, der Anteil an nutzbaren Geschossflächen immer kleiner.
Kleine Kinder in solchen Hochhäusern können die Wohnung allein nicht verlassen. Durch den Bewegungsmangel in solchen Logis können sie die motorischen Fähigkeiten nicht entwickeln, das Gleichgewicht, die Beweglichkeit und die Handhabung von Gegenständen. Kinder und auch Pensionierte, die in Quartieren mit niedrigeren Bauten leben, mit Grünflächen, können ihre Freizeit eher draussen verbringen.