Wie Medien mehr Geld erhalten sollen
Seit Jahren fordern die Zeitungsverlage Geld von den US-Technologiekonzernen. Die EU hat bereits Gesetze zugunsten der Hersteller von aktuellen Informationen erlassen. Nun will ihr die Schweiz folgen. Der Bundesrat hat am 24. Mai einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung geschickt. Was das heisst, erläutert der folgende Text.
Legitime Entschädigung für kleine Artikel-Hinweise?
Das neue Gesetz soll das Urheberrecht ergänzen und trägt den Titel «Leistungsschutzrecht für journalistische Veröffentlichungen». Bis anhin ist es so, dass Unternehmen und Institutionen für das Kopieren von Medienerzeugnissen – Artikel oder Radio- und Fernsehsendungen – eine Gebühr zahlen müssen. Dieses Recht der Urheber ist weitgehend unbestritten. Künftig würden aber auch kleine Hinweise auf Online-Beiträge, sogenannte Snippets, vergütet. Zahlen sollen die Gewinner der digitalen Revolution, also die Suchmaschinenbetreiber und die sozialen Netzwerke. Warum? Weil diese mit dem Anzeigen und Zusammenstellen von Artikel-Anrissen ein grosses Publikum anziehen und durch das Platzieren von Werbebotschaften im Umfeld der Auflistungen Geld verdienen können.
Die Technologie-Konzerne profitieren dadurch, so sehen es die fürs Leistungsschutzrecht kämpfenden Zeitungsverlage, von den Leistungen der Redaktionen. Diese schaffen die Basis für Snippets, vermögen aber nur dann allenfalls etwas zu erwirtschaften, wenn die Nutzer die Snippets anklicken und so auf die Plattformen der jeweiligen Medien gelangen. Die Verleger argumentieren, dass zahlreiche Nutzer sich mit dem Konsum der von den Netzwerken automatisch zusammengestellten Artikel-Anrisse zufriedengeben, weshalb den Redaktionen potenzielle Einnahmen entgehen. Das sei unfair, da die Netzwerke mit ihren Hinweisen auf Informationen wesentlich von den Leistungen der Redaktionen profitieren würden. Darum hätten die Verlage ein Anrecht auf einen Teil der Einnahmen der Netzwerke.
Mehr Reichweite dank Google
Google, das im Fokus dieser Forderungen steht, teilt diese Ansicht nicht. Schliesslich verschafft die Suchmaschine den Redaktionen Reichweite. Zudem ist die Teilnahme der Redaktionen am Google-Suchdienst freiwillig; sie können sich bei Google ausklinken. Aber das wollen sie nicht, weil sie dann erheblich an Reichweite verlieren. Das zeigte sich im Jahr 2014 drastisch, als in Deutschland einige Suchmaschinen die Webseiten von «Bild» und anderen Zeitungen nicht mehr auflisteten, nachdem deren Verlage eine Klage gegen Google und Co. eingereicht hatten. Die Reichweite der betroffenen Medien brach ein. Wohl auch als Reaktion auf die Ansprüche der Verlage schaltet der US-Konzern praktisch keine Werbung im Umfeld der Suchergebnisse.
Die Medienbranche fordert ein Leistungsschutzrecht schon seit mehr als einem Jahrzehnt – bisher mit geringem Erfolg. Zahlreiche Staaten teilen zwar die Sichtweise der Medienhäuser und haben entsprechende Gesetze entworfen oder erlassen; nicht zuletzt die EU schuf ein Rahmengesetz. Doch das hat den Medien bisher kaum Geld eingebracht. Die marktmächtigen Netzwerke stellten sich quer.
Nach intensivem Lobbying der hiesigen Verlage unternimmt nun auch die Schweiz einen Versuch. Im Vergleich zur EU geht sie dabei geschickter vor. Das heisst, der Bundesrat will Vorgaben schaffen, welche die Durchsetzung eines Leistungsschutzrechts erleichtern sollen. In der EU müssen die Verlage mit Google und Co. Verträge abschliessen, um eine Gebühr für Snippets zu erhalten. Ein Vertragszwang besteht nicht. Kleinere Unternehmen laufen damit Gefahr, unter die Räder zu geraten, weil sie keine Marktmacht haben. Zudem ist nicht geklärt, ab welchem Umfang die Snippets gebührenpflichtig werden – ab zehn Wörtern, ab zwanzig Wörtern?
Die Schweiz zielt auf einen Vergütungsanspruch für alle
Die Schweiz geht anders vor. Sie will einen generellen Vergütungsanspruch durchsetzen. Jedes Medienunternehmen, das seine redaktionellen Erzeugnisse für Snippets aufbereitet, soll demnach eine Vergütung erhalten, und das unabhängig vom Umfang der Snippets. Nur die reine Verlinkung von Medienbeiträgen bliebe von der Beitragspflicht befreit – eine «Linksteuer», wie einige Kritiker befürchten, gäbe es also nicht.
Gleichzeitig darf den Netzwerken die Verwendung von Snippets nicht verboten werden. Was heisst: Das bisherige breite Informationsspektrum auf den Netzwerken würde nicht eingeschränkt, aber diese müssen für Snippets zahlen – es sei denn, die Netzwerke geben die Suchanzeigen und das Aggregieren von aktuellen Informationen vollständig auf. Das ist unwahrscheinlich, denn das Anzeigen von Informationsbeiträgen gehört zweifellos zu einem überzeugenden Gesamtangebot von Suchmaschinen und Netzwerken. Einer Vergütungspflicht würden aber nur grosse, gewinnorientierte Netzwerke unterstehen, die jährlich mindestens zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung erreichen. Zu diesen dürften Google, Facebook, LinkedIn, Tiktok, Twitter, Xing und YouTube zählen.
Den Kritikern, die das Leistungsschutzrecht nur als Vehikel der mächtigen Verlage sehen, nimmt die Schweizer Version Wind aus den Segeln. Es sollen alle profitieren, deren aktuelle Informationen – ob Texte, Grafiken oder Audiovideo – in Form von Snippets weiterverbreitet werden: Die grossen und kleinen Häuser, aber auch die SRG und die einzelnen Journalisten. Alleinige Bedingung: Die Medien müssen die branchenüblichen Regeln der Berufspraxis, wie sie insbesondere der Presserat festgelegt hat, akzeptieren.
Vergütung nach Aufwand
Profitieren würden alle, weil die Verteilung der Gelder nicht gemäss der Reichweite, sondern gemäss dem Aufwand erfolgen soll, den die Redaktionen bei der Herstellung von Informationen betreiben. Massgebend wäre zudem der «Beitrag dieser Veröffentlichungen an die Erfüllung des Informationsbedürfnisses». So steht es in der Botschaft zum Gesetzeswerk. Und weiter: «Eine Regional- und Lokalzeitung beispielsweise leistet in der Regel einen bedeutsamen Beitrag zur Erfüllung des öffentlichen Informationsbedürfnisses.» Relevant sei aber auch, wie gut die Medien ihr Personal – Angestellte und Freie – bezahlen. Die Journalisten sollen etwa die Hälfte der Vergütungen erhalten. Was heisst: Die eingezogenen Gelder will man möglichst breit in der Branche streuen. Das dient sicher auch der Abstützung des Gesetzesvorhabens im Informationssektor. Unsicher ist allerdings, ob es vor allem darum geht, die herkömmlichen Medienanbieter zu schützen, oder ob wirklich auch an einen «fairen» Einbezug der neuen Akteure im Online-Markt gedacht wird.
Die Zuteilung der Gelder würde einer Verwertungsgesellschaft übertragen. Nicht zuletzt erwähnt die Vorlage die Organisation Pro Litteris, die bereits die Urheberrechte von Medien und Journalisten wahrnimmt. Für die Netzwerke hiesse dies, dass sie nur mit einem Vertragspartner zu verhandeln hätten. Gleichzeitig wäre die Macht der Informationshersteller gestärkt. Sie könnten nicht unter Druck gesetzt werden, auf eine Vergütung von Snippets zu verzichten. Der Anspruch darauf ist «unübertragbar und unverzichtbar». So steht es im Papier des Bundesrats.
Und Facebook?
Inwieweit Facebook von der Regelung betroffen wäre, ist offen. Der Bundesrat stellt eine schärfere Variante zur Diskussion. Gemäss dieser müsste Facebook auch jene Medienbeiträge vergüten, welche die einzelnen Nutzer im Netzwerk platzieren. Twitter wäre davon ebenfalls betroffen. Das wäre eine sonderbare Lösung, da diese Plattformen ja keinen Einfluss darauf haben, was ihre Mitglieder aufschalten – es sei denn, sie verbieten diesen die Platzierung von Medienbeiträgen.
Bemerkenswert ist ein weiterer Alternativ-Vorschlag des Bundesrats: Gemäss diesem würde die Höhe der Vergütung von Snippets davon abhängen, welchen «zusätzlichen Ertrag» die Netzwerke erzielen können. Dieser zusätzliche Ertrag entsteht dadurch, dass die Netzwerke durch das Anzeigen von journalistischen Beiträgen ihre Attraktivität steigern können. Im Papier der Landesregierung steht aber nichts dazu, wie dieser Betrag zu berechnen wäre. Jedenfalls wird hier eine Möglichkeit geschaffen, die Netzwerke zur Kasse zu bitten unabhängig davon, ob sie im Umfeld von Snippets Werbebotschaften platzieren.
Grosser politischer Spielraum
Hier öffnet sich ein weites Feld für Willkür und Spekulationen. Das hat der Verband Schweizer Medien bereits genutzt. Er kaufte im Hinblick auf die politische Diskussion eine entsprechende Studie ein. Gemäss dieser würde den hiesigen Medien aus Googles Suchmaschinen-Einnahmen gut 150 Millionen Franken zustehen – ein happiger Betrag allein für die Vergütung von Snippets, die zu einem guten Teil ein Marketinginstrument der Redaktionen sind. Glücklich die Unternehmen, die ihre Marketingkosten an Dritte auslagern können. Zum Vergleich: Die Vergütungen für gedruckte und digitale Kopien von Texten und Bildern betragen in der Schweiz jährlich etwa 20 Millionen Franken – ein Betrag, der die direkte Nutzung ganzer Werke betrifft.
Ein grosser Spielraum tut sich ebenso auf, wenn die Redaktionen für ihren Aufwand zur Herstellung von aktuellen Informationen vergütet werden sollen. Welcher Beitrag wäre angemessen? Und wie soll dieser durch eine Urheberrechtsgesellschaft berechnet werden? Dazu schweigt das Papier des Bundesrats. Entsprechend beginnt der politische Faktor zu wirken: Politisches Mitleid mit dem Schicksal der Verlierer des digitalen Medienwandels – also die herkömmlichen Medienanbieter – erhöht die Versuchung, die Informationsanbieter grosszügig abzufinden. Damit entstünde eine Art Medienförderung, deren Kosten grossenteils an einen US-Konzern ausgelagert wären. Das Vorhaben des Bundesrats mag kreativ sein, aber es ist von Protektionismus geprägt. Die Medien geraten quasi zum digitalen Agrarsektor.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Das wird schwierig für Facebook, Twitter und TikTok. Im Gegensatz zu Google können dort User auch Links mit Zitaten von anderen Medien setzen.
Das können auch Bots sein. Theoretisch können, dann Medien Bots programieren, die deren Inhalte in den soz. Medien teilen und dafür abkassieren.
Mit diesem Problem hatt schon Spotify zu kämpfen. Dort stellten Künstler eigene «Musik» oder Content bereit, der dann auf diversen Accounts in Dauerschleife lief. Spotifys Zahlsystem für die Künstler war nicht wirklich durchdacht. Mittlerweile hat das meines Wissens aufgehört. Es zeigt aber, dass es genug Akteure gibt, die solche Lücken sofort ausnutzen würden.
Musk hat den Bots auf Twitter den Kampf angesagt, der durchschlagende Erfolg steht wohl noch aus.
Ich bin gespannt, wie das Gesetz am, Ende aussehen wird.