Trump-acevedo

Einfach zuhören, was er zu sagen hat: Univision-Moderator Enrique Acevedo beim Interview mit Donald Trump im Ballsaal von dessen Anwesen. © Televisa-Univision

Wichtigstes US-Medium für Latinos änderte Kurs

Pascal Sigg /  Seit einem Besitzerwechsel berichtet Univision deutlich weniger kritisch über Donald Trump – aus geschäftlichen Gründen.

Eine der ersten Wahlanalysen lautet: Die Latinos hatten besonderen Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahlen. Zwar stimmt die Mehrheit noch immer für die Demokraten. Doch Donald Trump hat seinen Stimmanteil in den letzten Jahren laufend vergrössert. So zum Beispiel an der Grenze zu Mexiko.

Wie Latinos und Latinas wählen, ist mittlerweile wichtig für die US-Präsidentschaftswahl, denn diese Gruppe wächst landesweit. Über 36 Millionen Wählerinnen und Wähler mit hispanischem Hintergrund konnten dieses Jahr abstimmen – vier Millionen mehr als noch vor vier Jahren. Und glaubt man Nachwahlbefragungen, haben seit 2016 bei jeder Wahl mehr Latinos und Latinas für Donald Trump gestimmt – trotz seiner fremdenfeindlichen Äusserungen und seiner menschenfeindlichen Politik.

Während seiner ersten Präsidentschaft etwa entführte sein Grenzschutzregime zur Abschreckung sogar Säuglinge und traumatisierte unzählige Familien mit Wurzeln in Süd- und Zentralamerika. Die Praxis wurde auch unter Joe Biden nicht eingestellt.

Trump erhielt das Mikrofon

Besonders wichtig für die Meinungsbildung der Latinos und Latinas ist Univision. Der TV-Sender ist das grösste spanischsprachige Medium der USA. Seit der Fusion mit dem mexikanischen Medienkonzern Televisa im Januar 2022 jedoch berichtet Univision deutlich weniger kritisch über Donald Trump.

Als Beispiel für diesen Wechsel dient ein Interview mit Donald Trump von letztem November. Das Interview führte nicht etwa ein erfahrener Journalist des US-Teams von Univision, sondern Enrique Acevedo, der gewöhnlicherweise beim mexikanischen Univision arbeitet.

Zudem wurde bekannt, dass das Gespräch in Trumps Mar-a-Lago-Anwesen in Florida von seinem Schwiegersohn Jared Kushner mit den Co-CEOs von Televisa-Univision ausgehandelt wurde. Beide waren anwesend, als das Interview durchgeführt wurde.

Jorge Ramos, Journalist und Moderator bei Univision, kritisierte die Arbeit seiner Kollegen offen. Er schrieb auf seiner Website:

«Wir können ein Verhalten, das die Demokratie und die hispanische Gemeinschaft bedroht, nicht normalisieren. Oder Trump ein offenes Mikrofon geben, um seine Falschaussagen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Wir müssen alles überprüfen und hinterfragen, was er sagt und tut.»

Ramos machte Univision auch über die USA hinaus bekannt, als Trump ihn während der Wahlkampagne 2015 aus einer Medienkonferenz warf.

Zahme Berichterstattung als Strategie

Der Interviewer Acevedo verteidigte seine zahme Interviewführung später in der «Washington Post». Er habe schlicht konservativen Latinos und Latinas die Möglichkeit geben wollen, Trump direkt zuhören zu können. Und zwar ohne Konfrontation oder Feindseligkeiten.

Dass Univision seine politische Berichterstattung in den letzten Jahren verändert hat, bestritten weder Führungskräfte des Unternehmens, noch Enrique Acevedo. Über seine neuen Chefs sagte der Trump-Interviewer gegenüber der New York Times: «Ich glaube sie verstanden Univisions Reputation als Megaphon der Demokraten».

«Univision hatte drei Jahrzehnte lang ein sehr parteiisches Image. Heute geht das nicht mehr», sagte Mike Madrid, ein republikanischer Berater. «Sie müssen jedem gefallen und je populärer Trump unter Latinos wird, desto stärker müssen sie sich anpassen, um weiterhin ein grosses Publikum zu haben, statt es zu halbieren.» Während das Publikum von Univision langsam schrumpft, gewinnt jenes von Fox News. Der Sender hat sein spanischsprachiges Angebot unlängst ausgebaut.

Vielen Falschmeldungen und Gerüchten ausgesetzt

Inwiefern der Kurswechsel von Univision das Wahlverhalten seiner Zielgruppe veränderte, ist unmöglich zu sagen. Abgesehen von den Positionen der Parteien oder der Tatsache, dass ein grosser Anteil der Latinos und Latinas an oder unter der Armutsgrenze lebt, dürften auch andere mediale Faktoren gewirkt haben. Gemäss Jack Herrera, einem freischaffenden Reporter, dürfte auch wichtig gewesen sein, dass das Trump-Lager diese Gruppe stärker umwarb als Kamala Harris – etwa mit Veranstaltungen.

Oder dass Latinos und Latinas in den USA Falschinformationen auf Social-Media-Plattformen besonders ausgesetzt sind. Diese kämen wie ein Bombardement, sagte die Chefredaktorin einer spanischsprachigen Zeitung im Bundesstaat Iowa in einem lesenswerten Portrait.

Auch aus Mangel an verlässlichen Informationsquellen gerade im Lokalen nutzen viele Latinos und Latinos weniger traditionelle Medienkanäle – und verabschieden sich damit auch von journalistischen Medienmarken wie Univision.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Flickr2

Medien unter Druck

Wer Zeitungen und Fernsehen kontrolliert und besitzt, hat Einfluss und Macht.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.
Portrait Pascal.Sigg.X

Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

Eine Meinung zu

  • am 20.11.2024 um 13:50 Uhr
    Permalink

    Bin leider nicht erstaunt, dass hier, in meinen Augen, ein gewichtiger Grund fehlt, weshalb immer mehr Latinos und auch Schwarze Wähler den Dems den Rücken kehren. Tendenziell ist diese Bevölkerungsschicht religiöser eingestellt, als weisse Grosstädter. Bei denen punktest du überhaupt nicht mit den Doktrinen der Identitäts Politik. Nicht mehr definieren zu können was eine Frau ist und all die Transgender Anliegen vertreiben in Massen diese Wähler. Für Harris haben viele Millionen weniger gestimmt, als 4 Jahre zuvor für Biden. Da wäre es angebracht den Fehler bei der eigenen Politik zu suchen, als ständig die Gefahr von Rechts zu beschwören,ist langsam erschöpft und kontraproduktiv. Man kann es auch nicht mehr auf das Geld abwälzen, Harris hatte mehr zur Verfügung. Es bleibt hauptsächlich die gemachte Politik und Dogmen der Dems,die von vielen nicht mehr goutiert wird. Den Linken, weltweit, würde eine offene und ehrliche Aufarbeitung gut zu Gesicht stehen.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...