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Weisse oder grüne Weihnachten? Für die Berner Zeitung die wichtigste Frage des Tages. © bernerzeitung.ch

«Weisse Weihnachten? Im Bereich des Möglichen»

Marco Diener /  «Die Qualität steht für uns zuoberst», behaupten die Tamedia-Zeitungen. Zweifel daran gibt es täglich.

Wer vor einigen Tagen die Berner Zeitung aus dem Briefkasten nahm, wusste sogleich, was das wichtigste Thema des Tages ist. Am meisten Platz nimmt auf der Titelseite eine Zeichnung mit ein paar Menschen unter einem Tannenbaum ein. Titel: «Weisse Weihnachten? Im Bereich des Möglichen.»

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So kurz vor Weihnachten mögen solche Spekulationen wichtiger sein als die Lage in Syrien oder das Attentat auf den russischen Generalleutnant – zumindest für Journalisten und Meteorologen. Der geneigte Leser, die geneigte Leserin blättert also weiter. Und stösst auf einen gut halbseitigen Artikel unter dem Titel: «Es gibt eine Chance für weisse Weihnachten.»

Weisse Weihnachten BZ 1
Hurra! «Es gibt eine Chance für weisse Weihnachten.»

Wer meint, damit sei die Sache abgehandelt, der täuscht sich. Denn da kommt auch noch die letzte Seite. Und damit abermals ein mehr als halbseitiger Artikel unter dem Titel: «Es drohen erneut grüne Weihnachten.»

Weisse Weihnachten BZ 2
Weisse Weihnachten? Vielleicht auch nicht. Berner Zeitung vom 18. Dezember.

Wir rekapitulieren:

  • Auf Seite 1: «Weisse Weihnachten? Im Bereich des Möglichen.»
  • Auf Seite 4: «Es gibt eine Chance für weisse Weihnachten.»
  • Auf Seite 28: «Es drohen erneut grüne Weihnachten.»

Im «Bund» ist es übrigens genau gleich – ausser dass die Artikel dort auf den Seiten 1, 17 und 22 platziert sind. Ein «Bund»-Leser kommentiert denn auch: «Was gilt jetzt?» Und ein anderer antwortet: «Ich wähle Seite 17.»

«Die Qualität steht für uns zuoberst»

Manch ein Leser erinnert sich noch an den Spätsommer, als der Tamedia-Verlag den Abbau von 290 Vollzeitstellen ankündigte – 200 in den Druckereien, 90 in den Redaktionen. Damals schrieb der Publizistische Leiter Simon Bärtschi: «Die Qualität steht für uns zuoberst.» Und der Verlag setze sich «für einen unabhängigen Qualitätsjournalismus» ein.

Gut, ein Merkmal des «Qualitätsjournalismus’» ist natürlich auch, dass er unterschiedliche Meinungen abbildet. Zum Beispiel diese hier: «Es gibt eine Chance für weisse Weihnachten.» Und diese: «Es drohen erneut grüne Weihnachten.»

Simon Bärtschi im Spätsommer 2024 über Qualitätsjournalismus

«Die Qualität steht für uns zuoberst. Umfassende Recherchen, Porträts und Reportagen, interaktive Karten, Ticker zu relevanten Ereignissen, präzise Einordnungen der politischen Aktualität auf allen Ebenen sowie praktischer Service machen unsere Angebote einzigartig. Diese wollen wir laufend ausbauen. Dabei werden wir unsere journalistische Kraft noch besser zusammenführen und uns in den Redaktionen auch noch mehr Gedanken dazu machen, welche Art von Journalismus Sie von uns eigentlich erwarten. Alle Titel und Redaktionen bleiben dem Journalismus mit hohen Standards verpflichtet. Glaubwürdigkeit, Relevanz, Wahrhaftigkeit und Fairness sind die Pfeiler unserer Publizistik.»

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4 Meinungen

  • am 19.12.2024 um 03:49 Uhr
    Permalink

    Mit immer weniger redaktionellen Mitarbeitern bessere Qualität zu generieren geht nicht. Das spürt jeder, der vor 40 Jahren einen Tagi in die Hand nahm, um ihn auch zu lesen und somit mit heute vergleichen kann. Der Trend geht zu den Gratisblättern. Die liefern zwar auch keine Qualität, aber man fühlt sich informiert. Und man meint es wenigstens zu sein. Daraus ergeben sich dann Meinungen, die sich in den sozialen Medien weiterverbreiten, sich wandeln, so wie früher der Dorftratsch am Waschbrunnen des Dorfes. Und Meinungen verwandeln sich in Wahrheiten, mit denen man sich wiederum trefflich positionieren kann in der Meinung, so sei es.

  • am 19.12.2024 um 13:47 Uhr
    Permalink

    Das «Weihnachtstauwetter» ist ein meteorlogischer Ausdruck.
    In schöner Regelmässigkeit taucht Mitte Dezember die Frage auf, ob es dieses Jahr (ausnahmsweise) weisse Weihnachten geben würde und gleichzeitig beginnt das Weihnachtstauwetter und es wird wärmer 😉
    «The same procedure as last year?» – «The same procedure as every year!»

  • am 24.12.2024 um 11:11 Uhr
    Permalink

    Und seit ca. 14 Tagen bei SRF1 in gefühlt jeder Meteo-Einschaltung:
    Moderator: gibt es weisse Weihnachten?
    Meteo: die Modelle sind nicht klar, reine Spekulation.
    Und niemand hat die wunderbare Schneedecke von heute vorausgesagt.
    Wie geniessen es deshalb doppelt!

  • am 24.12.2024 um 13:32 Uhr
    Permalink

    Weisse Weihnachten wäre schon schön!! Aber das passiert selten im Schweizer Mittelland. Eine Seegfrörni wie 1963 gibt’s schon gar nie mehr. Natürlich ist, was im Nahen Osten, in Russland und der Ukraine und überhaupt auf der Welt läuft, genau so wichtig. Und neben NZZ, Tagi, u.a. gibt’s ja auch noch einige Newsletter, welche nicht nur die ‹handelsüblichen›, gängigen Weltanschauungen verkünden. Nicht die Bösen und die Guten so scharf trennen, wie eben ‹handelsüblich›. Die Guten ins Töpfchen, die Bösen ins Kröpfchen.

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