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Schweizer Zeitungen am Kiosk: immer eintönigeres Menü. © cc-by-nc-sa Maurice Velati

Uni Zürich: Immer eintönigeres Medienmenü

Pascal Sigg /  Medienkonzerne drucken immer mehr Meinungsartikel mehrfach. Nun wird die journalistische Kost auch im Regionalen schmaler.

Sie würden Einheitsbrei verbreiten. So lautet auch in der Schweiz ein immer wieder geäusserter, nicht selten politisch motivierter und zumeist unbelegter Pauschalvorwurf an die Massenmedien.

Nun existieren Zahlen, welche immerhin nahelegen, dass das Medienmenü zusehends eintöniger wird. Die Zahl der mehrfach publizierten Artikel in Schweizer Medien steigt nämlich durchs Band weiter. Dies zeigt eine umfangreiche Datenauswertung zur sogenannten inhaltlichen Medienkonzentration. Die Studienergebnisse wurden jüngst im Jahrbuch Qualität der Medien des Forschungsbereichs Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Uni Zürich präsentiert.

Die beiden Forscher Quirin Ryffel und Daniel Vogler zeigen, dass insbesondere Verbundsysteme von Grosskonzernen wie TX Group oder CH Media Artikel immer häufiger mehrfach publizieren. Die Forscher kategorisierten die Artikel dabei sowohl nach geografischem Bezugsraum als auch nach Themenbereich.

Meinungsbildung immer monotoner

Besonders brisant: Bei den explizit meinungsbildenden Beiträgen – die Forscher nennen sie «aus demokratietheoretischer Sicht besonders sensitiv» – hat sich der Anteil in den letzten sechs Jahren fast vervierfacht. So heisst es im Jahrbuch: «Die Anzahl geteilter Leitartikel, Kommentare, Kolumnen und Rezensionen stieg im Zeitraum von 2017 bis 2023 im Deutschschweizer Pressemarkt von 8,0 Prozent auf 28,2 Prozent.

Besonders hoch sei die inhaltliche Medienkonzentration zudem in der nationalen Politikberichterstattung, die typischerweise auch die Berichterstattung zu eidgenössischen Abstimmungen umfasst. Hier beträgt der Anteil mindestens zweimal publizierter Artikel gar 38,6 Prozent.

Entdeckt haben die Grossverlage offenbar auch die regionale Ebene. Hier verdoppelte sich der Anteil der Mehrfachverwertungen im vergangenen Jahr von sechs auf über zwölf Prozent. Diese Entwicklung ist neu und für die Autoren ebenfalls besorgniserregend. «Sollten die inhaltliche Medienkonzentration und der damit einhergehende Vielfaltsverlust im regionalen Bereich in den nächsten Jahren weiter zunehmen, wäre dies besonders alarmierend.»

Konzerne treiben Entwicklung

Mindestens die TX Group hat im Zuge des jüngsten Stellenabbaus angekündigt, noch verstärkter «Synergien» zwischen den verschiedenen Redaktionen nutzen zu wollen – und zum Beispiel noch mehr Artikel zwischen Redaktionen in der Romandie und der Deutschschweiz zu teilen. Wie die Republik letzten Monat schrieb, sind «24 Heures» und «Tribune de Genève» seit dem Abbau von 28 Stellen Ende 2023 bereits heute nicht mehr in der Lage, ohne übersetzte Artikel eine Komplett­zeitung heraus­zugeben.

Die Studie zeigt denn auch, dass die inhaltliche Medienkonzentration stark mit der Konzentration der Medienanbieter zusammenhängt. Denn Medienkonzerne wie TX Group, CH Media oder ESH Médias weisen eine besonders hohe inhaltliche Medienkonzentration in ihren nationalen und regionalen Medienprodukten auf.

Diese Unternehmen betreiben Verbundsysteme mit Zentralredaktionen, welche beispielsweise für unterschiedliche Zeitungen identische «Mantelteile» produzieren. Dies sind Bündel von Zeitungsartikeln, welche die von einer Lokalredaktion erarbeitete Berichterstattung mit überregional relevanten Themen – zum Beispiel Nationales, Internationales, Kultur, Wissenschaft – «umhüllen». Diese Bündel werden typischerweise von einer zentralen Redaktion für mehrere verschiedene Zeitungen produziert.

«Zentralredaktionen befeuern die inhaltliche Medienkonzentration», sagte denn auch Studienautor Daniel Vogler an der Jahrbuch-Präsentation.


Jahrbuch Qualität der Medien 2024: Aufzeichnung der Medienkonferenz

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.