Slowakische Regierung will öffentlich-rechtliche Medien umpolen
Der neugewählte slowakische Premierminister Roberto Fico will seine Macht konsolidieren, indem er diejenige der Medien beschränkt. Gemäss einem BBC-Bericht akzeptierte das Regierungskabinett einen Vorschlag aus dem Kulturministerium. Er verlangt, dass die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt RTVS aufgelöst wird. Sie soll durch eine neue Anstalt ersetzt werden. Das letzte Wort hat das Parlament, welches demnächst entscheidet. In der Schweiz berichtete bisher einzig die NZZ darüber.
Mit der Umstrukturierung soll auch die Führung von RTVS abgesetzt werden. Das Führungspersonal der neuen Sendeanstalt soll von einem Rat bestimmt werden, dessen Mitglieder Ficos Regierung sowie das Parlament bestimmen.
Gemäss BBC-Bericht sagte die Kulturministerin Martina Šimkovičová, eine Vertreterin der ultranationalistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS), die RTVS-Führung habe sich des politischen Aktivismus’ schuldig gemacht und nicht objektiv genug berichtet. Sie selber hatte vor der Ernennung als Kulturministerin bei einem Online-TV-Sender gearbeitet, der mit pro-russischer Berichterstattung aufgefallen war. Sie selber verbreitete regelmässig Hassnachrichten gegen Mitmenschen mit anderer sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.
Kritische Berichterstattung unerwünscht
Vor wenigen Wochen bezeichnete Premierminister Robert Fico die wichtigsten unabhängigen Medien des Landes als Feinde. Im Anschluss an die Kabinettssitzung über die öffentlich-rechtliche Medienanstalt RTVS sagte er letzte Woche unter anderem: «Die Situation bei RTVS ist nicht nachhaltig … RTVS kann nicht objektiv sein, weil sie permanent in Konflikt ist mit der slowakischen Regierung». Das fundamentale Menschenrecht der slowakischen Bürgerinnen und Bürger auf objektive Information sei deshalb verletzt.
Der Plan der Regierung sei unberechtigt und widerspreche den Standards der Gesetzgebung, sagte Ľuboš Machaj, der gegenwärtige RTVS-Direktor. Auf Anfrage des englischen Mediums Guardian schrieb Machaj, er sei vor allem «besorgt über den enormen Druck und die Interventionen, welche alle Bereiche von Service-public-TV und -Radio betreffen könnten». Er meinte auch, dass eine neue Ethikkommission Kompetenzen erhalten könnte, die über ihre Autorität hinausgingen, und die interne Freiheit von RTVS-Redaktorinnen und -Redaktoren angegriffen würde.
Auch die RTVS-Angestellten protestierten: «Freie und unabhängige Medien sollten allen Bürgerinnen und Bürgern der Slowakischen Republik dienen und nicht bloss den Machtambitionen von politischen Parteien.» Sie betonten: «Wir wollen weiterhin frei arbeiten.»
Bekannte Vorbilder
Das Vorgehen erinnert an dasjenige von Viktor Orbán in Ungarn, der ebenfalls kurz nach seinem deutlichen Wahlsieg den eigenen Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien verstärkte und diese immer stärker unter Kontrolle brachte (Infosperber berichtete).
Als Vorbild dürfte auch Vladimir Putins minutiöse Einschränkung der Medienfreiheit in Russland lange vor dem offenen Angriff auf die Ukraine dienen. Putin führte bereits im Januar 2000, wenige Tage nachdem Boris Jelzin ihm die Präsidentschaft im Austausch für Immunität übergeben hatte, ein Gesetz ein, das die Verteilung von Subventionen an lokale Medienunternehmen unter die Kontrolle des nationalen Presseministeriums brachte. Vorher oblag die Kontrolle darüber regionalen Regierungen. Mit derartigen Massnahmen brachte Putin innert einer Dekade fast alle grossen Medienorganisationen unter Staatskontrolle und verstärkte ab 2012 mit verschiedenen Gesetzen die Zensur.
Medienfreiheit und Rechtsstaat hängen zusammen
Die Slowakei und Ungarn sind allerdings nicht die einzigen europäischen Länder, in welchen die Medienfreiheit unter Druck ist. Die Organisation Civil Liberties Union for Europe (CLUE) veröffentlichte vor wenigen Tagen ihren jährlichen Medienfreiheitsbericht, den sie zusammen mit 37 Menschenrechtsgruppen in 19 Ländern erstellt.
«Die Medienfreiheit ist offensichtlich in stetem Niedergang in der EU – in vielen Ländern aufgrund bewusster Angriffe oder Vernachlässigung der nationalen Regierung», sagte Eva Simon von CLUE gegenüber dem Guardian. Sinkende Medienfreiheit würde Hand in Hand gehen mit einem Rückgang der Prinzipen der Rechtsstaatlichkeit. «Beides hängt eng zusammen. Das ist die Spielanleitung autoritärer Regimes», sagte Simon weiter.
Der slowakische Premierminister Robert Fico befindet sich in seiner vierten Amtszeit als Ministerpräsident. Er trat 2018 zurück, nachdem der Mord am Journalisten Ján Kuciak grosse Bürgerproteste nach sich gezogen hatte. In seinem letzten Artikel hatte Kuciak über enge Verbindungen zwischen der kalabrischen ’Ndrangheta, italienischen Unternehmern in der Ostslowakei und der Smer-Partei in Person von Ficos Assistentin Maria Trošková berichtet. 2022 stand zudem Fico selbst unter Korruptionsverdacht, profitierte aber zuerst als Parlaments- und später als Regierungsmitglied von Immunität.
Vor einem Jahr sagte die Investigativ-Journalistin Pavla Holcova, welche die Recherchen von Kuciak weiterführte und auch an der Panama-Papers-Recherche mitarbeitete, sie befürchte, die Situation in der Slowakei könne schlimmer werden als vor dem Mord an Kuciak. Denn Fico und seine Leute hätten nun verstanden, welchen Einfluss Journalisten haben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Das ist ein interessanter Beitrag. Wenig bekannt ist: Griechenland, nicht Ungarn oder Polen, ist derzeit das Land mit dem schlechtesten Ranking in der EU in Bezug auf Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen).
Damit ist Hellas im Vergleich zum letzten Ranking um nicht weniger als 38 Plätze abgerutscht und belegt in Europa den letzten Platz. Hellas ist weltweit rangmässig mit Platz 108 von 180 in der Nähe von Sambia, Mali und Brasilien angesiedelt. Die vielgescholtenen Ungarn befinden sich auf Platz 85 und die Polen auf Platz 66.
Das ist wenig bekannt, weil die griechische Regierung alles tut, was Brüssel und Washington verlangen, aber dafür eine Carte Blanche in Sachen Rechtsstaatlichkeit in Anspruch nimmt. Würden Orban und Fico das machen, was international verlangt wird, würde wohl dort auch kaum jemand hinschauen.
Auch “freie und unabhängige Medien” müssen nicht unbedingt der Meinungsvielfalt und den Interessen der Bürger dienen, siehe USA, GB, Frankreich und sehr viele mehr. Medien mit finanzstarken Eigentümern und Medienkonzentration sind de facto dasselbe Problem wie einseitige Staatsmedien. Beides müsste strikt unterbunden werden. Der Staat müsste nur sicherstellen, dass es eine tatsächliche und qualitative Informationsvielfalt ohne einseitige Parteien- und Medienkonzentration gibt. Im Öffentlich-rechtlichen müssten alle Parteien ab 1%, ohne Proporz, je eine Stimme, sowie geloste Bürger- und Expertenräte vertreten sein. Ein derartiges Gremium könnte auch jegliche Medienkonzentration oder ausländische Einflussnahme unterbinden. Ich würde auch alle privaten Medien verpflichten, dass sie über bestimmte Themen auch von anderen Medien Herausgebern, Staat wie Privat, berichten müssen. Die Auswahl würde auch hier über einen öffentlichen Rat erfolgen.