Misslungene Extremisten-Show im SRF
Dieser Kommentar ist im Klein Report erschienen.
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In der Sendung «Schawinski» vom 6. Oktober wurde der Chef des Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS) von Roger Schawinski interviewt und durfte sich als missverstandener Redner für den Islam darstellen und ausbreiten. Schawinski wollte Blancho eine Distanzierung von der Terrorgruppe IS entlocken und erklärte ihm: «Ich habe gehofft, dass Sie Ihre Chance nutzen und junge Menschen dazu aufzufordern, nicht zum IS zu gehen.» Blancho liess sich von den Fragen Schawinskis nicht gross beirren, er lächelte milde und unterstellte seinem Gegenüber, Vorurteile gegen Muslime zu schüren.
In einer offenen Gesellschaft dürfen solche Aussagen wie die von Blancho ruhig Platz haben, solange sie sofort kritisch hinterfragt werden. Extremisten wie Blancho könnten in eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeladen werden, so die Meinung von Parlamentariern, die vom Klein Report befragt wurden. Für alle befragten Politiker, ist es aber äusserst wichtig, dass Extremisten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine Plattform zur Selbstinszenierung erhalten. Paradoxerweise hatten die vom Klein Report befragten Politiker allesamt die Sendung nicht gesehen und konnten deshalb nicht beurteilen, ob es Schawinski gelungen ist, Blanchos undemokratisches Verständnis von Menschenrechten zu entlarven.
«Sie sind islamophob»
Wie nur drei Beispiele zeigen, war das leider nicht der Fall: «Sie sind islamophob», beschuldigte Blancho Schawinski, und zu den Jugendlichen, die der Terrormiliz IS beitreten, sagte er: «Als Jugendlicher hat man das Gefühl, dass dort eine Alternative, eine Option ist.» Zu seinem Privatleben sagte der Islamist süffisant grinsend: «Ich bin mir nicht mehr sicher, wie viele Frauen ich habe, es ist ein Harem.»
Im Gegensatz zu Schawinski schaffte es ausgerechnet SVP-Politiker Oskar Freysinger, der selbst schon zweimal im Fernsehen gegen Blancho debattiert hatte, diesen auflaufen zu lassen: «Ein Genuss! Er tappt in jede Falle», freut sich der übertrieben streitlustige Walliser Nationalrat. Die Idee, Extremisten wie Blancho ins Staatsfernsehen einzuladen, hält Freysinger für «ausgezeichnet». «Da kommt ihr wahres Gesicht zum Vorschein. Je mehr die Leute von sich geben, desto unglaubwürdiger werden sie.»
Leider wirkte der Islamist Blancho im «Schawinski»-Talk aber ganz und gar nicht unglaubwürdig, sondern sehr ruhig, gesittet und fast sympathisch: «Ich bin ein offener Mensch, mit dem man reden kann», inszenierte sich der «Bin Laden von Biel», wie er sich zu Beginn der Sendung selber überheblich lobte. Bereits hier intervenierte Schawinski nicht. Blancho, der in eine bodenlange schwarze Kutte und weisse Mütze gekleidete Konvertit, tat jegliche Aufforderungen von Schawinski, sich vom Terror und der IS zu distanzieren, mehrfach mit einem milden und müden Lächeln ab: «Ich bin doch nicht der Vertreter dieser Organisation.»
«Weit weg von den Muslimen der Schweiz»
Wütend über die Präsenz des Hasspredigers und Konvertiten ist vor allem SVP-Mann Lukas Reimann: «Ich halte gar nichts davon, dass Herr Schawinski, einfach um seine mageren Quoten zu steigern, derart radikale Elemente in die Sendung einlädt und ihnen damit eine Plattform für islamistisch-radikale Hasspropaganda liefert.» Gerade dieser pseudo-religiöse Aspekt stösst auch Geri Müller sauer auf. Den Grünen-Politiker stört an Blancho vor allem, dass er so präsentiert wird, als vertrete er «die Muslime»: «Er ist ein Konvertit und weit weg von den Muslimen in der Schweiz. Somit müsste ihm ein Muslim der Mehrheit gegenübersitzen und aufzeigen, dass er eine extrem kleine Gruppe vertritt», so der Nationalrat und Mitglied der aussenpolitischen Kommission.
Darauf kam auch Schawinski selbst. «99 Prozent der Muslime in der Schweiz leben hier völlig friedlich», stellte er in der Sendung noch fest. Der Moderator konfrontierte Blancho aber nicht mit Aussagen oder Videos von Muslimen, die sich über Blanchos Extremismus aufregen. Davon sind alleine im Internet genug zu finden.
Die Sendung auch nicht gesehen hat Cédric Wermuth. Aber auch er findet, es sei legitim, Leute wie Blancho als Gesprächsgast einzuladen, solange ihnen wirklich kritische Fragen gestellt werden und es eine Diskussion gebe und nicht einfach Phrasendrescherei. Die Frage, wie die SRG mit extremen Meinungen umgehen soll, ist für Wermuth nicht so einfach zu beantworten: «Wer definiert schon, was extrem ist? Die Haltung der SVP in Ausländerfragen hätte vor 20 Jahren auch als rechtsextrem gegolten, heute ist das aber gesellschaftlicher Mainstream. Man kommt wohl nicht darum herum, vor allem die Relevanz als Kriterium ins Zentrum zu stellen», sagte er gegenüber dem Klein Report und brachte das Thema wieder einmal auf seinen Lieblingsfeind SVP.
Sein SP-Parteikollege Hans-Jürg Fehr hält es für die Aufgabe eines Service-public-Senders, das Publikum über alle wichtigen gesellschaftliche Themen zu informieren. Die Sendung hat aber auch er nicht gesehen: «Blancho und Konsorten sind zwar eine sehr kleine Minderheit in der Schweiz, aber es gibt sie nun einmal. Im Zusammenhang mit dem radikalen Islamismus und Dschihadismus ist es angezeigt, sich mit solchen Leuten öffentlich auseinanderzusetzen. Aber natürlich nicht mit dem Ziel, ihnen eine Plattform zur Selbstdarstellung zu geben, sondern mit dem Ziel, sie zu entlarven», theoretisierte er.
Blancho lässt Schawinski auflaufen
Entlarvt wurde der Islamist Nicolas Blancho am 6. Oktober sicher nicht. Das Gespräch drehte sich immer wieder im Kreis: Um den IS, zu dem Blancho nichts sagen wollte und deshalb das Gespräch geschickt auf die Islamophobie in der Schweiz umlenkte, gegen die niemand etwas unternehme. «Das haben wir jetzt etwa fünf Mal gehört, also der Westen ist an allem schuld und damit haben Sie alles entschuldigt», fasste Roger Schawinski am Ende des Gesprächs verzweifelt zusammen.
Es stellt sich die Frage für den Klein Report: Warum haben wir das denn fünf Mal gehört und warum hat Schawinski nicht versucht, Blancho mit früheren extremistischen Aussagen zu konfrontieren, und warum hat er ihm nicht konkrete Fragen zu seiner Meinung zur Gewalt an Frauen gestellt?
Der einzige befragte Politiker, der die Sendung gesehen hatte, äusserte sich gegenüber dem Klein Report sehr unzufrieden über den Umgang von Schawinski mit Nicolas Blancho. Die Sendung sei eine Werbeplattform für den Extremisten gewesen, fand er. Der SP-Mann wollte aber lieber nicht zitiert werden. Offenbar war es für den linken Politiker zu heikel, die SRG so klar und konkret zu kritisieren.
Das Schweigen der «Schawinski»-Redaktion
Wenn ein Extremist in eine Sendung des Fernsehens oder eines anderen (Massen)-Mediums eingeladen wird, darf er auf keinen Fall eine Plattform zur Propaganda und Eigeninszenierung erhalten. Im Gegenteil: Er sollte mit klaren, aufklärerischen auch scharfen Fragen konfrontiert werden. So oder ähnlich sahen es die vom Klein Report befragten Schweizer Nationalräte. Die Sendung mit «Schawinski» mit dem Islamisten Nicolas Blancho vom 6. Oktober wurde im Internet und in Teilen der Medien kritisiert. Denn Talker Roger Schawinski konnte dem ausgefuchsten Konvertiten kaum Paroli bieten.
Auf mehrfache Anfrage des Klein Reports wollten Schawinski und die SRF-Redaktion von «Schawinski» keine Stellung nehmen. In einer ersten Phase am 9. Oktober wollte der Klein Report von der Produzentin der Sendung, Erika Burri, und von Roger Schawinski wissen, warum die Sendung so ungünstig verlaufen sei und was die «Schawinski»-Redaktion dazu bewogen hat, den Extremisten überhaupt einzuladen. Bereits eine halbe Stunde später erhielt der Klein Report eine erfreute Antwort von Erika Burri. Sie schrieb: «Ich wollte mich kurz melden und sagen, dass die Fragen angekommen sind. Ich schliesse mich mit Roger Schawinski kurz. Sie hören wieder von mir.»
Einen Tag später am 10. Oktober kam es aber offenbar zu einem Sinneswandel: «Roger Schawinski und ich sind beide in den Ferien. Roger ist grad eher schwer zu erreichen. Danke für Ihr Interesse, gern ein ander Mal», schrieb dieselbe Produzentin, Erika Burri, in einer hastigen Mail, in der sie sowohl den Namen der Klein-Report-Redaktorin als auch den Namen von Roger Schawinski falsch schrieb.
Nochmals am 10. Oktober hakte der Klein Report freundlich mit denselben Fragen nach, erhielt aber keine Antwort mehr. Nach der Umfrage mit den Politikern sandte der Klein Report am 14. Oktober noch einmals geduldig Fragen an die SRF-Redaktion und an Roger Schawinski. Funkstille.
Am Schluss zählt nur die Quote
Ein doch eher ungewöhnliches Vorgehen eines staatlichen Fernsehens bei einem zurzeit sowieso sehr relevanten Thema. Den Klein Report erstaunt die selbstherrliche Art von Roger Schawinski nicht wirklich. Diese ist hier aber einmal mehr völlig fehl am Platz, da es hier nicht um eine Selbstinszenierung von Roger Schawinski geht – ausser möglicherweise aus seiner Sicht. Immerhin gab die Medienstelle Auskunft zu den Zuschauerzahlen: Die doch etwas misslungene Extremisten-Show vom 6. Oktober erreichte mit 118’000 Zuschauern für «Schawinski» einen hohen Wert. Sie ergab einen Marktanteil von 17,3 Prozent. Das ist für «Schawinski» eine eher hohe Zahl. Denn seine Zahlen schwanken stark von 10,7 bis 17,7 Prozent.
Roger Schawinski, der gemäss Recherchen des Klein Reports auch intern bei SRF mittlerweile stark umstritten ist, scheint aber trotz allem sehr stolz auf seine Quoten, wie er am Swiss Radio Day rumposaunte, nachdem die Sendung mit Kriegsreporter Kurt Pelda vom 1. September einen für «Schawinski» hohen Wert von 17,7 Prozent erreicht hatte. Eine Woche davor war er mit Irina Beller auf 12,1 Prozent abgestürzt und eine Woche nach Pelda, mit Diplomat Tim Guldimann, wo Roger Schawinski noch tiefer fiel, auf einen Wert von 10,7 Prozent. Deshalb flötete er SRF-Direktor Ruedi Matter am Swiss Radio Day stolz die Pelda-Quoten ins Ohr und wirkte dabei wie ein Schuljunge, der seinem Vater endlich ein gutes Zeugnis nach Hause bringt: «Hast du unser gutes Resultat gesehen?»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
… am Schluss der Sendung bot unser Roger dem Blancho die Hand an, Geste die er immer macht … der Blancho nahm demonstrativ seine Hand nicht !
Das sagt alles über den «Gewinner des Abends» …