MarcelloFoa

Marcello Foa, Chef der Tessiner Mediengruppe Corriere © Wikimedia commons/Medija centar Beograd

Italo-schweizerischer Doppelbürger wird nicht RAI-Präsident

Beat Allenbach /  Berlusconis Forza Italia verhinderte Marcello Foa, Chef der Tessiner Mediengruppe Corriere, als RAI-Präsidenten.

In der 40-köpfigen parlamentarischen Aufsichtskommission der öffentlich-rechtlichen «Radiotelevisione Italiana» RAI haben die Oppositionsparteien, der (linke) Partito Democratico und Silvio Berlusconis Forza Italia, wie angekündigt, Marcello Foa die Stimme verweigert. Er hat die Zweidrittels-Mehrheit zur Wahl zum RAI-Präsidenten nicht erreicht und sagte danach, er nehme mit Respekt den Entscheid zur Kenntnis.

Was die Nicht-Wahl bedeutet, ist noch ungewiss. Sofern Foa nicht seinen Rücktritt erklärt, bleibt er Mitglied des RAI-Verwaltungsrats; er war am Dienstag in dieses Amt gewählt worden. So könnte Foa als Ältester Vizepräsident der RAI werden. Weiter wird in Rom darüber spekuliert, dass Foa sogar faktisch Präsident werden könnte, sofern die Regierung keine neue Person für das Präsidentenamt vorschlägt. Würde die Regierung jedoch das deutliche Ergebnis der Aufsichtskommission auf diese Weise hintertreiben, hätte das zur Folge, dass sich die Spannungen zwischen Regierung und Opposition zusätzlich verschärften.

Foa sah sich am Wochenende schon als Präsident

Der 54-jährige Blogger und Buchautor Foa, der von sich sagt, er sei vor allem Journalist, gab sich am letzten Wochenende siegessicher, nachdem er von der italienischen Regierung als Präsident der RAI vorgeschlagen worden war. Foa, der sich als friedfertig bezeichnete, sagte bereits am Samstag, er wolle die RAI reformieren und zur alten Grösse führen. Der Überraschungskandidat ist gut bekannt mit dem starken Mann der italienischen Regierung, dem Innenminister Matteo Salvini.

Zudem hat er seit längerem einen guten Draht zur Protestbewegung «Cinque Stelle». Sie hat bei den letzten Wahlen den höchsten Stimmenanteil aller Parteien erreicht, steht aber gleichwohl im Schatten des allgegenwärtigen Chefs der Lega, Matteo Salvini. Dieser hat viele Vorbehalte gegenüber «Brüssel», mag die Ausländer nicht und noch weniger die Flüchtlinge, von denen er so viele wie möglich aus Italien wegschicken möchte, besonders auch die Roma, wobei er jene italienischer Nationalität nur widerwillig in Italien akzeptiert.

Die Linke will den Kandidaten der Regierung verhindern

Doch in der Opposition und im 40-köpfigen Aufsichtsrat der RAI, dem Parlamentarier aller Parteien angehören, waren viele mit Foa’s Ernennung gar nicht einverstanden. Politiker des (linken) Partito Democratico betonten, sie würden alles tun, um Foa zu verhindern. Weshalb? Er sei ein «sovranista», eine Person, für welche Italien und das Volk souverän seien und keine aussenstehende Richter toleriere.

Weiter sei der gegenwärtige Manager im Tessin euro-skeptisch, stehe hingegen positiv zum russischen Präsidenten Putin und habe verschiedentlich Beiträge für den englischsprachigen TV-Sender «Russia today» gemacht, der von der russischen Regierung kontrolliert wird. Auch habe er Kontakte zum rechtsaussen stehenden, ehemaligen Berater von Präsident Trump, Steve Bannon, der die Populisten in Europa einigen möchte. Der Amerikaner hat bei einem Weltwoche-Meeting in Zürich viel Publikum angezogen und sich vor einiger Zeit in Mailand mit dem italienischen Innenminister Salvini getroffen. Auch Foa war gemäss Presseberichten anwesend.

Eigenmächtige Regierung

Berlusconis Forza Italia verweigerte dem Kandidaten der Regierung ebenfalls die Stimme. Berlusconi und weiter Spitzenpolitiker von Forza Italia sind entrüstet, dass die Regierung den Kandidaten fürs hohe Amt auswählte, ohne dass sie konsultiert worden sind. Dass der starke Mann der Regierung, Matteo Salvini, nicht einmal seinen Verbündeten Silvio Berlusconi angerufen hat, will dieser nicht akzeptieren.

In der parlamentarischen Aufsichtskommission ist für die Wahl des RAI-Präsidenten eine Zweidrittels-Mehrheit erforderlich. Daran scheiterte Foa am Mittwoch: er erhielt nur 22 Stimmen und verfehlte das Mehr von 27 deutlich. Die Oppositionsparteien waren anwesend, aber beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Pikant ist, dass auch Berlusconis Forza Italia half, Foa zu verhindern.

Erst vor ein paar Jahren hat der Chef der Tessiner Mediengruppe Corriere Silvio Berlusconi, der keinerlei Amt inne hatte, in seiner Villa in Artore bei Mailand interviewt und auf zwei Seiten des «Corriere del Ticino» dessen Einschätzungen der politischen Situation ausgebreitet – ohne je eine Präzisierung zu verlangen oder eine kritische Frage zu stellen. Das lange, bebilderte Gefälligkeitsinterview hat Berlusconi offenbar nicht überzeugt, Foa aus Dankbarkeit die Stimme zu geben.

Die bisherige Karriere

Marcello Foa, der in Mailand geboren ist, hat in jungen Jahren im Tessin bei der rechtsfreisinnigen «Gazzetta Ticinese» (seit Jahren verstummt) gearbeitet, danach beim katholischen «Giornale del Popolo», dessen Verleger der Bischof von Lugano ist; wegen wachsender Verluste wurde die Tageszeitung vor einigen Monaten eingestellt. Danach wurde Foa Auslandreporter von «il Giornale», der vom herausragenden, konservativen Journalisten und Buchautor Indro Montanelli gegründeten Mailänder Tageszeitung. Nach einigen Jahren übernahm die Familie Berlusconi «il Giornale», der unabhängige Montanelli verliess die Zeitung, nicht aber Foa, der sodann das Auslandressort leitete.

Vor fast sieben Jahren wurde Foa von der Besitzerfamilie des «Corriere del Ticino» in Lugano als CEO einer wachsenden Mediengruppe ernannt. Die Herausgabe der Tageszeitung wurde ergänzt durch den Fernsehsender «TeleTicino», ein Privatradio und erst kürzlich durch die Beteiligung an der Gratis-Sonntagsszeitung «il caffé».

Zusammen mit dem deutschen Professor Stephan Russ-Mohl hat der italienisch-schweizerische Doppelbürger an der Universität der Svizzera italiana in Lugano das Europäische Journalismus-Observatorium gegründet, das jedoch die Tessiner Medienlandschaft konsequent ignoriert. Foa hat auch unterrichtet und wiederholt an der Universität in Lugano Diskussionen moderiert. Es ist anzunehmen, dass einige Redaktoren des «Corriere» nicht unglücklich sind, dass Foa seinen Tessiner Posten verlässt.


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