Die «Tagesshow» des Florian Inhauser
Florian Inhauser ist seit 2001 bei SRF. Er war Redaktor, Reporter und als Sonderkorrespondent für die «Tagesschau» auf Achse. Zwischen 2004 und 2007 arbeitete er als Auslandkorrespondent mit Sitz in London. Mit dem Abgang von Urs Gredig auf den Londoner Aussenposten wurde Inhauser im Mai dessen Nachfolger als Moderator der Hauptausgabe der «Tagesschau» um 19.30 Uhr.
Er freue sich auf diese «unerhört spannende Herausforderung», sagte Inhauser nach seiner Ernennung – seitdem ist er regelmässig in seiner neuen Rolle zu sehen. In den letzten Tagen stand er im Dauereinsatz und darum fiel es vielleicht mehr als sonst auf, wie akribisch Inhauser offensichtlich an seinem sprachlichen Auftritt arbeitet, um die «Tagesschau»-Moderation gleichsam auf eine neue Ebene zu bringen.
Er schleift die Sätze oder schmückt sie aus
Seine Präsentationen sind süffig-süffisant, je nachdem auch ironisch-augenzwinkernd. Er schleift und ziseliert die Sätze oder schmückt sie aus mit Wortschöpfungen, setzt den Satzanfang ans Ende, das Satzende an den Anfang und die Satzmitte je nachdem an den Anfang oder ans Ende. Was immer Florian Inhauser dem Publikum ankündigt: Er sagt es jedenfalls nicht gerade heraus. Er mäandert und hat die 20 bis 35 Sekunden langen Moderationen vor den Beiträgen zur Kunstform erhoben. Sie sollen sein Markenzeichen sein.
Das tönte dann zum Beispiel am Sonntag, 28. Juli so, als er einen Beitrag zur Umsetzung der Abzocker-Initiative mittels einer bundesrätlichen Verordnung ansagte:
«Antritts-Millionen, güldene Fallschirme, Monsterboni, der ganzen sogenannten Abzockerei in Schweizer Chefetagen den Garaus machen, das war das Ziel der gleichnamigen Initiative, die das Stimmvolk vor fünf Monaten sehr deutlich angenommen hat. Bei der Umsetzung fehlt es dann aber etwas an Deutlichkeit. Bis heute konnten sich Verbände und Parteien zu einem Verordnungsentwurf des Bundes äussern, auch der Initiant und der, also Thomas Minder, fürchtet jetzt, dass der Geist seiner Initiative bei der Umsetzung verloren gehen könnte, wie er in seinem ersten ausführlichen Interview hierzu Marcel Anderwert erklärt hat…»
Die Wortspielerei enthält auch den schönen Begriff «Monsterboni», die von der Abzocker-Initiative eben gerade nicht explizit verboten werden. Was solls. Es geht um die Pointe. Weiter zu Inhausers Anmoderation am Donnerstag, 8. August, zum Abstimmungsbüchlein des Bundes:
«5,4 Millionen kleine rote Büchlein werden im Vorfeld der Abstimmung vom 22. September an die Schweizer Haushalte verschickt und mit kommunistischer Propaganda chinesischer Prägung hat das rein gar nichts zu tun, denn wie immer sind darin die Gesetzesvorlagen, die Ansichten von Befürwortern und Gegnern und die Erläuterungen des Bundesrats zu finden – und diesmal ein Fehler, denn beim eben vorgestellten Epidemiengesetz wird der Schweizerische Drogistenverband bei den Befürwortern aufgeführt. Das ist falsch. Adrian Arnold über ein fehlerhaftes kleines rotes Büchlein…»
«Rotes Büchlein» und «kommunistische Propaganda chinesischer Prägung»? Es würde nicht wundern, wenn hier viele Zuschauerinnen und Zuschauer nur Bahnhof verstanden hätten. Der Historiker Inhauser spielt mit seinem Hinweis auf das «rote Büchlein» mit den Worten von Mao Tsetung an, die 1965 veröffentlicht, für die Massenaktionen der Roten Garden während der Kulturrevolution gebraucht wurden und sich in der westlichen Studentenbewegung von 1968 verbreiteten. Ob der Rückgriff vor diesem Hintergrund nicht etwas strapaziös ist, muss man sich durchaus fragen.
22 Männer jagen einem Ball hinterher
Und ein drittes Beispiel: Inhauser sagt am Sonntag, 11. August, bei der gedrechselt-spöttischen Übergabe der Moderation in der Sendung an die Kollegin aus dem Sportressort:
«Wir kommen zum Sport und da werden wir dann alles daran setzen, das Männerfinale der Königsdisziplin, 100 Meter flach, an der Leichtathletik WM in Moskau live in dieser Sendung zu haben, aber bevor acht Männer auf Kommando losjagen, geht es jetzt erst einmal um 22 Mann, die einem Ball hinterherjagen – Daniela Milanese…»
Keine Frage: Florian Inhauser tritt in der «Tagesschau» tadellos auf, er ist sprachlich auf der Höhe und praktisch fehlerlos. Wie jedes TV-Gesicht hat er seine Fangemeinde und jene, die ihn nicht mögen. Die Frage ist bloss: Sind seine launigen Moderationen in der Primetime des nationalen Senders der Sache immer angemessen, die damit transportiert werden soll? Man möchte ihm zurufen: Bitte mehr «Tagesschau» und weniger «Tagesshow»!
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Sehr geehrter Herr Lehmann, ich finde in diesem Artikel einen fatalen Hang zum Nörgeli! Es kann einem nicht jeder sympathisch sein, aber ob sich dafür ein solcher Artikel(wohlgemerkt Ihre Meinung) lohnt? Naja, darüber lässt sich streiten.
Naja, lass ihn doch die Grenzen ein wenig ausloten. Die sind bei der «Tagesschau» eh eng genug gesetzt. Die Textbeispiele finde ich eher originell als daneben.
Lieber Jürg Lehmann, die Schlussfolgerung ihrer überfälligen Kritik hätte pointierter, zugespitzter sein dürfen. Mit Inhausers sprachlichen Schnörkeleien vergeht wertvolle Zeit ungenutzt, in der wir Gebührenzahler gerne mehr faktenbasierte Information, weniger Mutmassungen und weniger spekulatives Stochern im Nebel des noch Ungewissen hätten.
Peter Graf, ehem. Bundeshausredaktor der SDA
Offensichtlich ist Stefan Klapproth sein sprachliches Vorbild. Wer schon mal Klapproth an einer Veranstaltung, die er moderiert, gehört hat, weiss, wovon ich da spreche. Bei 10 vor 10 muss er sich da etwas zurückhalten. Aber sooo schlimm finde ich das nicht. Da stören mich die Wahnsinns-Redundanzen zwischen Tagesschau ("bitte sprechen sie jetzt hochdeutsch wegen 3Sat"…"und jetzt das gleiche nochmals in Mundart für 10 vor 10") schon eher!
Ich liebe den Wortwitz der zeitweise bei den Einleitungen durchblitz! Eine Auflockerung der tristen, bösen Welt, der sonst in der Tagesschau vorherrscht! Nur Unglück und Verbrechen. Es gibt zum Glück auch noch was anderes!
Die gekünstelt intellektuell wirkenden Anmoderationen sind absolut ueberfluessig. Im Rahmen einer Nachrichtensendung haben F. Inhausers Texte, welche oft auch tendenziöse Züge haben, nichts verloren.