Weniger Zeitung, mehr AfD
Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg schliessen – wie anderswo auf der Welt – immer mehr Zeitungen. Zahlreiche Gemeinden sind nicht mehr medial versorgt. Gleichzeitig wächst die Sorge vor einem Erstarken der AfD.
Maxim Flößer, freier Journalist, Redaktor beim SWR und Journalist bei der «Kontextwochenzeitung», hat in seiner Masterarbeit für die Universität Stuttgart untersucht, was das Verschwinden lokaler Berichterstattung mit den Wahlergebnissen der AfD zu tun hat. Das Ergebnis: leider einiges.
Die entscheidende Frage: Ist eine Journalist:in vor Ort?
In Gemeinden ohne Lokalzeitung bekam die AfD bei der letzten Landtagswahl 2021 durchschnittlich 1,6 Prozentpunkte mehr Stimmen, fand Flößer, der seine Ergebnisse für «Kontext» zusammenfasste.
Ganz überraschend ist das nicht. Zusammenhänge zwischen populistischen Voten und dem Verschwinden von Lokalzeitungen sind zum Beispiel in den USA belegt, wo zwischen 2005 und 2021 ein Drittel aller Zeitungen dichtmachten. Wer Populisten wählt, informiert sich eher über Social-Media-Kanäle wie Telegram, auch das ist bekannt.
Für seine Analyse untersuchte Flösser, ob es in einer Gemeinde eine Lokalzeitung vor Ort gab. Für Lokalredaktionen grösserer Zeitungen überprüfte er, ob diese auch regelmässig über lokale Themen berichteten. Überregionale Zeitungen ohne Lokalredaktion berücksichtigte er nicht. Auch Radio- und Fernsehsender oder lokale Blogs flossen in die Auswertung nicht ein.
Flößers Analyse hielt auch der Überprüfung weiterer Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Migrationsanteil, Männer-Frauen-Verhältnis oder Leistungsfähigkeit der örtlichen Wirtschaft stand. Ziehe man solche Einflüsse ab, wählten Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung immer noch um durchschnittlich 0,6 Prozentpunkte weniger AfD, resümiert er in «Kontext».
In den Landkreisen mit besonders vielen Gemeinden ohne lokale Zeitung liege der Stimmenanteil der AfD zudem um drei Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt.
Strukturschwache Regionen – von allen Medien verlassen
Nachrichtenwüsten gebe es häufiger in kleineren Gemeinden mit geringem Migrantenanteil und finanzschwächeren Unternehmen. Die Arbeitslosenquote sei dort ähnlich wie in den Gemeinden mit Zeitungen. Das ist insofern erstaunlich, als die AfD vor allem mit Stimmungsmache gegen Migrant:innen Politik macht.
0,6 Prozentpunkte seien nicht viel, aber doch ein statistisch gesicherter Zusammenhang. Und das Fehlen von Lokalzeitungen sei nur ein Teil der Ursachen, warum Menschen AfD wählen, sagt André Bächtiger, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Stuttgart (ebenfalls zu «Kontext»). Es sei ein demokratietheoretisches Problem. Aber es gebe eben noch einige andere Ursachen.
Das Gefühl, abgehängt zu sein, entstehe ja nicht nur, weil die Zeitung schliesse, ordnet er ein. Aber die Schliessung könne es verstärken. Es ist ein wenig wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Dass die Berichterstattung über einen Flecken eingestellt wird, an dem es immer weniger Abonnent:innen gibt, die Post schon lange zugemacht hat und nicht einmal mehr ein Bus hält, ist Teil desselben Prozesses.
Studie zur Rolle von Medien im Lokalen verlor bereits ein Untersuchungsobjekt
Zur Rolle von Zeitungen im Lokalen gebe es aber nur wenige Untersuchungen, so Bächtiger. Immerhin: In der Studie «Nachrichtenwüsten» gehen das Netzwerk Recherche, die Hamburg Media School und Transparency International derzeit der Frage nach, wie Lokaljournalismus und Demokratie in Deutschland zusammenhängen.
Etwas unglücklich dabei: Von den drei untersuchten Lokalmedien bleiben den Studienteilnehmern noch zwei. Das Konstanzer Magazin «karla» hat Anfang des Jahres den Betrieb eingestellt. Der Grund: Geldmangel.
Der Einfluss der AfD wächst derweil in ganz Deutschland. In Grossschirna (Sachsen) wurde kürzlich Deutschlands zweiter AfD-Bürgermeister gewählt. Und in Baden-Württemberg stehen im Juni 2024 Kommunalwahlen an. Bei den letzten Landtagswahlen 2021 kam die AfD auf knapp zehn Prozent der gültigen Stimmen. Nach Umfragen vom Januar liegt die Zustimmung für die rechtsextreme Partei in Baden-Württemberg derzeit bei 18 Prozent.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
So einfach darf man es sich nicht machen. Erstens vertraten alle Regierungsparteien während der Corona-Krise (in D und Ö) selber faschistoide und extremistische Positionen gegenüber Maßnahmenkritikern, Demonstranten und Impfunwilligen, die weit über die populistischen Slogans der AfD gegen Ausländer hinausgehen – also wäre hier Kehren vor der eigenen Tür angesagt. Zweitens sind die Erfolge der AfD auf dem Versagen der anderen Parteien gewachsen; das Verhalten von Scholz, Habeck, Lindner und Baerbock ist ja geradezu eine Wahlempfehlung für die AfD. Der Kohlsche, Schrödersche und unter Merkel fortgesetzte Sozialabbau, eine konsequente Politik für Großkonzerne, Banken und Versicherungen, eine Verteufelung Andersdenkender, die weltfremde Großspurigkeit der Politiker und ein lähmend zwanghaft einheitlicher Diskurs bei öffentlichen Fragen sind die Nährhefe für die AfD, nicht ein Journalistchen mehr oder weniger.
Sie schreiben: «Extremisten profitieren von Nachrichtenwüsten» und meinen damit «gestorbene» (verschwundene) Medien. Ich hingegen meine damit auch die verbreiteten Begriffe wie Lückenpresse (Buchtitel Prof. Teusch) und «Lügenpresse» (Volksmund). Dass Medien infolge dessen verschwinden, was man mitunter künstlich via Zwangsgebühren verhindert. Man kann das ignorieren oder verdammen seitens Mainstream. Ich würde es jedoch ernstnehmen, so wie ein guter Arzt, der Symptome bzw. Anamnese würdigt. Ich finde, dass «Extremisten» (was ist das?) «Alternative Medien» nutzen, weil bisherige Medien zu nicht unerheblichem Teil und Ausmass auf eine andere Art «Extremismus» und Exklusion praktizieren. In dieser Reihenfolge. Aber eben, diese meine (legitime) Meinung kann man ebenso entweder verdammen oder wertschätzen diagnostisch, prognostisch.
Das Verschwinden von Lokalzeitungen ist tatsächlich ein Verlust. Es gibt dafür sicher viele Gründe. Einer davon dürfte sein, dass viele Lokaljournalisten – wie die Autorin des Artikels – die AfD als rechtsextrem bezeichnen (statt als rechts, konservativ oder vielleicht liberal) und damit zum tendenziösen Journalismus in Deutschland beitragen. Dafür wollen verständlicherweise viele nicht mehr bezahlen.
War das jetzt eine Studie um zu «beweisen, dass» oder um zu «untersuchen, ob»?
Man stelle sich vor: Auf 167 Wahlberechtigte gibt es in Gemeinden ohne lokale Berichterstattung nach Korrektur anderer Einflüse konsistent eine Person mehr, welche AfD zu wählen beabsichtigt. Dies wird auf das Fehlen ebendieser lokalen Berichterstattung zurückgeführt.
Bedenkt man, dass die allgemeine Zustimmung in BW für die AfD momentan bei 18% liegen soll, so bedeutet dies 40 potentielle Wähler in Gemeinden mit, 41 in Gemeinden ohne Zeitung.
Mich würde da eher interessieren, warum denn überhaupt 40 von 167 potentiellen Wählern der AfD zustimmen- finden sie die AfD einfach gut, oder sind sie eher Protestwähler?
Bislange waren die Beiträge hier auf INFOsperber vergleichsweise neutral, wenig tendenziös, kritisch und offen gestaltet. Der Beitrag von Daniela Gschweng hingegen zeigt eine neue Seite, die darauf schließen lässt, dass tendenziös linke Ansichten, Ansichten, welche die Regierung der BRD dazu benutzt, um eine demokratisch gewählte Partei zu diskreditieren, nun auch in die politische Berichterstattung von INFOsperber einfließen.
Linke Journalist:*&%(innen scheinen sich an der AFD abarbeiten zu wollen.
Für das Erstarken der AFD inhaltlich bessere Erklärungsansätze als das Aussterben von Lokalzeitungen haben die diversen Vor-Kommentatoren zum Glück schon ausgeführt. Danke an die Herren Schön, Reuss, Spinazzè und Schläfli!
Ja, die AfD ist so fürchterlich, dass wir es der Ampel niemals nachsehen können. Das ist der heuchlerische Zynismus eines «liberalen» Bürgertums, das gegenüber der radikalen Rechten keine Berührungsängste mehr hat, und auch hier in der Kommentarspalte, in der 3-2-1 entweder die AfD verharmlost oder so getan wird, als könne es überhaupt legitime Gründe geben, diese Partei zu wählen.