Judith Wittwer, Claus Kleber und Tim Guldimann (links)

Judith Wittwer, Claus Kleber und Tim Guldimann (links) © zvg

«In Social Media braucht es für alle einen Public Space»

Tim Guldimann /  Für Menschen, die sich nur im Internet informieren, braucht es eine glaubwürdige Plattform, fordert ZDF-Moderator Claus Kleber.

Red. Tim Guldimann fasst sein neustes Podcast-Gespräch zusammen. Diesmal mit Claus Kleber und Judith Wittwer, Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung.

Laut ZDF-Moderator Claus Kleber müssen das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die Qualitätszeitungen die Qualität ihrer Leistungen in Social Media einbringen «für Menschen, die weder das Heute Journal› noch die gedruckte ‹Süddeutsche Zeitung› lesen». Dafür gelte es, einen neuen «Biotop zu entwickeln […], welcher der Öffentlichkeit gehört, einen ‹Public Space›, für jeden zugänglich […], und das so schnell und so erfolgreich wie möglich». [Red. Leider fragte der Gesprächsleiter Kleber nicht, ob er an ein ausgebautes frei zugängliches Portal der öffentlich-rechtlichen ZDF und ARD denkt.] Optimistisch fügte Kleber an: «Ich glaube, wir haben das rechtzeitig erkannt […] und offensichtlich gibt es auch unter den jungen Leuten, die uns nicht sehen, das Gefühl, dieses Land ist schon besser dran, wenn ein Goldstandard für Information immer im Raum ist. […] Man weiss, da gibt’s noch eine Stelle, die achtet darauf, dass das nicht ausartet, dass die Regierung uns nicht erzählen kann, was sie will.»

SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer meint, dass das gedruckte Medium tatsächlich «viele nicht erreichen wird» und «diese Kluft und diese Polarisierung fortschreiten». Wir hätten es «zunehmend mit Menschen zu tun, die sagen, das ist ja alles Ansichtssache». Wissenschaftlich erhärtete Fakten würden in Frage gestellt.

Für Wittwer ist klar: «Meinungen sind keine Fakten […] Unsere Aufgabe ist es, […] den Menschen die Instrumente in die Hand zu geben, um sich ihr eigenes Bild zu machen und auf der Basis von Fakten diese Suche nach der Wahrheit voranzutreiben.» 

Wittwer rechnet damit, dass in der komplexer werdenden Welt das Bedürfnis zunimmt, Übersicht und Orientierung zu bekommen. Die SZ jedenfalls habe heute mehr Abonnentinnen und Abonnenten denn je.

«Was mich bei aller Zuversicht sehr beunruhigt», wendet Claus Kleber ein, ist, dass «vielen Menschen ein punktuelles, anekdotisches Wissen zu spektakulären Vorgängen ausreicht, um sich ihre Meinung zu bilden», ohne traditionelle Medien zu nutzen.

Die Geschwindigkeit, mit der sich Lügen verbreiten, sei «durch die Reizbetonung zu einem ganz entscheidenden Machtfaktor geworden». Der Kontrollmechanismus brauche zu viel Zeit. Dies führe dazu, dass «viele vernünftige Leute sagen, man weiss ja gar nicht, was man da noch glauben soll».

Schliesslich verweist Claus Kleber auch auf die Aussage von Hannah Arendt, dass die Potenz des totalitären Staates, mit seiner Propaganda zu lügen, nicht sei, dass die Leute die Lüge glaubten. Sie liege darin, dass die Leute gar nichts mehr glaubten. Und ein Volk, das nicht mehr weiss, was es denken soll, sei handlungsunfähig. Mit einem solchen Volk könne ein autoritärer Herrscher machen, was er wolle. Donald Trump habe bis heute diese Waffe in der Hand und nutze sie.

«Debatte zu dritt»

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8 Meinungen

  • am 20.11.2023 um 15:37 Uhr
    Permalink

    Leider scheint das ZDF auf Whatsapp zu setzen, statt ein ein eigenes Forum aufzubauen. Sowie auf die anderen Facebook/Meta Sachen, X und Tiktok. Jedoch auch Mastodon, das wäre auszuprobieren.
    Für mich ist Wikipedia eine Art Public Space, aber diese ist nur für AutorInnen und RedaktorInnen. Ebenso dieses Infosperber-Forum für nicht anonyme zeitnahe Kurzmeldungen oder das Republik-Forum für Abonnierte.

  • am 20.11.2023 um 19:46 Uhr
    Permalink

    Ich empfehle die Überschrift des Artikels zu ändern in

    «Den Bock zum Gärtner machen.»

    Gerade eben hat der gesamte öffentlich rechtliche Nachrichtenapparat das 2. Corona-Symposiums im Bundestag komplett ignoriert.

    Die ganzen Fake News der Impflobby hingegen wurden kritiklos im ö.r.R. gebracht. Es wurde gespalten und gehetzt. Selbst Zitate mit denen Nazis über die Juden herzogen wurden 1:1 auf die Ungeimpften übertragen (Blinddarm der Gesellschaft).

    Beispiel für eine Fake News? «Impfung verbleibt an der Einstichstelle» Blöd nur dass sie jetzt sogar in der Muttermilch nachgewiesen wurde.

    Unvergessen auch wie im ö.r.R. sich über die AFD lustig gemacht wurde, die eine Grenzschließung forderte. Als diese dann von der Regierung angeordnet wurde, wurde hingegen über die Personen hergezogen, die diese Grenze überqueren wollten, um zu einer genehmigten Demo zu wollen. Ich spreche über die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern.

    Der ö.r.R. hat NULL Glaubwürdigkeit!

    • am 21.11.2023 um 09:45 Uhr
      Permalink

      Nicht einverstanden. Trotz seiner Mängel und Einseitigkeiten halte ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Rechtsstaaten für das allgemein glaubwürdigste Medium. In den «social media» und anderen Ecken des Internets gibt es zwar einige gescheite Sachen, aber auch ungeheuer viel Mist und schlimmeres.

  • am 20.11.2023 um 20:15 Uhr
    Permalink

    Tim Guldimann und Claus Kleber, zwei Namen, zu denen ich eine Schublade weiss. Ist es noch nicht mehr als genug, wie weit diese Kategorie den Mainstream beherrscht? Nun noch die letzten Freiräume kleben? Vielmehr würde ich eine Offensive nötig finden, Links als Illustration, Beleg und Quellenangaben (die in Wissenschaft und Journalistik essenziell sind) dem «Demokratenvolk» wieder zu erlauben to use in dessen Veröffentlichungen. Oder mit anderen Worten: Dass man Links in vielen (nicht allen) Mainstreammedien verbietet, seit ganz kurzem sogar im Infosperber (was mich als Spender nun endgültig defeated, nachdem bereits die Daumenfunktion inaktiv ist), sehe ich als inakzeptablen Verstoss gegen die Meinungsfreiheit des Einzelnen. Das schwächt meine Argumentationsfähigkeit, während die Gegenseite (Medieneigner) nach Belieben Links und Videos einbauen darf.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 21.11.2023 um 07:32 Uhr
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      Infosperber ist verantwortlich für die Kommentare und die Links. Deshalb erlauben wir uns, Kommentare zu löschen, zum Beispiel wenn sie unflätig sind. Da wir personell nicht in der Lage sind, zu kontrollieren, was hinter einem Link steckt, haben wir beschlossen, Links nicht mehr zuzulassen.

      • am 21.11.2023 um 17:57 Uhr
        Permalink

        @Redaktion Infosperber Ich kenne dieses Argument. Es ändert aber nichts an den von mir genannten Missständen. Die Begründung, das Medium könne nicht alle Links prüfen aus personellen Gründen, finde ich zu schwach, zumal Infosperber nicht mal Links zu Artikeln von Infosperber selbst akzeptiert oder zu anderen «etablierten» Redaktionen wie watson.ch, und erst recht zumal die Meinungsfreiheit ein zu hohes Gut ist. Sie verbieten Lesern, was Wissenschaftler und Journalisten/Medien dürfen und was viele Netiquetten fordern: Quellenangaben. Ich sehe ungleich lange Spiesse. Und: Es gibt wesentliche Informationen, die man ausschliesslich im Internet findet – nicht etwa, weil es juristisch verboten wäre, sondern weil es politisch (ideologisch) gewissen «Herrsch(aft)en» nicht passt. Demokratie?

      • Portrait Marco Diener.1 Kopie
        am 21.11.2023 um 18:10 Uhr
        Permalink

        Wir behandeln alle Kommentare mit Links gleich — ganz egal ob sie auf Infosperber oder andere Quellen verweisen.

      • am 21.11.2023 um 19:28 Uhr
        Permalink

        Ich finde es auch schade, dass Links pauschal nicht mehr akzeptiert werden. Nicht wegen «ungleichen Spiessen», sondern eben um Behauptungen oder Zahlen zu belegen, das kann die Kommentare und dazugehörenden Artikel wertvoller machen. Auch wenn mir klar ist, dass es immer mehr unseriöse Links gibt, so dass sich alles und sein Gegenteil «belegen» liesse. Aber dies sollte i.A. in der Verantwortung der Schreiber und der Leserinnen liegen, und nicht bei Infosperber.
        Beim Online-Magazin Republik sind Links zugelassen, sollten aber im Kontext stehen und erklärt werden. Auch sind die meisten nur für Abonnenten sichtbar.
        Bei Wikipedia werden seriöse Belege verlangt, ob Bücher, Zeitschriften oder Internetseiten.

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