Blocher-Medien: Anti Staat und pro Konzerne
«Mut, sich mit den Mächtigen anzulegen: Das zeichnet den wahren Journalisten aus.»
Das verkündete Markus Somm, Chefredaktor der Basler Zeitung in einem Leitartikel.
Diesen Satz unterschreibt auch Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche.
Toll, dass es in dieser für die Medien schwierigen Zeit noch Chefredaktoren gibt, welche ihre Medien als gesellschaftliches Kontrollorgan verstehen und den Mächtigen auf die Finger schauen wollen.
Schade aber, dass Somm und Köppel die «Mächtigen» einseitig bei Regierungen, Parlamenten und Parteien orten. Denn gegen deren Immigrations-, Klima-, Steuer- oder Sozialpolitik anzuschreiben, ist wohlfeil. Den Bundesrat trotz bürgerlicher Mehrheit als «verkappt links» zu qualifizieren oder der FDP einen Verrat am Rechtskurs zu unterstellen, ist billig.
Denn von politischer Seite hat den Medien noch nie der Entzug von Inseraten oder Druckaufträgen gedroht. Regierungsmitglieder, Parlamentarier oder Parteiexponenten schreiben auch kaum je eingeschriebene Briefe mit Forderungen nach Gegendarstellungen oder mit Klage-Drohungen und Schadenersatzforderungen.
Deshalb braucht es nicht so viel «Mut auszusprechen, was niemand im Regierungsgebäude hören will», wie Somm behauptet.
Den «meisten Journalisten» wirft Somm vor, «zur Sorte der Sänger und Hofdichter» zu gehören, welche «die Mächtigen preisen». Im Mittelalter hätten sie den Kaiser verteidigt und Luther als unanständig hingestellt. Vor der französischen Revolution hätte diese Sorte von Journalisten den König bejubelt und über die dummen Bauern gespottet. Heute würden sie «feinfühlige Portraits über Flavia Kleiner» schreiben oder «Christian Levrat händeringend befragen».
Es stimmt natürlich nicht, dass nur die Weltwoche, die Basler Zeitung und bald auch Blochers viele Gratiszeitungen als einzige staatliche Institutionen kritisieren. Hier glänzen viele Medien, weil es von staatlicher Seite nichts zu befürchten gibt.
Es ist absurd, die Machtverhältnisse im Mittelalter oder in der Zeit vor der französischen Revolution mit denjenigen von heute zu vergleichen.
Heute dienen grosse Medien den Interessen einzelner Milliardäre und grosser Konzerne. Sie beeinflussen dank ihrer intensiven Lobbyarbeit, dank von ihnen bezahlten «Think Tanks», Teilzeitanstellungen für Politiker und dank finanzieller Beiträge an Parteien massgeblich alle für sie wichtigen Entscheide im Parlament. Dazu kommt ihr direkter Zugang zu höchsten Stellen der Verwaltung und zu Mitgliedern des Bundesrats.
Starke Wirtschaftsbranchen lassen ganze Zeitungsbeilagen nach ihrem Gusto herstellen. Unter journalistische Beiträge mischen sich immer häufiger bezahlte Artikel, die als solche nicht deutlich erkennbar sind. Die Wirtschaft nennt dies «Content Management». Er grassiert auch in Online-Ausgaben journalistischer Produkte.
«Mut, sich mit den Mächtigen anzulegen»? Keinesfalls, wenn wirklich Mut gefragt wäre und es um die wirklich Mächtigen ginge, die grossen nationalen und internationalen Konzerne. Verleger, Chefredaktor und SVP-Nationalrat Roger Köppel hatte sein publizistisches Credo in einem Interview von Anfang an deklariert:
- «Ich halte kritische Unternehmensberichterstattung für riskant und sogar für unnötig.»*
Seine Begründung: Unternehmen stünden im Wettbewerb untereinander und würden sich deshalb selber auf die Finger schauen. Journalisten brauche es da nicht.
Prangern Rohstoffkonzerne sich etwa gegenseitig an, wenn einige Arbeiter ausbeuten, die Umwelt entschädigungslos zerstören, Beamte bestechen und dank Gewinnverschiebungen keine Steuern zahlen?
Haben sich Banken etwa gegenseitig kritisiert, als einige nach dem Zweiten Weltkrieg während Jahrzehnten jüdische Fluchtgelder horteten, ohne die rechtmässigen Eigentümer zu suchen?
Prangern sich Konzerne etwa gegenseitig an, wenn einige Milliardengewinne in Steueroasen verschieben und dafür – trotz angeblicher Legalität und Konformität mit ihren ethischen Richtlinien – zu juristisch verschachtelten, undurchsichtigen Konstrukten greifen?
Den Mut einiger Journalisten, diese bedenkliche Steuerpraxis aufzudecken, schätzt Markus Somm überhaupt nicht. Abschätzig schreibt er in seinem Leitartikel über diese Journalisten: «Sie schwadronieren von Paradise, Panama und warum nicht von Pampers Papers?» Entlarvt würden ja nur «angebliche, meist kaum bewiesene Machenschaften, die niemanden mehr erschüttern und vor allem den Regierungen nicht weh tun.»
Das ist also das Kriterium: Skandale und Ungereimtheiten gehören nur recherchiert und an die Öffentlichkeit, wenn damit Regierungen getroffen werden. Somm: «Das zeichnet den wahren Journalismus aus.»
Gute Nacht Basler Zeitung, gute Nacht Weltwoche. Die Zeitungen von Blochers Gnaden sind offensichtlich im Mittelalter oder in der vorrevolutionären Zeit stecken geblieben.
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Siehe dazu:
- Infosperber-DOSSIER: «Die Macht und der Einfluss von Lobbys»
- Infosperber-DOSSIER: «Medien: Trends und Abhängigkeiten»
- Markus Balser: «Lobbykratie: Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft», Droemer-Knauer, 2016, 20.90 CHF
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*In «Der Journalist», März 2011.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine