Sperberauge

1800 Franken für ein NZZ-Jahresabo?

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Der NZZ-VR-Präsident im Konzern-internen Interview. Und wie er den NZZ-Qualitätsjournalismus definiert. Aha!

Auch wenn man ihn nur liest, man riecht nachgerade seine Überheblichkeit. Da, wo er allein entschieden hat, ohne Mitsprache anderer, da ging’s steil aufwärts. Seine Eltern schickten ihn damals in eine Drogistenlehre, weil ihm Fussball lieber war als die Schule. Heute ist er Multimillionär und Verwaltungsratspräsident der NZZ: Etienne Jornod.

Und was sagt Etienne Jornod im Promi-Interview in der «Schweiz am Wochenende» – die zur Hälfte ebenfalls der NZZ gehört – über «seine» NZZ? Wenn er sich (selber) an der Falkenstrasse in Zürich befinde, «spüre» er «einen fantastischen Esprit.» Die NZZ sei heute so gut, dass sie im Abonnement «fünf Franken pro Tag» wert sei, sprich 1800 Franken für ein Jahresabo (*). So viel sollten sich die Leute für den «Qualitätsjournalismus» in der NZZ doch leisten können. Und er schliesst nicht aus, die Auflage von heute 200’000 auf 400’000 steigern zu können. Und wie?

Zitat: «Die Menschen vom Wert unserer Arbeit zu überzeugen, ist die wichtigste Aufgabe eines Medienunternehmens. Aber wir müssen dazu die richtigen Produkte anbieten. Deshalb brauchen wir mehr Informationen darüber, was unsere Leser genau wollen. Welche Themen, welche Textlängen, wie viele Videos, welche Erzählformen? Daran forschen wir, und wir sind schon sehr viel weiter als vor wenigen Jahren.»

Aha, «Qualitätsjournalismus» à la NZZ ist, wenn die Journalisten das schreiben, was die Leser lesen wollen.

Die stimmberechtigten Schweizer und Schweizerinnen haben einem Preis von einem Franken pro Tag für das Schweizer Radio und Fernsehen SRF zugestimmt: einem Franken pro Tag für über zehn Programme, für drei Landessprachen, für unglaublich viel Unterhaltung und Sport und zusätzlich für sehr viel wertvolle Information, wenn man etwa an das tägliche «Echo der Zeit» oder das «Rendez-vous am Mittag» denkt. Sie haben einem Franken pro Tag für die Arbeit von über 3000 engagierten Medienschaffenden zugestimmt.

Aber für die NZZ sollen wir nun fünf Franken pro Tag zahlen? Für eine weltpolitische Kommentierung, die einäugig transatlantisch und NATO-orientiert ist? Für eine wirtschaftliche Kommentierung, die den Neoliberalismus predigt und empfiehlt, Kosten dem Staat, Gewinne aber den Privaten zu überlassen? Für einen Chefredaktor, zu dessen Leitartikeln man besser schweigt, um nicht ehrenrührig zu werden?

Mal schauen, ob es im deutschsprachigen Markt wirklich die von Etienne Jornod angestrebten 400’000 Leute gibt, die für so viel Überheblichkeit und einen solchen «Qualitätsjournalismus» jeden Tag fünf Franken zu zahlen bereit sind. Zweifel sind erlaubt.

(*) Dass fünf Franken pro Tag zu einem Abopreis von 1800 Franken führen, haben die Fragesteller im Interview erwähnt. Sie haben da offensichtlich auch den Sonntag bzw. die NZZ am Sonntag eingerechnet.


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6 Meinungen

  • am 12.10.2020 um 13:11 Uhr
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    Moment mal, das Ärgerliche an der Fernseh-Gebühr ist, dass auch die zahlen müssen, die keinen Fernseher haben. So lange die NZZ ihre Gebühren von freiwilligen Abonnenten erhebt, müssen die das unter einander ausmachen!

  • am 12.10.2020 um 16:06 Uhr
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    Gehe ich da recht in der Annahme, dass immer weniger Leser immer mehr bezahlen müssen, damit der Verlag weiterhin rentiert? Und diese Situation wird sich wahrscheinlich beschleunigen. Da kommt der Begriff «Qualitätsjournalismus» gerade richtig als Deckmäntelchen.

  • am 13.10.2020 um 10:45 Uhr
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    Hochmut kommt vor dem Fall. Es ist fast unerträglich dieses Interview zu lesen. Jornod ist so von sich selber eingenommen, dass es zum Fremdschämen ist. Und dann «Fünf Franken pro Tag liegen drin, um klüger zu sein.» – Klüger? Durch Chefredaktor Erik Guyer? Oder gar durch solche von Feuilletonchef René Scheu? Oder durch die vielen reaktionären und polemischen Gastbeiträge wie z.B. die eines Hans-Hermann Tiedje?

    Die NZZ war einmal eine gute Zeitung, mit Höhen und Tiefen und zwar genau bis zum Amtsantritt von Jornod und definitiv nicht mehr seit Guyer und Scheu. Da kann Jornod noch so viel lobhudeln, die Leser haben entschieden. So tief wie heute waren die Abonnentenzahlen der NZZ noch nie in der jüngeren Geschichte. Das muss man erst einmal schaffen, in 12 Jahren die beglaubigte Auflage fast zu halbieren, von fast 145’000 2008 auf etwas mehr als die Hälfte 76’000 2020. Ein Rückgang von 47%. Bravo, grosser Meister Jornod, DAS nenne ich einen Leistungsausweis und zwar einen erbärmlichen. Seine Reaktion:

    "Das entscheidende Kriterium ist die Zahl der Abonnements. Wir haben mehr zahlende Leserinnen und Leser als je zuvor."

    Aber eben nicht CHF 5.- am Tag. Bei Jornod kommt der Hochmut offenbar nach dem Fall.

  • am 13.10.2020 um 22:45 Uhr
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    Die NZZ lebt künftig nicht vom Papier, sondern von den Internetlesern. Und hier hat sie in Deutschland dank des Herrn Gujer die Nachfolge der früher konservativen FAZ angetreten, die ins Hauptstromgebiet abgeschwommen ist.

    Die NZZ ist für Deutschland tatsächlich das «Westfernsehen», weil sie Dinge benennt, die für deutsche Staatsfunker und Hauptstrommedien tabu, aber in der Praxis wichtig sind. Die NZZ ist fühlbar unabhängig von deutschen Unterstützungsgeldern, die die Hauptstrommedien vom Merkelismus in 3-stelliger Millionenhöhe aus der Steuerkasse erhalten und damit zum Schweigen gebracht worden sind, was unbequeme politische Wahrheiten angeht. Der «Spiegel» erhielt sogar Millionenbeträge von Bill Gates und bestätigt damit seine sicht- und lesbar entfallene Unabhängigkeit, was Herr Relotius vielleicht einmal in seiner Freizeit nachrecherchieren könnte.

    Die USA-philie und das Anti-Russlandgehabe der NZZ sind tatsächlich störend, aber wie sagt man so schön: Nobody is perfect.

  • am 14.10.2020 um 07:54 Uhr
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    Herr Sprecher, wer den Begriff Westfernsehen im Zusammenhang mit Medien in einem freien und demokratischen Land mit nicht staatlich kontrollierten Zeitungen benutzt, der diskreditiert sich selber. Es ist ein Jargon, der in Kreisen der rechtsextremen AFD benutzt wird. Und wenn dann wieder der Name Bill Gates in diesem Zusammenhang fällt, wird es endgültig ungeniessbar. – Doch die Ironie am Ganzen ist, dass Sie mit Ihrem Beitrag das nachweisen, was der NZZ zunehmend vorgeworfen wird. Die Anbiederung an reaktionäre, rechtsgerichtete Kreise. Wohl denn NZZ, wenn das die Leserschaft ist (die selber wohl gar nicht NZZ liest und nur weiter verbreitet, was sie über die NZZ hört), dann sagt das viel über sie aus. Denn wieder kann man sagen: «Du bist, wer dich liest» – Nein Danke, auf so eine Lektüre kann man gerne verzichten.

  • am 14.10.2020 um 09:44 Uhr
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    Die NZZ ist so stolz auf ihren angeblichen Erfolg in Deutschland. Dort bedient sie den rechten Rand zwischen CSU und AFD mit teilweise haarsträubenden Artikeln. Dass sie damit die Position der FAZ übernehme, scheint mir eine Sinnestäuschung zu sein.

    Wie auch immer. Wenn Sie ein VPN benützen, bekommen Sie die NZZ zu dem Preis, den Herr Jornod tatsächlich für angemessen hält: die Digitalausgabe gibt es nicht für 1’800 Fränklein (all inclusive) und auch nicht für 1’000 oder 800 Stutz. 500? viel zu viel. Gerade einmal 100 Euro ist die NZZ im Jahr wert, wenn man mit einer deutschen IP-Nummer kommt. Mäksch öppis?

    Und dafür der riesige Aufwand für all die Beiträge im gesitteten AFD-Stil? Die Verbreitung der FDP-Philosophie «blocherscher Prägung» in Deutschland wird die NZZ nicht sanieren sondern ausbluten. Tant pis.

    Noch etwas: ich muss ja die Artikel nicht lesen, die mir vorkommen, als ob Renfield seinem Meister Dracula Freude bereiten möchte, damit er hin und wieder Blut trinken darf. Aber auch die anderen Artikel sind teilweise nicht gut. Ein Beispiel: Jahrelang warnte die NZZ immer wieder vor dem baldigen Börsencrash. Der nicht kam. Wer auf sie hörte, verlor ein Vermögen durch entgangenen Gewinn. Und das will eine Finanzzeitung sein?

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