Gegen den NLZ-Einheitsbrei aus der Zentralschweiz
Das Ziel ist anspruchsvoll: «Eigenrecherchierte Hintergründe, Analysen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur liefern, wie sie anderswo nicht zu lesen sind (…) die Themenführerschaft übernehmen». Diese hohen Ansprüche versucht das Online-Journal www.zentralplus.ch seit dem 17. Januar mit Berichten aus den Regionen Luzern und Zug unter Beweis zu stellen.
Herausgeberin und Betreiberin von «zentral+» ist der Verein «Medien, Meinungen, Vielfalt» (MMV.AG). Damit reagiert er auf Klagen in der Bevölkerung, die «Neue Luzerner Zeitung» (NLZ) habe sich zu einer trägen Monopolzeitung entwickelt. Mit fünf Kopfblättern deckt sie die ganze Innerschweiz ab. Die Ausgaben für die jeweiligen Kantone (Zug, Uri, Schwyz, Nidwalden, Obwalden) erhalten für ihren Kanton Platz, alle anderen Rubriken der Zeitung kommen aus Luzern. Mit der Region vertraute Branchenkenner kritisieren, die NLZ biete nur noch Einheitsbrei, sei oberflächlich und stehe für einen Journalismus ohne Leidenschaft. Stimmen aus dem nicht bürgerlichen Lager behaupten, sie fänden in den Spalten der NLZ kein Gehör.
Ex-NZZ-Cheredaktor Hugo Bütler unterstützt Projekt
»Wir können die NLZ nicht konkurrieren aber Farbe in die Medieneinöde bringen,» meint Nick Mijnssen im Gespräch. Der Gründer und Präsident der MMV Online AG gibt sich bescheiden: «Wenn wir mit unserem Auftritt die NLZ zwingen, besser zu werden, dann haben wir schon viel erreicht.» Mijnssen, der sich selber immer wieder auch journalistisch betätigt hat, ist einer der Erben des Zuger Industriekonzerns Landis + Gyr und hat die Aufbauphase des Medienprojekts mit rund 200’000. Franken finanziert.
Zu den prominenten Stimmen, die «zentral+» öffentlich unterstützen, gehört auch Hugo Bütler. Der ehemalige Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung outet sich damit auch als Kritiker der NLZ, die zur NZZ-Medien Gruppe gehört. «Wir nehmen die Kritik unserer Leser ernst und begrüssen jedes neue Angebot. Gesunde Konkurrenz belebt», erklärt Bettina Schibli, Sprecherin der NZZ-Medien.
Start ist gelungen – aber wie gehts weiter?
Nach einer mehr als zweijährigen, laut Insidern manchmal mühsam verlaufenen Vorbereitungsphase, ist der Start von «zentral+» gelungen. Wie steht es aber um den langen Atem des neuen Internetportals ? Das jetzt nur vier Personen umfassende Redaktionsteam soll bald aufgestockt werden. Wünschenswert wären einmal insgesamt zehn Redaktionsstellen, meint die Co-Chefredaktorin Yvonne Anliker. Die 31-jährige Schwyzerin war zuvor stellvertretende Chefredaktorin des NLZ Kopfblattes «Neue Zuger Zeitung». Eine aus Luzern stammende Co-Leitung ist noch unbesetzt. Bei «zentral+» werden auch Beiträge von freien Mitarbeitern veröffentlicht , für deren Honorare jährlich 100’000 Franken bereit gestellt wurden.
Mehr über das Budget will der Geschäftsleiter Christian Hug nicht verraten. Vorerst können die User die Inhalte kostenlos anschauen. Finanziert werden soll die Plattform durch Werbeeinnahmen, Beiträge des Vereins MMV (Jahresmitgliedschaft für 150 Franken) und Sponsoring. Unter Sponsoring, der wahrscheinlich wichtigsten Einnahmequelle für «zentral+», versteht Nick Mijnssen Beiträge von Stiftungen, Organisationen und Privaten.
Konzentration und Monopolbildung schreiten voran
Luzern und Zug, das Haupteinzugsgebiet von «zentral+», gehören zu den Regionen der Schweiz, in denen eine Zeitung den Markt beherrscht mit Reichweiten, die über 50 Prozent liegen. Das beunruhigende Ausmass der Konzentration und Monopolbildung in der Schweizer Medienlandschaft hat den Bundesrat in einem 2011 erschienen Bericht zur Feststellung veranlasst: «Es besteht Anlass zur Befürchtung, dass das freie Spiel der Marktkräfte allein das erwünschte Resultat einer vielfältigen, qualitativ ausreichenden Medienlandschaft nicht zu gewähren vermag.»
Inzwischen erscheint in Basel die «TagesWoche», online und gedruckt. In Bern gibt es seit kurzem die Internetzeitung «Journal B». Beide werden von Roche-Erbin Beatrice Oeri als Mäzenin unterstützt. Jetzt beginnt mit «zentral+» ein weiterer spannender Test, ob es in einer von einem Medienmonopol dominierten Region für eine alternative Stimme überhaupt noch Platz gibt. Oder, ob es mindestens gelingt, wie Nick Mijnssen meint, «in die Medieneinöde etwas Farbe zu bringen».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine