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Paddy Kälin zu Dominik Lobalu: «Zum Abschluss noch ein kleines Tänzchen? Ein bisschen tanzen?» © SRF

Tanz, Lobalu, tanz für uns!

Marco Diener /  Die SRF-Interviews an den Leichtathletik-Europameisterschaften waren ein Ärgernis. Dominic Lobalu musste auch noch vortanzen.

Der Höhepunkt kam an den Leichtathletik-Europameisterschaften am Schluss – der Höhepunkt an Peinlichkeiten. Dominic Lobalu hatte eben erst die Goldmedaille über 10’000 Meter gewonnen und gab Paddy Kälin im Fernsehen SRF ein Interview.

Am Schluss des Interviews fragte Paddy Kälin: «Zum Abschluss noch ein kleines Tänzchen?» Lobalu begriff nicht. Kälin insistierte: «Das Dominic-Lobalu-Tänzchen?» Lobalu verstand noch immer nicht. Kälin verlangte noch einmal: «Ein bisschen tanzen? Können wir das noch einmal sehen, zum Abschluss?»

Der Hintergrund: Dominic Lobalu hatte am Samstag schon die Bronzemedaille über 5000 Meter gewonnen. Es war seine erste Teilnahme an grossen Meisterschaften. Und daher auch seine erste Medaille. Vor lauter Freude legte er im Ziel ein Tänzchen auf die Tartanbahn. Aber spontan. Und von sich aus. Nicht weil er von einem Sportreporter schon fast dazu genötigt worden wäre.

Dominic Lobalu

Der 10’000-Meter-Europameister kam 1998 im Südsudan zur Welt. Seine Eltern wurden, als er neun war, vor seinen Augen erschossen. Seit 2019 ist Lobalu in der Schweiz. Den Schweizer Pass hat er noch nicht. Erst Mitte Mai erteilte ihm der Internationale Leichtathletik-Verband die Erlaubnis zum Start an den Europameisterschaften in Rom. Ob er auch an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen darf, ist noch offen.

Nachtrag vom 14. Juni 2024: Dominic Lobalu darf nicht für die Schweiz an den Olympischen Spielen teilnehmen, aber für das Flüchtlingsteam. Das hat das Internationale Olympische Komitee entschieden.

Ein Ärgernis

Die Interviews des Fernsehens SRF an den Leichtathletik-Europameisterschaften waren ein Ärgernis. Denn SRF sendete sie zuweilen, wenn gerade wichtige Wettkämpfe liefen. So verpasste SRF wegen eines Interviews beispielsweise den Start zum 1500-Meter-Final der Männer.

Kommt hinzu: Wirklich aufschlussreich sind die Interviews selten. Zum einen, weil die Athleten und Athletinnen unmittelbar nach dem Wettkampf noch ausgepumpt sind und ihre Gedanken noch nicht sortiert haben. Zum anderen, weil sich SRF-Sportreporter häufig nicht verhalten wie Journalisten, sondern aufführen wie Fans.

Zum Beispiel Paddy Kälin, wenn er zu 200-Meter-Läuferin Sarah Atcho sagte: «Ich drücke alle Daumen.» Zu 400-Meter-Läufer Lionel Spitz: «Unbedingt so dran bleiben und genau so weitermachen!»

Tessiner Kollegen machen’s besser

Offenbar fehlt es bei SRF an Fachwissen bezüglich Leichtathletik. Die Tessiner RSI-Kollegen verzichteten auf Interviews, glänzten aber mit Informationen für Laien wie für Fachleute. Auf SRF dagegen ging es vor allem um «Emotionen», um die «Atmosphäre», welche die Athleten und Athletinnen «aufsaugen». Paddy Kälin zur Stabhochsprung-Europameisterin Angelica Moser: «Haben Sie schon gemerkt, was dort auf der Tribüne abging – bei den Eltern, bei den Trainern? Haben Sie das schon aufsaugen können?»

Paddy Kälin sprach mit Angelica Moser auch über deren schwere Verletzung vor drei Jahren. Damals war ihr im Training das passiert, was jeder Stabhochspringer, jede Stabhochspringerin am meisten fürchtet. Der Stab brach, und sie fiel in den Einstichkasten.

Die Folge waren Lungenverletzungen, Muskelfaserrisse und ein Arm, den sie lange nicht mehr spürte. Kälin zu Moser: «Ich meine, das war ja nicht einfach eine Verletzung wie – ich sage jetzt etwas – eine Zerrung oder ein Schienbeinbruch. Ich meine: Wow!»

Was an so schweren Verletzungen «Wow!» sein soll, verstanden wohl weder die Zuschauer und Zuschauerinnen noch Angelica Moser.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Medien: Service public oder Kommerz

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3 Meinungen

  • am 13.06.2024 um 13:03 Uhr
    Permalink

    Danke für diesen Artikel!
    Padi Kälin war mir an anderer Stelle, als er einen Atleten auf sein Aussehen (Brille und Mütze) «als der sieht schon komisch aus unter all den anderen Atleten» verurteilt hat!!! Für mich ist Pädi Kälin als Interviewer und Komentator eine Zumutung!!!
    Wenn dann noch fehlendes Fachwissen dazu kommt, da ist alles gesagt.

  • am 13.06.2024 um 14:11 Uhr
    Permalink

    Herr Kälin war an diesem Meeting der total falsche Mann. Seine z.T respektlose und erniedrigende Kommentare fielen wie ich hörte einigen TV-Zuschauer auf, selbst musste ich bei einigen Interview den Sender wechseln. Wenn Herr Kälin das als sauglattismus meinte, hatte er diesmal den falschen Job. Die SRG sollte mal diesbezüglich über die Bücher.

  • am 13.06.2024 um 22:10 Uhr
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    Ja dieser positive Rassismus. Gut gemeint aber eben trotzdem entlarvend, wie sehr wir noch in diesem strukturellem Rassismus gefangen sind. Den Journalisten verurteile ich deswegen nicht. Gegen solche Peinlichkeiten helfen Bildung durch Fachbücher gegen Rassismus. Sehr gut, dass Infosperber da richtigerweise sensibel ist.

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