Trau, schau, wem! (Peggy_Marco)

Störfaktor Staatsmedien

Rainer Stadler /  Von Regierungen finanzierte Medien sorgen öfters für aussenpolitische Spannungen. Das müsste nicht sein.

Kürzlich ist ein Buch über «RT Deutsch» erschienen. Der Journalist Daniel Lange blickt darin hinter die Kulissen des von Russland finanzierten Medienkanals. Er will aufzeigen, «welche Gefahr von der dort als ‹Journalismus› verpackten Manipulation und Meinungsmache ausgeht». So steht es in einem Ankündigungstext, der auf Amazon.de zu lesen war. Der Internet-Händler vermerkte jedoch in einem Kasten: «Derzeit nicht verfügbar. Ob und wann dieser Artikel wieder vorrätig sein wird, ist unbekannt.» Inzwischen ist auch diese Information verschwunden. Das Buch existiert bei Amazon nicht mehr.

Die «Bild»-Zeitung nannte einen Grund für die Lücke im Amazon-Büchergestell. «RT» habe eine Frankfurter Anwaltskanzlei damit beauftragt, den Handel mit dem Buch zu stoppen, heisst es im Artikel des Blatts. Es handelt sich nicht um den ersten Versuch, «RT Deutsch» der Propaganda zu überführen. Bereits vor fünf Jahren hatte sich ein Reporter des 2018 eingestellten Magazins «Neon» bei der Redaktion eingeschlichen. Der Text ist online nicht verfügbar, jedoch findet man ein Interview des Reporters mit dem Online-Magazin «Telepolis», welches seine Beweisführung hinterfragt.

Russland protestiert

Vor einer Woche geriet «RT Deutsch» erneut in die Schlagzeilen. Das russische Aussenministerium sagte der Nachrichtenagentur DPA: «Wir rufen mit vollem Ernst dazu auf, ein normales Funktionieren von RT zu gewährleisten.» Andernfalls müssten die in Russland arbeitenden deutschen Medien mit Gegenmassnahmen rechnen. Putins Aussenministerium beklagt sich, dass Banken von deutschen Behörden gedrängt würden, RT die Eröffnung eines Geschäftskontos zu verweigern. Diesen Vorwurf wies der deutsche Aussenminister Heiko Maas zurück. Zudem sei Pressefreiheit keine Verhandlungsmasse.

Staatlich finanzierte Sender geraten regelmässig zwischen die aussen- und innenpolitischen Fronten. Am 13. März nahm die algerische Regierung den von Frankreich finanzierten Sender «France 24» ins Visier und drohte mit dem Entzug der Akkreditierung. Der französische Kanal hatte über die Protestbewegung Hirak berichtet, was die algerische Regierung als subversive und feindliche Aktion bezeichnete.

Eine hohe Busse wegen Skripal-Bericht

Da Russland in der Berichterstattung seit einiger Zeit die Rolle des digitalen Meisterpropagandisten innehat, rückt RT häufig ins Zentrum des Interesses. In Grossbritannien wurde der Sender im Jahr 2018 wegen Verstosses gegen die Pflicht zur unparteilichen Berichterstattung im Fall des Giftanschlags auf Sergei und Julija Skripal gar zu einer Busse von 200 000 Pfund verurteilt.

Im Herbst 2017 gab RT dem Druck der amerikanischen Regierung nach und registrierte sich in den USA als «ausländischer Agent», also als interessengebundenes Organ. Die Antwort aus Moskau kam bald: Drei Wochen später stufte das russische Justizministerium neun amerikanische Medienerzeugnisse als «ausländische Agenten» ein, unter ihnen die von den USA finanzierten Radio Free Europe und Voice of America.

Globaler Wettbewerb um Meinungen

Nach dem Mauerfall und der darauffolgenden Globalisierung der Kommunikation ergriffen zahlreiche Regierungen die Initiative und investierten in Medienbetriebe, welche weltweit die Sichtweise ihrer Länder einem internationalen Publikum verständlich machen sollten. Mehr oder weniger direkt erfüllen diese Kanäle auch aussenpolitische Zwecke. Bereits während des kalten Kriegs nahmen Kurzwellenradios solche Aufgaben wahr. Die Satellitentechnik und das Internet erweiterten dabei die Möglichkeiten erheblich. Der Golfstaat Katar nutzte die Chancen relativ früh und gründete 1996 al-Dschasira. Erstmals bekam damit ein nicht-westlicher Kanal eine überregionale Bedeutung im Kampf um die Deutungshoheit in geopolitischen Konflikten – sehr zum Unwillen der US-Regierung; 2004 erwog Präsident George W. Bush einen Angriff auf den Sender.

Im globalen Wettbewerb um Meinungen und Wahrnehmungen haben seither andere Staaten aufgeholt. Auch China investiert in mediale Schaufenster fürs ausländische Publikum, unter anderem in Grossbritannien. Vor zwei Monaten entzog jedoch die dortige Medienaufsicht Chinas englischsprachigem Dienst von CGTN die Lizenz – dies mit der Begründung, staatlich kontrollierte Sender seien nicht zulässig.

Lizenzen für Staatsmedien?

Wer nicht nur einen Online-Kanal betreiben, sondern auch in den klassischen Fernsehmarkt eindringen will, ist in europäischen Staaten mit der herkömmlichen Medienregulierung konfrontiert. Er braucht also eine Lizenz. So auch in Deutschland, wo RT an einer Lizenz interessiert ist. Eine staatliche Finanzierung ist in diesem Land ebenfalls nicht erlaubt. Eine solche Vorgabe kann man allerdings umgehen, indem man in einem anderen, weniger restriktiven europäischen Land eine Bewilligung einholt. Dies tat der chinesische Kanal CGTN, der nun via Frankreich in allen Staaten, die das Fernsehvertragswerk des Europarats unterschrieben haben, aktiv sein darf.

Journalistische Unabhängigkeit zählt zu den Grundwerten demokratischer Staaten. Entsprechend wecken Staatssender Argwohn. Europäische Länder geraten allerdings in Argumentationsnot, wenn sie Medienangebote autoritärer Regierungen wegen deren staatlicher Finanzierung verbieten wollen. Denn die hiesigen Auslandsender leben ebenfalls von öffentlichen Geldern. Und die Service-public-Medien sind durch staatliche Vorgaben gebunden. Zwar gibt es institutionelle Vorkehren, welche die publizistische Autonomie der Redaktionen sichern sollen. Die Grenzen zwischen öffentlichen und staatlichen Medien sind allerdings fliessend.

Mündige Konsumenten

In diesem Sinn sollten freiheitliche Staaten die Kraft der aufklärerischen Tradition nutzen und darauf vertrauen, dass mündige Konsumenten in der Lage sind, glaubwürdige von unglaubwürdigen Informationen zu unterscheiden – unabhängig davon, auf welchen Plattformen diese zu finden sind. Wenn Demokratien ausländische Staatmedien tolerieren, können sie bei deren autoritären Regierungen auf Gegenrecht pochen: auf freien Zugang zum Publikum in diesen Staaten. Das bleibt natürlich meist illusorisch. Autoritäre Regierungen fürchten offene Gesellschaften. Das ist letztlich ein Zeichen von Schwäche.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Business_News_Ausgeschnitten

Medien: Trends und Abhängigkeiten

Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

7 Meinungen

  • am 28.03.2021 um 15:04 Uhr
    Permalink

    Warum wundern wir uns bei den Medien eigentlich noch darüber, das sie und Leser/Zuschauer/Zuhörer mit allen möglichen Mitteln manipulieren?
    Warum kritisieren wir Russland wegen Manipulationen, wenn es die westlichen Länder Tag für Tag auch tun? Niemand in den Westlichen Ländern würde lange eine kritische Haltung zu den USA durchhalten können, weil genügend Macht vorhanden ist, nicht nur einzelne Journalisten mundtot zu machen, sondern auch ganze Zeitungen «verschwinden» zu lassen – oder verständlicher formuliert: Kaufen und Schließen. Dazu noch ein paar «gutgemeinte Hinweise» an andere Zeitungen, die die hier arbeitslosen Journalisten sicher nicht mehr anstellen werden.
    Wäre es nicht auch an dieser Stelle fair, sich alle Seiten anzusehen, also verschiedene Blickwinkel einzunehmen, damit es zu einer Lagebeurteilung kommt, die die tatsächliche Situation in der Medienlandschaft aufzeigt?
    Das die US Regierungen allesamt Schlitzohren waren und noch sind, ist doch nun wirklich kein Geheimnis; ebensowenig, das die USA es mit den Menschenrechten nicht ganz so eng sehen, aber Russland und China dafür medial lynchen. Ich vermisse bei den Konsumenten dieser Medien das kritische Denken und Hinterfragen der Behauptungen, denn gerade die USA haben derart viel Dreck am Stecken, das einem ganz anders zumute wird.
    https://www.westendverlag.de/buch/die-weltbeherrscher-2/
    Neutrale Artikel haben den Vorteil, beide Seiten unverblümt darzustellen und damit glaubwürdig zu bleiben.

  • am 28.03.2021 um 15:34 Uhr
    Permalink

    Die übermächtigen ‹privaten› Print- u. TV- Medienkonzerne, wie der von Rupert Murdoch sind eine viel grössere Gefahr für den Weltfrieden und die verschiedenen Formen natürlicher Grundlagen für menschliches Leben.
    Trau schau wem, besonders wenn der Frame vom angeblich «mündigen Konsumenten» bemüht wird.

    Vieles was unter dem Frame «freie Meinung» verkauft wird, ist doch eher übleste Hetze auf Andersdenkende.

  • am 29.03.2021 um 14:12 Uhr
    Permalink

    >>»Da Russland in der Berichterstattung seit einiger Zeit die Rolle des digitalen Meisterpropagandisten innehat, rückt RT häufig ins Zentrum des Interesses.»
    Ein solcher Satz rückt in meinen Augen den ansonsten geschätzten Infosperber in den Bereich der auf dem westlichen Auge blinden pro-USA Medien?

  • am 30.03.2021 um 20:17 Uhr
    Permalink

    Sehr geehrter Herr Stadler,
    nach Lektüre Ihres Art. kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die selbsternannten westl. «Demokratien» (alt. auch «intern., Staatengemeinschaft») gar keine Staatsmedien benötigt, die privaten und, wie man sieht, auch einige sogenannte freien Medien erfüllen die ihnen zugewiesene Aufgabe, die Narrative der hierzulande Herrschenden zu verbreiten nahezu perfekt.
    Der «Journalist» D. Lange soll interne E-Mails veröffentlicht haben, unabhängig davon, ob sie seine Vorwürfe bestätigen oder nicht. Es wäre angebracht gewesen hier bei RT nachzufragen, also auch die Gegenseite anzuhören, wie es jeder seriöser Journalist tun sollte.
    Die angebl. Recherche des «NEON-Reporters» habe ich schon vor 2 Jahren zum Teil gegenrecherchiert, konkret das eine von den Interviewten als Fake-News deklarierte Bsp.. Ich fand den Art. bei von RT. Es handelte sich um einen Gastbeitr. des CDU-Bundestagsabgeordneten W. Wimmer. Ich habe auch nach der darin enthaltenen angeblichen Falschbehauptung gegooglet und fand die Bestätigung von Wimmers Behauptung in Form eines BVfG-Urteils.
    Die Commerzbank (15% Bundesbet.) hatte das RT-Konto fristlos gekündigt, nachdem RT angekündigt hatte, wie die Deutsche Welle schon seit Jahren, Ende 21 ein Fernsehprogramm zu starten. Die DW hatte 2016 in Russland zum Wahlboykott aufgerufen und danach öfters zu nicht genehmigten Demos.
    Auch GB hatte schon RT-Konto gekündigt, BBC Russia hatte allerdings Konten bei der russischen SBER-Bank. Ende wg. Begr.

  • am 2.04.2021 um 11:04 Uhr
    Permalink

    Lieber Russland-Freund – Da würde ich doch gerne etwas genauer wissen, ob die Deutsche Welle zum Wahlboykott 2016 aufgerufen hat oder einen Dissidenten befragte, der sich für einen Boykott einsetzte. Das macht für Sie als RT-Konsument wahrscheinlich keinen grossen Unterschied, ist es aber journalistisch schon. Wenn beispielsweise Karin Wenger (SRF-Südostasien) einen Burma-Oppositionellen befrägt, und er den Bürgerkrieg als letzte Chance begreift, um die von Russland und China gestützte menschenverachtende Militärjunta zu stürzen, ist die kein Aufruf des SRF zum Bürgerkrieg.

  • am 3.04.2021 um 02:28 Uhr
    Permalink

    Lieber NATO-Freund,
    habe gerade mal in Google nach der Sache («Aufruf zum Wahlboykott») gesucht.
    Google bietet als erstes einen Artikel von RT deutsch an. Demütig habe ich die Seite aufgerufen und den dort eingefügten Link auf die entsprechende Seite der Deutschen Welle..
    Leider kommt die Kommentarfunktion vom Infosperber nicht mit den kyrillischen Buchstaben in der Linkadresse klar. Ich weiß auch nicht ob Infosperber Links auf RT-Seiten akzeptiert.
    Aber es dürfte ja ein Kinderspiel sein mit den Google (oh sorry, Bing)-Stichwörtern «deutsche welle wahlboykott» den Titel aufzurufen.
    Sieht dies wie das Zitieren eines Dissidenten aus oder eher wie ein «hilfreicher» Ratgeber?
    Haben Sie andere Quellen? Bin offen für dieses widersprechende Fakten.
    Sie haben mich aber motiviert, weiter zu graben Und siehe da ein Youtube-Video von RT deutsch (ab min 1:16): https://www.youtube.com/watch?v=HLzW1eRemCY&ab_channel=RTDE.
    Können Sie als DW-Experte bitte ausdrücklich dementieren, dass DW (nur Russia natürlich) Anschluss bei den Querdenkern sucht?
    Freue mich schon auf Ihre Antworten.
    Bis dahin noch ein frohes Osterfest!

  • am 13.04.2021 um 15:43 Uhr
    Permalink

    Rainer Stadlers Beitrag fand ich insgesamt gut ausgewogen. Der Schluss war kurios:
    «Wenn Demokratien ausländische Staatmedien tolerieren, können sie bei deren autoritären Regierungen auf Gegenrecht pochen: auf freien Zugang zum Publikum in diesen Staaten. Das bleibt natürlich meist illusorisch. Autoritäre Regierungen fürchten offene Gesellschaften. Das ist letztlich ein Zeichen von Schwäche.»
    Auf die russische Regierung kann sich das ja nicht beziehen, die Deutsche Welle hat Zugang zum russischen Publikum. Warum also diese bemühte Einteilung in wir, die «Demokratien», einerseits und die anderen, die»autoritären Regierungen», andererseits – so als ob Staaten nicht zugleich demokratisch verfasst sein und von Politikern mit autoritären Gelüsten regiert werden könnten (im Westen und im Osten)?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...