So suchen und finden einander die Rechtsextremen und Neonazis
Da lese ich, wie so oft unterwegs im Ausland, die NZZ statt auf Papier einfach online, und ich freue mich zu lesen, dass meine ehemalige Kollegin Anne Keller Dubach jetzt Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft und damit des Kunsthauses geworden ist.
Doch dann der Schock! Mitten im Text erscheint eine Anzeige für Kleider einer Versandhandelsfirma «Cotosen» aus den Niederlanden, deren Produkte an jene widerlichen Kleidungsstücke erinnern, die in Neonazi-Kreisen getragen werden. Und viele der Jacken und Hosen, die unter «Retro Outdor» oder «Tactical Style» angeboten werden, tragen die Ziffer 8.
Die Zahl 88 ist ein Emblem der Neonazis, denn der Buchstabe H ist der achte Buchstabe im Alphabet und 88 heisst also HH wie «Heil Hitler». Auch andere halbe Nazi-Symbole findet man auf diesen Kleidern von «Cotosen», halbe, weil die ganzen zum Beispiel in Deutschland verboten wären.
Also starte ich bei der Firma «Cotosen» in den Niederlanden eine Medienanfrage, was denn die Ziffer auf ihren Kleidern zu bedeuten habe. Doch dort will man meine Frage nicht verstehen, und fragt auch beim zweiten Versuch nach der Bestellnummer, auf die sich meine Frage beziehe.
Also starte ich eine Medienanfrage beim Kundendienst der NZZ, ob sie damit einverstanden sind, dass in ihrer Online-Ausgabe für Neonazi-nahe Produkte Werbung gemacht wird. Die Antwort kommt von der Anzeigenabteilung Audienzz: Man könne keine Verbindung dieser Produkte zu Neonazi-Kreisen erkennen.
Dass Kleidungsstücke und Tatoos mit Neonazi-Symbolen in der Ukraine an der Tagesordnung sind und auch in anderen mittelosteuropäischen Ländern angeboten werden, darüber hat Infosperber am 5. Januar 2020 informiert (hier anklicken). Aber in der Schweiz – und sogar in der NZZ?
Rechtsextreme und Neonazis wissen die Verbote geschickt zu umgehen, indem sie z.B. nur die Hälfte eines Symbols zeigen, manchmal dafür zweimal, einfach nicht nebeneinander. Das zackige Doppel-S, das für die SS zu Hitler-Zeiten steht und zum Beispiel auch im Wappen des ukrainischen Bataillons Asov gezeigt wird (jener privat finanzierten Armee, in der – zwischenzeitlich mehrfach bestätigt – auch der weissrussische «Freiheitsheld» Roman Protasewitsch gedient hat), ist zum Beispiel in Deutschland verboten. «Cotosen» nimmt das Emblem einfach auseinander und zeigt die eine Hälfte am vorderen Ende des einen Jackenärmels und die andere Hälfte am vorderen Ende des anderen Jackenärmels, siehe das Bild aus dem Versand-Katalog:
Oder aber die Symbole werden stark stilisiert. Man beachte das Aufmacherbild oben: Ein Shirt der Linie «Tactical» der Kleider-Versandhandelsfirma «Cotosen», für die auch die NZZ mitten in ihren Online-Texten Werbung macht: In der Mitte sieht man das Hakenkreuz, clever stilisiert, aber für Angehörige der Szene sofort erkennbar. Und links und rechts davon je eine stilisierte 8, zusammen also 88 oder eben «Heil Hitler».
Im Ringier-Konzern hatten, damals unter dem legendären Direktionspräsidenten Heinrich Oswald, die Chefredaktoren das Recht, missliebige Anzeigen zu verbieten. Tempi passati. Heute sind in den Medien die Werbe-Verantwortlichen mächtiger als die Redaktionen. Aber vielleicht gibt es in der NZZ-Redaktion trotzdem noch einen Journalisten oder eine Journalistin, die wissen, was Hitler mit der SS und der SA im Zweiten Weltkrieg angerichtet hat. Da wäre dann eine Nachhilfestunde in Geschichte für die Anzeigen-Verantwortlichen kein Luxus.
«Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus»
sah der von den Faschisten verfolgte Emigrant Ignazio Silone unser Heute voraus.
Provoziert durch diesen Beitrag, habe ich eine Mini-Internetrecherche gestartet. cotosen.com ist offenbar kein Produzent, sondern ein Verkäufer von Outdoor-Männerbekleidung. «Mehr als 140.000 Artikel auf Lager. Über 500 der besten Outdoor-Marken», sagt die Website. Zur «8». Wahrscheinlich bedeutet das «eightball» (urbandictionary.com: eighth of an ounce (3.5 grams) most commonly referring to coke) – cotosen.com vertreibt auch eine Art Siegelring mit dem gleichen Logo wie auf Hosen und Shirts https://www.cotosen.com/search/?words=8 (man vergleiche Bildersuche bei Google mit Suchbegriff «eightball») Es gibt auch eine Billardvariante Eightball. Das ist alles Macho und nicht besonders schlau. Aber man muss sich wirklich wahnsinnig anstrengen, will man Neonazitruppen dahinter sehen. Interessant der Schlenker zu den Neonazis, die offenbar die Ukraine beherrschen, und zu Protasewitsch. Beide haben mit dem Hauptthema des Beitrags eigentlich nichts zu tun.
Wäre schön, wenn der Autor Ch. M. bei den Putin-Trolls auch so genau hinschauen würde wie bei seinen Entdeckungsrecherchen über mikroskopische Nazi-Symbole.
@ Reinhard Meier: Über die negativen und problematischen Verhältnisse in Russland schreiben und reden Hunderte von Zeitungen und andere Medien noch so gerne und jeden Tag. «Infosperber sieht, was andere übersehen»: Um diesem Anspruch unserer Info-Plattform gerecht zu werden, schreibe ich eben über Männerbrust-grosse Neonazi-Embleme, die von der Öffentlichkeit – weil «mikroskopisch» klein – eben übersehen werden. Ch.M.
Dass die NZZ auf dem rechten Auge blind ist, wissen wir eigentlich spätestens, seit René Scheu das Feuilleton zum rechten Propagandakanal umfunktioniert hat, wo jetzt Gesinnungsgenossen auf Kosten der seriösen Kulturberichterstattung den zehntausendsten Artikel gegen eine «linke Korrektheit» schreiben.
Zu diesem Problem ist insbesondere eine Frage von besonderer Bedeutung. WAS ist Nationalsozialismus ? Da gab es eine «Bewegung» unter einem Herrn Hitler, der zur Macht kommen wollte. Er bediente sich dazu vieler Lügen und politischer Tricks. So nannte er seine Partei NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei !
Kann mal Jemand wissenschaftlich untersuchen, was an diesen Worten Tatsache ist und was Lüge. Fakt ist, dass die deutschen Faschisten weder NATIONAL waren – sonst hätten sie ihr Land nicht total der Vernichtung hingegegeben – sie waren in keiner Phase SOZIALISTISCH – denn die ökonomische Macht hatte zu jeder Zeit das Großkapital und war auch Nutznießer des Krieges – und erst Recht, waren sie keine ARBEITERPARTEI !
Welchen Grund soll es haben, diese LÜGEN von Verbrechern weiter zu verwenden? Da wird immer von NS-System, vom Nationalsozialismus etc. geredet – aber real waren es perfiede, perverse, verbrecherische Faschisten – und nichts anderes. Dass dieser Staat BRD, so wie die westliche «WERTE»-Gesellschaft, «NS» verwendet, ist mehrfach erklärbar. Zum Einen lenkt es davon ab, dass das Großkapital und auch viele aus dem Ausland, einschließlich den USA, mit Faschisten zusammen gearbeitet haben, sie finanziert und Groß gemacht haben. Es waren ja nur Nationalsozialisten – keine Faschisten. Zum Anderen stützt es den perfieden Trick, dem Sozialismus eine Nähe zum Faschismus zuzuweisen — und JEDER der dieses WORT «NS» weiter verwendet, stützt diese Politik!
Man beachte übrigens die Ornamente der Einfassung der Beschriftungstafel «Bellevue» beim gleichnamigen Schloss in Berlin, dem Sitz des Bundespräsidenten. Auch ohne Lupe erkennt man dort 14 Hakenkreuze. Und in der Buchstabensuppe gibt es auch so manches zu entdecken …
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Ich sehe das Problem nicht so krass, scheint mir alles etwas an den Haaren herbeigezogen. Dumm ja, aber gefährlich eher nicht.
Bei den Kommentaren sehe ich viel Verharmlosen des. Das zeigt mir fehlende Geschichtskenntnis. Diese Verharmlosung führte auch zum. dritten Reich.
@ Bernd Bartoll (Antwortbutton funktioniert leider nicht) – Es war nicht die «Verharmlosung», die zum Dritten Reich führte, sondern eine schreckliche Wirtschaftskrise. Die heutigen Rechtsextremen zeichnen sich vor allem aus durch Abwehrhaltung und Vergangenheitsnostalgie – sie repräsentieren keinesfalls einen «Aufbruch in eine neue Zeit», wie es damals wohl wahrgenommen wurde. Auf diese Unterschiede wird bei historischen Vergleichen nach meiner Auffassung zu wenig hingewiesen.