Schwedens transparente Medienförderung
Die Ankündigung des Medienkonzerns TX Group, bald deutlich weniger in den Journalismus zu investieren, sorgte für einen Aufschrei. Der Konzern wendet sich klar von der gedruckten Zeitung ab. Namentlich aus dem Lokalen und Regionalen ziehen sich die Tamedia-Zeitungen weiter zurück. Die Konkurrentin CH Media ist damit in der Innerschweiz vorangegangen. In Zürich wurde gleichzeitig bekannt, dass die Familie Blocher vier Quartierzeitungen kaufte.
Dass sich diese Konzernbeschlüsse auf die Demokratie auswirken, ist unbestritten. Deshalb soll jetzt die Politik eine zeitgemässe Medienförderung verabschieden, tönt es durchs Land. Noch vor zweieinhalb Jahren wurde ein 150 Millionen schweres Massnahmenpaket zugunsten der Medien an der Urne abgelehnt.
Über Medienförderung wird diese Woche auch im Parlament nachgedacht. Allerdings nur zurückhaltend und zögerlich. Es bastelt derzeit an einem Flickenteppich aus verschiedenen Fördermassnahmen, über die einzeln befunden wird. Temporär soll der Zeitungsversand stärker unterstützt werden.
Erst wenn diese indirekte Unterstützung in sieben Jahren ausläuft, sollen Medien direkt Geld für Onlinejournalismus erhalten. Dies ist ein Vorschlag aus dem Bericht «Strategie für eine zukunftsgerichtete Medienförderung». So «zukunftsgerichtet» ist sie offensichtlich nicht. Denn überspitzt formuliert rettet Bern ein veraltetes Mediensystem in die Zukunft.
Direkte Medienförderung: in Schweden unbestritten
Wie eine zeitgemässe Medienförderung aussehen könnte, zeigt ein Blick nach Schweden. Seit diesem Jahr fördert das grossflächige 10-Millionen-Land Medien auf neue Art technologieunabhängig. Das funktioniert nicht reibungslos. Aber es funktioniert.
Das ist nicht selbstverständlich, denn auch Schweden durchlief einen schwierigen politischen Veränderungsprozess. Seit den 1960er-Jahren kennt das Land die direkte Presseunterstützung. Damit sollten insbesondere Medientitel auf dem Land erhalten bleiben und publizistisch wetteifern.
Wer Geld vom Staat erhalten wollte, musste einem ausgeklügelten Kriterienkatalog entsprechen. So waren die jeweiligen Marktführer zum Beispiel nicht unterstützungsberechtigt. Wer die Kriterien erfüllte, bekam aber auch garantiert Geld. Je mehr Medien also förderungswürdig waren, desto mehr musste der Staat für Medienförderung ausgeben.
Diese «Betriebsunterstützung» war einigermassen ausgewogen und schützte die Verlage gut vor staatlicher Einflussnahme. Es machte sie aber auch bequem. Zwar konnten zuletzt auch reine Onlinemedien Geld erhalten, wenn sie die Kriterien erfüllten.
Aber Printmedien mussten sich nicht zwingend mit dem Online-Lesermarkt auseinandersetzen, um Geld zu erhalten. Ähnlich wie in der Schweiz wurde kritisiert, dass der Staat mit seinen Subventionen ein altes Mediensystem künstlich am Leben erhält, statt sich der digitalen Gegenwart zu stellen.
Die Wende zur Redaktionsunterstützung
Letzten Herbst vollzog Schweden unter der bürgerlichen Regierung eine Wende. Anders als in der Schweiz waren sich alle Parteien einig, dass das Land eine direkte Medienförderung braucht. Doch die Regierung wollte die Grösse des Medienförderungstopfs begrenzen. Deshalb kritisierte die Linke die Reform auch als versteckte Kürzungsmassnahme und Abbau der Vielfalt. Die Mitte-Rechts-Mehrheit setzte sich im Parlament aber durch.
Neu kennt Schweden drei Arten der Medienförderung:
- Unterstützung der eigentlichen Redaktionsarbeit
- eine erweiterte Redaktionsunterstützung (für schlecht abgedeckte Gebiete und Minoritätsgruppen)
- eine Zustellungsunterstützung für gedruckte Medien
Hinzu kommt in nächster Zeit eine Übergangsunterstützung für Medien, welche im neuen System keine Redaktionsunterstützung mehr erhalten. Es ist jetzt nämlich komplizierter, einen Teil der Milliarde Kronen (gut 80 Millionen Franken) zu erhalten – und der Prozess unberechenbarer.
Der Kriterienkatalog ist umfangreich. Ein förderungswürdiges Medium muss regelmässig erscheinen, für sein Erscheinungsgebiet relevanten Inhalt bieten und zu mindestens 45 Prozent aus redaktionellem Inhalt bestehen. Zu reden gaben vor allem schwammig formulierte Anforderungen. So muss ein Medium neu auch eine «gute Nutzerverankerung» vorweisen. Dies wird über eine Mindestanzahl regelmässiger User oder Abos definiert. Zudem muss es zur «primären Aufgabe haben, laufend relevante Neuigkeitenvermittlung zu betreiben».
Die Kriterien
- Allgemeines News-Medium. Dazu gehören detaillierte Anforderungen an Erscheinungsweise, Umfang und Inhalt. So darf die Publizistik nicht direkt demokratische Grundwerte unterlaufen und muss Freiheit und persönliche Integrität aller Menschen respektieren. Der Berufsverband «Journalistförbundet» kritisierte allerdings dieses Kriterium, weil es eine Inhaltsbeurteilung einschliesst. Allerdings wurde bisher keinem Medium aus diesem Grund Unterstützung verwehrt.*
- Eigener Titel mit selbständigem Hauptprodukt. Dazu gehören Kriterien, welche die Unabhängigkeit von anderen Publikationen garantieren.
- Verantwortliche Herausgeberschaft ist identifiziert
- Schwedische Zielgruppe und gute Zugänglichkeit für Personen mit Einschränkungen
- Regelmässige Erscheinungsweise
- Gute Publikumsverankerung. Dazu gehören detaillierte Kriterien je nach Zielgruppe. Zum Beispiel müssen Medien, deren Berichterstattung einen Raum mit weniger als 20’000 Einwohnenden abdecken, dafür 15 Prozent der Zielgruppe, jedoch nicht weniger als 1500 Personen erreichen.
Menschen entscheiden über Medien
Inwiefern eine Zeitung oder ein Radio diese Kriterien erfüllt, beurteilte diesen Frühling erstmals ein Gremium. Der Ausschuss «Mediestödsnämnden» besteht aus unabhängigen Expertinnen und Experten – darunter zwei Journalisten. Diese werden allerdings von der Regierung gewählt. Das Gremium veröffentlicht nach seinen Sitzungen deren Protokolle.
Über diesen Ausschuss könnte die Staatsmacht am direktesten Einfluss auf Medien nehmen und kritische Berichterstattung abstrafen. Dagegen gibt es gewisse Mechanismen. So können Trägerinnen oder Träger politischer Ämter nicht in den Ausschuss gewählt werden. Doch weil letztendlich die Regierung die Posten besetzt, gibt es keine Garantie gegen politische Einflussnahme. Dies schreibt Tove Carlén, Juristin beim schwedischen Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten auf Infosperber-Anfrage. Sie hält aber klar fest: «Wir sehen heute keine derartige Tendenz.»*
Dies dürfte auch an den ersten Vergaben liegen, welche der Ausschuss im vergangenen Frühling kommunizierte. Gestützt wurden vor allem Lokal- und Regionalzeitungen.
Als Beispiel: Der Falu-Kuriren, das wichtigste Medium in der zentralschwedischen Region Dalarna mit Zeitungsauflage leicht unter 20’000 Exemplaren erhielt fast 600’000 Franken (etwas über sieben Millionen Kronen). Grosse Titel wie Svenska Dagbladet, Aftonbladet oder Expressen erhielten kein Geld, weil sie keinen finanziellen Bedarf nachweisen konnten.
Lautlos ging die Vergabe allerdings nicht über die Bühne. Viele kleinere, national ausgerichtete Medien mit teils auch explizit politischem Profil wie die Parteizeitung der Sozialdemokraten, wurden nicht berücksichtigt.
Für betroffene Medien ist der absehbare Wegfall der Subvention aber auch ein Ansporn. Leonidas Aretakis, Chefredaktor der linken Zeitschrift Flamman gab bekannt, dass er stattdessen deutlich höhere Lesereinnahmen verzeichnen konnte. Die Zeitschrift sei gestärkt worden.
Am schwedischen Modell gibt es aber doch grundlegendere Kritik. Per Hultengård ist Jurist beim schwedischen Verlegerverband Tidningsutgivarna. Als solcher kennt er die Medienförderung sehr gut. Diese sei immer heiss debattiert worden. Hauptkritik sei lange gewesen, dass sie den Wettbewerb verzerre.
«Heute erhalten jedoch mit Ausnahme der grössten Titel praktisch alle Medien staatliche Unterstützung. Damit ist diese Kritik verschwunden. Derzeit wird eher bemängelt, dass das System administrativ aufwändig und schwer zu verstehen ist. Und dass die Unterstützung zu klein ist.»*
Ehrliche Medienförderung
So erscheint der schwedische Approach vergleichsweise ehrlich, gerade weil er nicht reibungslos abläuft. Weil die Reform aus dem bürgerlichen Lager kam, war die Linke sehr kritisch. So ist auch eine echte, sachliche Debatte darüber entstanden, welcher Journalismus staatliche Unterstützung verdient. Worüber muss ein Medium berichten? Wie häufig? Auf welche Art? Die Schweiz scheut derartige Fragen wie ein verkrampfter Teenager.
Mit Schweizer Brille fällt zudem auf: Schweden gibt für die technologieunabhängige Redaktionsunterstützung ziemlich genau gleich viel aus, wie die Schweiz alleine für private Radio- und TV-Sender aufwendet. Mit dieser Subvention aus der obligatorischen Abgabe der Radio- und TV-Gebühren unterstützt die Schweiz bereits zwei Medienzweige. Damit liessen sich gattungsunabhängig jährlich 800 redaktionelle Vollzeitstellen finanzieren.
Während Schweden mit diesem Geld ausdrücklich die Demokratie und Medienvielfalt fördert, sind die Ansprüche an den viel kleineren Kreis der Empfänger dieser Gelder hierzulande tiefer. Allerdings existieren in Schweden kaum lokal ausgerichtete private Radio- oder TV-Stationen.
Schwedens Beispiel zeigt bei allen Diskussionen um die Nichtberücksichtigung einzelner Medien aber vor allem auch: Die Angst vor staatlicher und anderer politischer Einflussnahme bei direkter Medienförderung erscheint hierzulande stark übertrieben. Zumindest solange keine Partei das Land in absoluter Mehrheit regiert. Davon ist auch Schweden noch weit entfernt.
* Der Artikel wurde am 24. und 27. September um die Äusserungen von Tove Carlén und Per Hultengård ergänzt. Die Stellen sind mit Sternen (*) markiert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Grundsätzlich sehr frech, dass das Parlament eine Medien Förderung beraten hat, nachdem der Souverän sich dagegen ausgesprochen hat. Staatliche Gelder für private Medienhäuser sind sehr problematisch. Schon jetzt muss der Bürger für eine einseitige Berichterstattung Geld an die Serafe zahlen. Noch mehr staatlich unterstützte Propaganda brauchts definitv nicht.