Schlechte Argumente gegen die Medienhilfe
Nach der grossen Schlacht um das Covid-19-Gesetz beginnt nun der Abstimmungskampf um das staatliche Hilfspaket für die Medien. Ob die Auseinandersetzung mit substanziellen Argumenten geführt werden wird, ist fraglich. Die FDP hat zur Volksabstimmung am 13. Februar 2022 bereits Stellung genommen. Sie sagt Nein. Einer indirekten Medienförderung spricht sie zwar eine Berechtigung zu. Nun gehe man aber zu weit, weil man Online-Medien direkt fördern wolle. Das sei mit einer unabhängigen Medienlandschaft nicht vereinbar, findet die FDP.
Da diese Argumentation schon öfters in Diskussionen zu diesem Thema aufgetaucht ist, verdient sie eine genauere Betrachtung. Als indirekte Förderung betrachtet man gemeinhin die jahrzehntealten staatlichen Subventionen für die Zustellung von Presseerzeugnissen. Derzeit profitieren davon Regional- und Lokalzeitungen (bis 40 000 Exemplare). Künftig sollen auch die grossen Titel staatliche Hilfe bekommen.
Allerdings sind dafür gewisse Bedingungen zu erfüllen: Die Blätter müssen – so steht es im Gesuchsformular – in privatem Besitz sein, mindestens 39mal pro Jahr erscheinen, einen redaktionellen Anteil von mindestens 50 Prozent haben und kostenpflichtig sein. Es handelt sich also um formale Kriterien, die keine Vorschriften inhaltlicher Art umfassen. Eine staatliche Kontrolle der publizistischen Angebote ist entsprechend ausgeschlossen. Darum spricht man von indirekter Förderung.
Die Vorgaben für Online-Medien
Das neue Gesetz, über das nun abgestimmt wird, sieht auch eine Hilfe für Online-Medienförderung vor. Bedingung dafür ist, dass die jeweiligen Organe einen gewissen Mindestumsatz aus Abonnements bzw. Verkäufen oder Kleinspenden erzielen, dass sie Redaktionelles und Werbebotschaften klar trennen, hauptsächlich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft informieren, auf einer privaten Trägerschaft basieren und ein leicht auffindbares Impressum veröffentlichen. Hinzu kommt – in Anlehnung ans Radio- und Fernsehgesetz – die Pflicht, Angebote für Menschen mit einer Sinnesbehinderung bereitzustellen.
Auch da geht es also nur um formale Voraussetzungen, die keine Taxierung der politisch-weltanschaulichen Ausrichtung eines Organs ermöglichen. Es handelt sich ebenso sehr um eine indirekte Hilfsmassnahme, vergleichbar mit jener der Presseförderung. Wenn die FDP etwas anderes behauptet, verwechselt sie eine liberale Gesinnung mit einer largen Gedankenführung.
Eine gewisse inhaltliche Ausrichtung kann man an zwei Punkten festmachen. So müssen die unterstützten Online-Medien den Jugendschutz beachten; theoretisch könnte man diese Bestimmung missbrauchen, indem der Staat etwas Missliebiges mit dem Argument der schädlichen Wirkung auf Heranwachsende bekämpft. Obwohl es den Jugendschutz bei den elektronischen Medien schon lange gibt, gab es bisher keine Kritik an einem entsprechenden staatlichen Übergriff.
Ferner verlangt das neue Mediengesetz, dass das jeweilige Medienorgan erklären müsse, «nach den in der Branche anerkannten Regeln für die journalistische Praxis» zu arbeiten. Dieser Passus meint faktisch die medienethischen Grundsätze, wie sie der seit fast fünfzig Jahren bestehende Presserat formuliert hat und die in der Medienbranche unbestritten sind. Eine staatliche Kontrolle, ob diese Regeln eingehalten werden, ist nicht vorgesehen. Entsprechend gibt es auch keine Sanktionsmöglichkeiten.
Somms Verschwörungsfantasie
Nur der rein privat organisierte Presserat wacht in Form von Stellungnahmen über die Einhaltung der journalistischen Standards. Aktiv wird das Organ der medialen Selbstkontrolle zumeist bloss auf Grund von Beschwerden aus dem Publikum oder von Betroffenen. Falls eine Berichterstattung grundsätzliche Fragen aufwirft, kann der Presserat aus eigener Initiative eine Stellungnahme verfassen, was bisher selten geschah.
Spitzfindige erkennen hier ein Einfallstor für künftige staatliche Eingriffe. Der Presserat werde eine hoheitliche Rolle bekommen, und damit werde eine Art Zensurbehörde eingeführt, behauptete jüngst Chefredaktor Markus Somm im «Nebelspalter». Man darf das als Verschwörungsfantasie bezeichnen. Im Kern ist der Presserat eine Klagemauer fürs Publikum. Er hat institutionell bedingt nur einen selektiven Blick auf die publizistischen Leistungen im Land. Zum andern ist nirgendwo vorgesehen, die Kompetenzen des Presserats in Richtung eines Kontrollorgans mit Sanktionsmöglichkeiten auszubauen. Ebenso wenig ist geplant, die Stellungnahmen des Presserats als Massstab für die Erteilung von Fördergeldern zu verwenden. Falls jemand je auf eine solche Idee käme, müsste man ihm dies schnell ausreden.
Heikle Aussage von Economiesuisse
Zum Medien-Hilfspaket Stellung genommen hat auch der Wirtschaftsverband Economiesuisse. Es bestehe ein erhebliches Risiko, so schreibt er, dass die zusätzlichen Subventionen ihren Zweck verfehlten und neue Abhängigkeiten schaffen würden. Diesen Einwand kann man nachvollziehen. Der Verband bemängelt aber auch, dass weiterhin eine klare Umschreibung des medialen Service public fehle. Das ist bemerkenswert. Der wichtigste Wirtschaftsverband der Schweiz findet demnach, Medienförderung müsse mit einer klaren Definition von zu erbringenden Leistungen verknüpft sein. Dieses Argument taucht auch im Zusammenhang mit der Diskussion um die SRG regelmässig auf. Wenn es um publizistische Angebote geht, sind allerdings eng formulierte Leistungsaufträge höchst gefährlich, weil genau dann eine staatliche Einflussnahme auf Medienerzeugnisse droht. Auch ein hoher bürokratischer Aufwand wäre damit verbunden. Im Sinne der publizistischen Unabhängigkeit sind darum indirekte Fördermassnahmen vorzuziehen.
Kurz und gut: Das geplante Hilfspaket, über das nun das Volk befinden kann, umfasst keine direkten Fördermassnahmen. Gegner der zusätzlichen Subventionen sollten sich entsprechend auf stichhaltigere Argumente konzentrieren.
Direkte und indirekte Hilfe
Ein Leser hat darauf aufmerksam gemacht, dass bei der indirekten Presserförderung kein staatliches Geld direkt in die Kassen der Zeitungsverlage fliesst. Vielmehr ermittelt der Bund auf Grund des Gesuchs eines Zeitungsverlags den Betrag, den dieser zugute hat. Den jeweiligen Betrag überweist der Bund an die Post, die wiederum eine entsprechend reduzierte Rechnung an den Zeitungsverlag schickt (für den Versand der Exemplare). Falls künftig auch Online-Medien unterstützt werden, bekämen diese die Unterstützungsgelder direkt vom Bund. Im Endeffekt unterscheiden sich diese beiden Hilfsbeiträge nicht wirklich. Es handelt sich um Gelder, die spezfisch einzelnen Titeln zugeschrieben werden. In formaler Hinsicht konnten die Zeitungsverlage bisher aber sagen, sie bekämen kein Geld vom Staat – sondern eben nur via Post. Psychohygienisch und zur Rechtfertigung gegenüber der Öffentlichkeit mag das ein guter Trick sein. Aber nicht mehr.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist Mitglied des Stiftungsrats des Presserats.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie locker man sich seine eigene Rechtsgrundlage zusammenschustert, auch beim Infosperber…
Die direkten Mediensubventionen fallen klar unter das Subventionsgesetz (schriftlich bestätigt von Sabine D’Amelio-Favez, Direktorin EFV) und haben sich damit ganz klar auch dessen Vorgaben und Kriterien zu unterordnen. Zum Beispiel bei periodischen Subventionsprüfungen durch Bundesrat (Art. 5), Auskunftspflicht (Art. 15c), Verfügung (Art. 17), Überprüfung der Aufgabenerfüllung (Art. 25).
Von wegen «…Es handelt sich ebenso sehr um eine indirekte Hilfsmassnahme, vergleichbar mit jener der Presseförderung…»
An Staatsmedien à la «Prawda» vom Bärengraben glaube ich nicht. Der grösste Staatseingriff dieses Gesetzes liegt im Zwang, die Medienförderung von einem bestimmtes Bezahl-Geschäftsmodell abhängig zu machen. Wer, wie OnlineReports.ch als professionelles regionales Pioniermedium, traditionell kostenlos zugänglich ist, geht leer aus. Ziel dieses Gesetzes ist nicht die Förderung von Professionalität und Medienvielfalt. Die Folge dürfte eine weitere Ausdünnung der Vielfalt sein.