Schülerinnen Journalismus

Es ist gut, wenn Schülerinnen und Schüler lernen, was Journalismus ist. Nicht gut ist, wenn sie lernen, wie man Schleichwerbung als Journalismus tarnt. © Depositphotos

Rüge für gesponserten Journalismus an der Schule

Esther Diener-Morscher /  Ein Loblied auf die Firma Cremo: Das verstehen die Freiburger Nachrichten unter Journalismus.

«Eine heikle Sache» nennt es Jan Grüebler, Vizepräsident des Presserats. Dabei müsste der Presserat eigentlich erfreut sein, wenn Schülerinnen und Schüler lernen, was Journalismus ist. Doch das, was die «Freiburger Nachrichten» für die Schulen machen, findet der Presserat überhaupt nicht gut.

«Das Projekt ist geeignet, den Teilnehmenden ein grundlegend falsches Bild des Journalismus zu vermitteln.» Zu diesem Schluss kommt der Presserat und rügt die Zeitung.

Schüler lernen, wie man Schleichwerbung macht

Zu beurteilen hatte der Presserat folgenden Vorwurf eines Beschwerdeführers: Die «Freiburger Nachrichten» würden seit Jahren «unter dem Deckmantel eines medienpädagogischen Projekts» Eigenwerbung und Schleichwerbung für kommerzielle Unternehmen betreiben.

In der Tat lässt die Zeitung Schülerinnen und Schüler Texte recherchieren und schreiben. Stossend daran: Das Projekt «Zeitung in der Schule» wird von lokalen Unternehmen über Sponsorenbeiträge finanziert. Die Unternehmen können Themenvorschläge einbringen, und ihre Firmenlogos werden in der Zeitung unter den entsprechenden Texten publiziert.

Die Texte sind oft reine Werbebotschaften: Wohlwollend, unkritisch und immer mit penetrant häufiger Nennung des Firmennamens.

«Die FKB am Puls der Jugend»

Die Schülerinnen und Schüler berichteten zum Beispiel über die Freiburger Kantonalbank: «Die FKB am Puls der Jugend». Oder über die Groupe E: «Mit Fernwärme in eine nachhaltige Zukunft». Und über die Mobiliar-Versicherung: «Wenn sich die Versicherung nachhaltig engagiert.» Dies alles im redaktionellen Teil der «Freiburger Nachrichten».

Zu beurteilen hatte der Presserat einen Artikel über einen weiteren Sponsor: den Freiburger Milchverarbeiter Cremo. Im Artikel «Die Zukunft der Milchbranche» darf Thomas Zwald, Generalsekretär der Cremo, eine neue Mandelmilch bewerben und Cremo als innovatives Unternehmen darstellen, das nachhaltig produziere und attraktive Arbeitsbedingungen habe.

Der Firmenname kommt auf der Halbseite 16-mal vor. Der Artikel ist mit einem Bild illustriert, das die Produktepalette der Cremo zeigt. Es gibt keine einzige kritische Frage an den Vertreter von Cremo, obwohl die Firma in der Vergangenheit auch negative Schlagzeilen mit Schliessungen von Standorten und Entlassungen machte.

Werbung in den Journalismus eingeschleust

«Bei einer solchen Dichte und Ausschliesslichkeit von positiven Botschaften über eine Firma ist es gerechtfertigt, von Schleichwerbung zu sprechen», schrieb der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an den Presserat. Es sei deutlich, dass hier «Werbebotschaften in ein journalistisches Gefäss eingeschleust» worden seien. Dies sei eine bewusste Vermischung von Journalismus und Werbung.

Ein Zusatztext weist darauf hin, dass es sich beim Cremo-Artikel um einen Zeitungsbeitrag von Freiburger Orientierungsschülerinnen und Orientierungsschülern handle, die «im Rahmen des Projekts ‹Zeitung in der Schule›» geschrieben wurden.

Unter dem Text steht, welche Firmen die Artikel mit «grosszügiger Unterstützung» ermöglicht haben.

Die Beschwerde gegen die «Freiburger Nachrichten» bringt haarsträubende Tatsachen zu Tage. Die Schüler und Schülerinnen werden nicht etwa von der Redaktionsleitung oder einer professionellen Journalistin betreut, sondern von Praktikanten und Praktikantinnen, die sich teilzeitlich diesem Projekt widmen.

«In der Natur der Sache»

Christian Holzer, ehemaliger Redaktionsleiter, erklärte dem Presserat, dass es «in der Natur der Sache» liege, dass Texte im Rahmen dieses Projektes «weder besonders kritisch noch besonders bissig» verfasst seien. Die Zeitung vertrete den Standpunkt, dass die Kinder und Jugendlichen sich beim Schreiben ihrer Artikel in erster Linie «selber ausleben und ihre Interessen und Gedanken einbringen sollen».

Und Holzer erklärte: Sponsoren könnten «Themenideen» einbringen. Die Sponsoren könnten auf Wunsch Texte gegenlesen und «inhaltliche Fehler» korrigieren

Das ganze Projekt wertet der Presserat als «fragwürdig». Er kritisiert auch, dass journalistische Anfänger die Kinder anleiten: «Gerade, weil es sich um ein medienpädagogisches Projekt handelt, müsste die Redaktion ein besonderes Augenmerk auf eine professionelle und kritische Begleitung legen.»

Der Presserat rät «zu einer Überprüfung des medienpädagogischen Projekts».

«Stärkt die Zusammenarbeit»

Die «Freiburger Nachrichten» sehen jedoch überhaupt nichts Bedenkliches daran. So sagte der Co-Redaktionsleiter der «Freiburger Nachrichten» Fahrettin Calislar, das Projekts stärke «die Zusammenarbeit eines privaten Medienunternehmens mit den Schulen Deutschfreiburgs sowie staatsnahen Unternehmen und Verbänden». «Solche Worte – eines Journalisten notabene – legen offen, welches Selbstverständnis von Journalismus bei den FN vorherrscht», kritisierte der Beschwerdeführer.

Dieser hofft, dass die Zeitung «zu einer Kurskorrektur dieses ansonsten sinnvollen Projekts» bewogen werde. «Damit die Jugendlichen an echten Journalismus herangeführt werden und nicht an als Journalismus getarnte Marketingaktivitäten der Wirtschaftswelt.»

Die Zeitung wisse nämlich schon, wie es gehe. Es seien auch schon einige Artikel zu Themen erschienen, die nicht von Sponsoren vorgegeben worden seien und auf die diese keinen Einfluss genommen hätten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin war bis 2012 Vizepräsidentin des Presserats.
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2 Meinungen

  • am 2.12.2024 um 13:05 Uhr
    Permalink

    Ich bin gerade heute das erste Mal seit Jahrzehnten «Bund»-frei (eine Tamedia-Zeitung), das Abo gekündigt aus verschiedenen Gründen, zuoberst aber die Schleichwerbung für insbesondere Apple-Produkte (nicht Most oder Wein! :-), Reisen (insb. weite Flugreisen) und Autos (lobenswert nicht in der Zeitung, jedoch den Beilagen).
    Ich forderte viele Male die Redaktion auf, wenigsten die Reise-Werbung des Tamedia-Verlags nicht mehr «Bund Leserreise» sondern «Tamedia Leserreise» zu nennen, weil es die Redaktion in der heutigen Zeit unglaubwürdig macht. Ohne Erfolg, leider.

  • am 3.12.2024 um 12:17 Uhr
    Permalink

    Ich verstehe die Aufregung nicht. Da lernen die Jungen doch genau, wie sie in den heutigen Medien zu handeln haben. Der Geldgeber (zum Beispiel die Pharma-, die Rüstungsindustrie oder auch die Atlantikbrücke) sagt was zu schreiben ist, die Journalisten führen den Auftrag eifrig aus. Genau so läufts doch, besser die Jugend begreift das rasch. Ansonsten würden sie sich eigene Gedanken gönnen, das will doch heutzutage praktisch niemand mehr in solchen Positionen.

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