Radio SRF: Die Zuhörer machen das Programm
Nehmen wir als Beispiel die Sendung «Forum», welche Radio SRF 1 jeweils donnerstags nach den 10-Uhr-Nachrichten ausstrahlt. In einer Folge ging es kürzlich um die Frage: «Was tun gegen steigende Gesundheitskosten?»
Moderator Stefan Flury stellte seinen Gästen – Verena Nold vom Krankenkassenverband Santésuisse und Felix Schneuwly vom Vergleichsdienst Comparis – einleitend ein paar Fragen.
Bereits nach fünf Minuten rief er die Zuhörer zur Mitarbeit auf: «Sie können zuhause gerne mitdiskutieren. Per Mail oder per Telefon. Was finden Sie? Was muss man machen gegen die steigenden Gesundheitskosten?»
Fragen, Behauptungen, Beschimpfungen
Anschliessend bestritten die Zuhörer mit ihren Mails, mit ihren Online-Kommentaren und mit ihren Anrufen einen Grossteil der Sendung.
Die Zuhörer hatten Fragen. Und die Experten antworteten.
Die Zuhörer stellten Behauptungen auf. Und die Experten berichtigten.
Die Zuhörer schimpften. Und der Moderator klemmte ab: «Wunderbar, wir danken für Ihren Anruf.»
Ansonsten hatte er wenig zu tun.
Es war wie immer in solchen Sendungen: Fragen, die schon tausend Mal gestellt worden sind. Einzelfälle, mit denen die anderen Zuhörer und Zuhörerinnen nichts anfangen können. Argumente, die ständig wiederholt werden: «Ich kann nicht verstehen, dass es immer noch x Krankenkassen gibt mit x Verwaltungen und x Verwaltungsräten, statt einer Einheitskasse.» Neues brachte die Sendung nicht. Aufschlussreiches auch nicht.
Belanglos
Nun kann man ja der Ansicht sein, es sei gut, dass Radio SRF 1 das Publikum einbinde. Aber inzwischen hat diese Sendungsform ein derartiges Ausmass angenommen, dass das Programm eintönig, belanglos und ermüdend ist.
Kommt hinzu, dass viele «Forum»-Themen eigentlich ein Expertenwissen voraussetzen. Etwa: «Musikförderung: Tut die Schweiz genug?» «OECD-Mindeststeuer: Wer erhält die Milliarden?» «Ambulant oder stationär – wem hilft die Regelung?» Oder: «Wie weiter mit der Giga-Bank?»
Alte Fragen nochmals verwendet
Und die Sendung «Forum» ist nicht allein. Schon am nächsten Tag ging es in der Konsumentensendung «Espresso» wieder um die Krankenkassenprämien. Oder genauer: «Die Wahl der Franchise.»
Moderatorin Sabrina Lehmann musste sich nicht gross in die Materie einarbeiten. Denn sie stellte Susanne Gedamke von der Schweizerischen Patientenorganisation einfach Fragen aus dem Publikum.
Und nicht einmal aus dem «Espresso»-Publikum. Die Fragen stammten aus dem Krankenkassen-Chat der Fernsehsendung «Kassensturz». Susanne Gedamke hatte diese Fragen der «Kassensturz»-Zuschauer bereits drei Tage davor beanwortet.
Erkenntnisgewinn? Gleich null
Dann gibt’s auf SRF 1 auch noch den «Nachtclub», laut SRF «das unterhaltende Programm für schlaflose Nächte». Die Sendung wird vier Mal pro Woche ausgestrahlt. Sie beginnt um 20 oder 21 Uhr. Und sie dauert zwei bis drei Stunden.
Ralph Wicki und seine Kollegen erörtern dann mit dem Publikum weltbewegende Fragen: «Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig vorfreudig nervös?» «Haben Sie eine Lebensweisheit gehört, haben aber im Laufe des Lebens gemerkt, dass sie nicht stimmt?» «Was für einen Preis haben sie mal gewonnen, auf den sie noch heute so richtig stolz sind?» «Was für ein Geruch löst bei Ihnen Erinnerungen aus?»
Die Fragen, welche die Moderatoren im «Nachtclub» stellen, sprechen allerlei Selbstdarsteller an. Sie sprechen dann schier endlos zum Thema – oder auch über ganz anderes, weil sie zum Thema offenbar nichts zu sagen haben. Unterhaltungswert? Gleich null. Erkenntnisgewinn? Gleich null.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Vielen Dank für die Unterstützung der Halbierungsinitiative. Her Blocher wird Ihnen gerne eine Anerkennung zukommen lassen.
Mir kommen Ihre Zeilen so vor, wie die Kritik an Jesus, als er übers Wasser wandelte: Seht mal, der kann nicht einmal schwimmen!
Seit meiner Jugend habe ich die SRG mit all ihren Sendegefässen als nationales Rückgrat der Schweizerischen Sprachen, Kulturen und Eigenart verstanden. Jedes Medium sucht heute verstärkt den Meinungsaustausch mit dem Publikum. Ich bin seit langen Jahren SRF1 Radiohörer. Ich habe schon viel anderes ausprobiert (SWF3, SRF3, Radio Argovia und, und…). Ich bin immer wieder zu SRF1 zurückgekehrt. Es gibt schlicht keinen anderen Sender der ein solch abwechslungsreiches und vielfältiges Programm bietet. Und gerade was Interaktion mit dem Publikum anbelangt, macht dieser Sender einen super Job! Mit dem Fernsehen ist es ähnlich. Die Sendungen der SRG sind für mich die Schweizer «Referenz» (Homebase). Und die möchte ich keinesfalls missen!
Ich bin nicht Politiker, sondern Journalist. Deshalb unterstütze ich die Halbierungsinitiative nicht. Und ich bekämpfe sie auch nicht.
Vielmehr beschreibe ich, wie SRF mit vielen Sendungen in die Beliebigkeit und in die Belanglosigkeit abgleitet. Das müsste uns eigentlich Sorgen machen. Unabhängig von der Halbierungsinitiative.
Dass die privaten Sender noch schlechter sind, soll uns nicht daran hindern, ein kritisches Auge auf SRF zu werfen.
Nachtrag vom 16. Oktober zur Interaktion mit dem Publikum: SRF 1 fragte heute Morgen die Zuhörer und Zuhörerinnen: «Welches ist Ihre Disney-Lieblingsfigur?» Kommentar überflüssig.
Bin genau Ihrer Meinung. SRF1 kann im Echo der Zeit 30 Min.-lang über Wahlen in der CH vergeuden. Nichts als Zeitfüller und viele gemacht von Selbstdarstellern/innen.
Ein Beitrag von 5 Min. hätte gereicht.
Brennende Weltthemen hätte es genügend und das auf jedem Kontinent.
Um aktuelles auf der Welt zu erfahren muss man leider vermehrt auf ausländische Sender ausweichen. z.B. ZDF heute Journal.
….und wenn dann noch wie gestern und nicht zum ersten mal, ein SRF1 Moderator mit sehr lieblichen Stimme – als wäre das «härzig» die Nachrichtensendung Echo der Zeit ansagt mit dem Hinweis auf das Erdbeben in Afghanistan, dann kann ich nur noch den Nottaster drücken.
-Wo ist die Professionalität geblieben? Es scheint, als ob SRF1 immer mehr zu einem billigen Privatsender mutiert.
Heute gleitet ja vieles in die Belanglosigkeit ab. Das denke ich jedes mal, wenn ich ein Pamphlet der SVP in Händen halte. Voller Beliebigkeiten, Halbwahrheiten (die ja auch immer halbe Lügen sind) und belanglosen Meinungsäusserungen. Erkenntnisgewinn gleich Null. Und es werden immer die gleichen Phrasen wiederholt die wir schon tausendmal gehört haben. Interessanterweise ist sie die wählerstärkste Partei. Verstehe das wer will….Übrigens: Was würden Sie gegen die Steigerung der Gesundheitskosten tun?
Gerade hier setzt die SRG mit Ihren vielfältigen Programmen einen willkommenen Kontrapunkt. Die Höchststrafe für mich wäre, wenn es nur noch Teleblocher, Weltwoche daily und Nebelspalter geben würde.
Ja, nur noch Teleblocher, Weltwoche daily und Nebelspalter — das wäre in der Tat die Höchststrafe. Schön wäre trotzdem, wenn das Niveau von SRF wieder ein bisschen stiege.
Unter Blinden ist der Einäugige König. Wahrscheinlich lieben 90 % der Zuhörenden diese Belanglosigkeiten, die schludrige Sprache, obwohl es oft sogar körperlich schmerzt, was SRF 1 produziert oder durch das Publikum produzieren lässt. Ich gönne Herrn Richner SRF 1, einfach halt „gönnerfinanziert“ und nicht über eine Zwangsabgabe (die im Grunde genommen eine Steuer ist)
Meine Tageszeitung (die ich immer noch meistens in Papierform lese) kostet mich im Jahresabo über Fr 500.– Und ich möchte sie nicht missen und werde sie auch nächstes Jahr wieder abonnieren, da sie guten Recherchier-Journalismus mit lokalen, nationalen und internationalen Reportagen und Kommentaren bietet. So gesehen ist der Preis für das vielfältige Angebot der SRG geradezu ein Schnäppchen.
Ich höre praktisch nur SRF2 (auf SRF1 nur das Regionaljournal) und abwechslungsweise Espace2, SWR2 und Bayern4. — Ich höre auf SRF2 sehr selten Redundantes. Ich kann also Ihre Kritik überhaupt nicht nachvollziehen; sie ist mir auch zu pauschal.