Schule stemmt Herausforderungen

«Die Schulen haben in den letzten Jahren grosse Herausforderungen gestemmt.» Was das wohl heissen mag? © KI-Bild/Chat-GPT

PR-Sprache – auch Journalisten verwenden sie

Marco Diener /  Früher gab es «Probleme» und «Schwierigkeiten». Heute kaum mehr. Heute gibt es fast nur noch «Herausforderungen».

Radio SRF berichtete: «Die Schulen haben in den letzten Jahren grosse Herausforderungen gestemmt.». Damit war mit vielen Worten so gut wie nichts gesagt. Und es war eine Beschönigung, die aus einer PR-Küche stammen könnte, aber nicht von einem seriösen Radio verbreitet werden sollte.

Es ging um Corona, die Integration ukrainischer Kinder, den Mangel an Lehrern und Lehrerinnen. Also um veritable «Schwierigkeiten» oder sogar «Probleme», nicht bloss um «Herausforderungen».

Und was bedeutet «stemmen»? Waren die Schulen mit den Problemen «beschäftigt»? Waren sie davon «überfordert»? Haben sie die Probleme «gelöst»? Die deutsche Sprache hielte so viele Wörter bereit, welche die Sache benennen. «Herausforderungen stemmen» hingegen sagt nichts aus.

Hier finden Sie in alphabetischer Reihenfolge lauter Wörter von H bis O, welche die Verständlichkeit eines Textes erschweren oder die Tatsachen verschleiern:

  • Herausforderung: siehe Haupttext oben.
  • hochpreisig: Ist ein PR-Wort. «Hochpreisig» bedeutet «teuer».
  • horizontal: Ganz einfach: «waagrecht.»
  • HR: Warum nicht «Personalwesen» oder «Personalabteilung»? Wäre deutsch. Und verständlich.
  • HR-Chef: Und warum nicht «Personalchef».
  • Indigene: Wurde wohl erfunden, damit wir nicht mehr von «Eingeborenen» sprechen. Aber es gäbe ja noch die «ursprüngliche» oder die «einheimische Bevölkerung». Das verstünden dann auch Nicht-Akademiker.
  • inklusiv: Wer «inklusiv» hört, denkt möglicherweise als Erstes an Gratis-Alkohol im Pauschalferien-Hotel. Aber Alkohol oder andere Inklusiv-Leistungen sind damit nicht gemeint. «Inklusiv» bedeutet, dass niemand ausgeschlossen werden soll. Könnte man auch so sagen.
  • Job: Englische Wörter sind häufig kürzer als deutsche. Der «Job» ist ein Beispiel dafür. Doch was nützt ein kurzes Wort, wenn es eine Verallgemeinerung ist? Wenn es alles Mögliche bedeuten kann: «Beruf», «Stelle», «Arbeit», «Auftrag», «Mandat».
  • Kassenbon: «Den Kassenbon wollen Sie?», fragen die Angestellten an der Supermarktkasse neuerdings. Keine Ahnung, wer die Weisung erlassen hat, dass der «Kassenzettel» oder die «Quittung» nun «Kassenbon» heissen soll. Mit einem «Bon» oder einem «Gutschein» hat der Papierstreifen ja nichts zu tun. Er ist wertlos, solange man nichts umtauschen will.
  • kompliziert: Neuerdings ist alles «kompliziert»: in der Politik, im Sport, auf der Arbeit. «Kompliziert» dürfte aus dem Englischen oder aus dem Französischen entlehnt sein: «It’s complicated.» Oder: «C’ est compliqué.» Dabei ist es häufig gar nicht «kompliziert», sondern bloss «schwierig».
  • Kreditausstände: Bankenjargon. «Kreditausstände» sind nichts anderes als «Schulden».
  • kritisch: Radio SRF berichtete kürzlich über «kritische» Rohstoffe. Was das heisst? Erfuhren die Zuhörer nicht. Gemeint sein können Rohstoffe, die «wichtig» sind, «dringend nötig», «knapp», «selten» oder «rar», «gefragt», «begehrt», aber auch «heikel» oder «gefährlich». Warum sagen uns die Radioleute nicht, was Sache ist?
  • Kulinarik: Modewort. Es bedeutet «Kochkunst». Warum also nicht «Kochkunst» sagen? Das Wort ist gleich lang. Und erst noch für alle verständlich.
  • Leak: Stammt aus dem Englischen und bedeutet «Leck». Das deutsche Wort ist gleich lang. Und erst noch verständlich. Aber das hatten wir doch eben erst.
  • Leuchtturmprojekt: Die «Neue Zürcher Zeitung» kritisierte schon vor zehn Jahren: «Der Ausdruck ‹Leuchtturmprojekt› gehört in die Kategorie der ‹Quantensprünge› und ‹Meilensteine›. Auch bei diesen Schlagwörtern geht es in erster Linie darum, einer an sich banalen Sache mit einer glänzenden Etikette einen superlativen Hauch zu verleihen. Meist steckt aber weniger drin, als die pompöse Verpackung verspricht.» Dem ist nichts hinzuzufügen.
  • LKW: In der Schweiz werden sperrige und schwere Güter von einem «Camion» transportiert oder von einem «Lastwagen». Aber bestimmt nicht von einem «Lastkraftwagen». Die Abkürzung müsste daher «LW» heissen. Wenn eine Abkürzung überhaupt nötig ist.
  • Mangellage: Seit ein paar Jahren fürchten wir uns vor allerlei «Mangellagen»: etwa beim Strom oder beim Gas. Aber warum «Mangellage»? Warum nicht einfach «Mangel»?
Newsletter Balken gold

  • margenstark: Das ist Managerjargon. Und bedeutet eigentlich «einträglich». Aber das tönt ein bisschen entlarvend.
  • marktfrisch: Reine Werbesprache. Die Migros verkauft Lageräpfel und Lagerkarotten, die mehr als ein Jahr im Lagerhaus lagen, tatsächlich als «marktfrisch».
  • Meeting: Das ist eine «Sitzung». Oder ein «Treffen».
  • Narrativ: Das «Narrativ» ist ein perfides Wort. Nur unterschwellig ist damit gesagt, dass etwas faul ist. Genauso wie bei der «Erzählung» im zweiten Teil dieser kleinen Serie. Wer von einer «Erzählung» oder einem «Narrativ» spricht, der unterstellt, dass etwas nicht stimmt. Deshalb: Warum nicht gleich «Behauptung», «Gerücht», «Märchen», «Lügengeschichte»? Damit wäre das Problem benannt.
Narrativ
Ein «Narrativ», wie es sich Chat-GPT vorstellt.
  • Null, rote: Wirtschaftsjargon. Eine «rote Null» ist ein «kleiner Verlust». Aber das Wort «Verlust» klingt nicht gut.
  • Null, schwarze: Ebenfalls Wirtschaftsjargon. Aber ein «kleiner Gewinn».
  • offensiv: «Offensiv» bedeutet eigentlich «angriffig». So wird das Wort beispielsweise auch im Sport verwendet. Neuerdings ist aber auch von «offensiver Sprache» die Rede. Doch damit ist nicht «angriffig», sondern «beleidigend» gemeint. Das ist nicht das Gleiche. Deshalb sind die beiden deutschen Wörter erste Wahl.
  • On-Boarding: Klingt gut. Aber bedeutet eigentlich bloss: Der oder die neue Angestellte wird «eingearbeitet».
  • Opportunität: Börsensprache. Heisst nichts anderes als «Möglichkeit» oder «Gelegenheit». Tönt aber kompetenter.

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Keine
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3 Meinungen

  • am 27.02.2025 um 12:41 Uhr
    Permalink

    Im Flughafen Zürich, genauer im Restaurant Chreis 14 im Circle, sind die Menus aussen gar nicht mehr in deutsch angeschrieben. Das ist noch schlimmer.

  • am 28.02.2025 um 13:50 Uhr
    Permalink

    Marco Dieners Sprachkolumnen sprechen mir aus der Seele. Verblödung durch Falschgebrauch und Bedeutungsverdrehung von Wörten, Erfindungen von Begriffen, die es längst gibt und die Vermeidung präziser Ausdrücke sind das Lieblingshobby vieler sogenannter Medien. Ganz vorn dabei sind auch Politiker wie Robert Habeck, die ein breit ausfransendes inhaltsleeres Dummdeutsch geradezu frenetisch praktizieren.

  • am 1.03.2025 um 19:00 Uhr
    Permalink

    ein (leider) verstorbener Freund aus Kanada, geboren als Member and Aboriginal of the First Nation, hätte obigen Hinweis zu den «Indigenen» mit Freude gelesen! Meegwetch (Danke).

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