Sperberauge

Ohrenweh vor dem «Fernseh»

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Manchen SRF-Reportern fehlt das Fachwissen. Deshalb klopfen sie Sprüche. Zum Beispiel an der Biathlon-EM. Es ist zum Fremdschämen.

Wer die Biathlon-Europameisterschaft auf der Lenzerheide GR im Schweizer Fernsehen verfolgte, bekam mitunter zu hören: «Ein Treffer, zwei Treffer, drei Treffer, vier Treffer, fünf Treffer.» Das ist deshalb unnötig, weil das Fernsehen für jeden einzelnen Biathleten, jede einzelne Biathletin eine Trefferanzeige einblendet. Reporter Calvin Stettler erzählte also nur, was jeder Zuschauer sowieso schon gesehen hatte. Und er fuhr fort: «Jetzt raus auf die Loipe.» Als ob die Biathleten nicht wüssten, was sie nach dem Schiessen zu tun haben.

«Steinbock auf Biathlon»

Offenbar mangelt es manchen SRF-Sportreportern an Fachwissen. Deshalb bekommen sie einen Experten zur Seite gestellt. Bei den Biathlon-Reportagen ist das Matthias Simmen. Der Reporter verlegt sich wie gestern aufs Sprücheklopfen:

  • Als das Fernsehen drei Steinböcke zeigt: «Wir haben so richtig Steinbock auf Biathlon.»
  • Als es spannend wird: «Das ist ganz grosses Biathlon-Kino.»
  • Als der Schweizer Niklas Hartweg nachladen muss: «Das muss jetzt ratzfatz gehen.»
  • Als er aufholt: «Coole Körpersprache.»
  • Nachdem der Norweger Endre Strömsheim sehr schnell geschossen hat: «Der schiesst in 14,7 Sekunden. Lago mio!»
  • Weil die Norweger eine ausgeglichene Mannschaft haben: «Diese Dichte bei den Norwegern. Das ist crazy.»

Es ist zum Fremdschämen. Dabei hätte Reporter Calvin Stettler ja erklären können, warum manche Biathleten blitzschnell schiessen und warum manche sich viel Zeit lassen. Oder er hätte uns sagen können, was er mit der «coolen Körpersprache» eigentlich meint.

Biathlon EM Europameisterschaft Lenzerheide Niklas Hartweg Calvin Stettler SRF
«Das ist ganz grosses Biathlon-Kino.» Niklas Hartweg (rechts) auf dem Weg zur Silbermedaille an den Europameisterschaften auf der Lenzerheide.

Die «Emotionsbombe»

Begonnen hatte Calvin Stettler die Reportage zur Single-Mixed-Staffel wenig zuversichtlich. Am Morgen hatten die Schweizer in der Mixed-Staffel eine Medaille vergeben. Deshalb sagte er zwar: «Es soll ein Super-Sonntag werden an dieser Heim-EM.» Schränkte aber ein: «Ganz, ganz der Super-super-super-super-super-Sonntag wird’s nicht mehr.»

Doch dann holten Niklas Hartweg und Amy Baserga trotzdem noch eine Medaille. Calvin Stettler bezeichnete Baserga als «Emotionsbombe» und Hartweg als künftigen «Biathlon-Rockstar». Wer so reden muss, versteht offenbar wenig von der Sache.

Das Rennen nahm den Reporter derart mit, dass er sagte: «Ich muss kurz durchatmen. Lago mio.» Und so sehr, dass er in pseudo-origineller Sprache fortfuhr: «Was ein Rennen!» Dann wurde es richtig peinlich: «Ja, ja, Biathlon kommentieren ist gesundheitsgefährdend. Aber weisst du was? Das nehme ich in Kauf. Sterbe ich halt zwei, drei Jahre früher.»

«In Lenzerheide»

Kleines Ärgernis am Rande: Experte Matthias Simmen sprach immer davon, dass die Biathlon-EM «auf der Lenzerheide» stattfinde. Auch Studio-Moderatorin Sibylle Eberle sagte: «Auf der Lenzerheide.» Nur Reporter Calvin Stettler blieb unbeirrt bei seinem «in Lenzerheide». Da bekommen auch Nicht-Bündner Ohrenweh!

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2 Meinungen

  • am 30.01.2023 um 13:01 Uhr
    Permalink

    Ich schaue auch Biathlon. Ich finde diesen Sport sehr spannend, attraktiv und die Schweizer werden immer besser. Das kritisierte Rennen habe ich ebenfalls gesehen. Die Superlativ-Kommentare sind nicht nötig, aber ich empfand dabei kein besonderes Aergernis.

    Was mich jedoch ärgert, sind die ständigen albernen Interviews in den Alpin-Ski-Wettbewerben bei den Herren. Oftmals sogar während der Fahrt eines Konkurrenten. Einer liebt es offenbar, mit dummen Fragen immer wieder leeres Stroh zu dreschen. Schlimm war es beim Abschiedsrennen des Beat Feuz. Es folgte Interview auf Interview. Plump und tollpatschig. Einfach nur ärgerlich.

  • NikRamseyer011
    am 1.02.2023 um 11:42 Uhr
    Permalink

    Interessante Geschichte. Beni Turnherr, sozusagen der «Elder Statesman» der Schweizer Sportreporter hat allerdings mal gesagt, seine Hautpaufgabe sei es, den ZuschauerInnen vor dem TV-Gerät zu bestätigen, dass sie dasselbe gesehen hätten, wie er als Fachmann – und es richtig gesehen hätten: «Kein Foul!» etwa. Aber eine seriöse Sprachanalyse des «Reporter-Speak» wäre mal eine Dissertation wert. Vorab die Fussballreporter haben eine Art verbenlose Krüppelsprache entwickelt, in der alles nur noch «mit» ist: «Sommer MIT dem weiten Ausspiel nach vorne, Rodrigues MIT dem Querpass vors Tor, Embolo MIT dem feinen Lupfer, Donarumma MIT der Glanzparade.» Einfach grässlich! Und dann gibt es noch die ganz Lustigen. So hat eine US-Skifahrerin ihre enttäuschende Leistung neulich mit der ungünstigen Zeit in ihrem «monthly cycle» zu erklären versucht. Und der Reporter übersetzte: «Nicht mal für ihr monatliches Fahrradfahren reichte die Kraft.»

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