Sperberauge

NZZ publiziert russische Tragödie unter falschem Autorennamen

Lukas Hässig © zvg

Lukas Hässig /  «Schutz der Person», begründet der Verlag. Es geht um einen Russen, der nicht Balletttänzer, sondern Krieger wurde.

«Kolja ist mein Cousin.» Das schrieb Lena Wagner vor einem Monat in der NZZ. Nur: Eine Lena Wagner gibt es bei der grossen Zeitung nicht. Der Autorenname im langen Bericht, der unter die Haut geht, ist erfunden.

Ausgerechnet Wagner, könnte man meinen. Da gibt’s doch dies Gruppe Wagner, eine russische Söldnerarmee, deren Chef rebellierte – und dann nicht mehr lange lebte.

Wer das Stück tatsächlich verfasst hat, dazu meinte die NZZ gestern: «Dies unterliegt dem Redaktionsgeheimnis und dient dem Schutz der Person.»

Dass es sich bei der aufgeführten Journalistin nicht um die richtige Person handelt, steht nirgends im Text. Der Leser geht somit davon aus, dass die Autorin tatsächlich Lena Wagner heisst.

Unbenannt
Künstlerisch aufgemacht, aber mit falschem Autorennamen publiziert: Artikel in der NZZ.

Sie beschreibt, wie aus ihrem Cousin Kolja ein Schläger wurde, der Menschenleben auf dem Gewissen hat. «‹Nein, du machst Judo!›, befahl der Vater im Haus der Grossmutter», so die Autorin. Dabei habe ihr Cousin doch von einer Ballett-Karriere geträumt. «Nach jedem verlorenen Wettbewerb gab es Prügel vom Vater.»

Kolja landete in der Roten Armee. Er «robbte durch den Dreck, er putzte die Klos, er liess sich von seinen Vorgesetzten erniedrigen.» Dann wurde er kriminell, landete im Gefängnis.

«Zurück in Freiheit, zog er, der zweifache Totschläger, von der Peripherie des Landes in eine andere Provinzstadt, weit weg von der Schwester, der Cousine, seinen ehemaligen Kumpels.» Dort schmiedete er einen neuen Lebensplan. In den Krieg ziehen – gegen die Ukraine.

«Den Verbitterten und Frustrierten gibt das Regime ein Ziel für ihre Wut: die Ukraine, den Westen an sich.»

Das Unverständliche erklärt die Autorin, die unbekannt bleibt, so: «Von klein auf lernte Kolja Gewalt. Erniedrigungen. Schläge. Die Sehnsucht, so sein zu dürfen, wie er sein wollte, wurde aus ihm herausgeprügelt.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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