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Die «Geberländer» wollen jeden Cent der «Hilfsgelder» zurück © nachtumschau

Von Hilfe und «Hilfsprogramm» kann keine Rede sein

Urs P. Gasche /  Mit der Wahl der Worte beziehen Medien Stellung, auch im Griechenland-Drama. Ist die Rede von «Hilfe» korrekt? Wem wird geholfen?

Unter «Hilfe» und «Hilfsgelder» verstehen die meisten Leute das, was die Glückskette und auch Staaten bei Katastrophen tun: Sie spenden Geld und Waren ohne Gegenleistung. Sie erwarten nicht, dass das Geld oder die Waren eines Tages zurückerstattet werden.
Auch im privaten Bereich verstehen wir unter «Helfen», Geld oder Waren zu schenken oder für Dritte einseitige Dienstleistungen zu erbringen.

Deshalb die Frage: Warum reden und schreiben Fernsehen, Radio und Presse bei Griechenland in der Regel von «Hilfspaketen», «Hilfsprogrammen» oder «Griechenlandhilfe», obwohl es um voll rückzahlbare Kredite geht?

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Vielleicht übernehmen sie ohne zu hinterfragen die Wortwahl, das «Wording», welches die Gläubigerländer, die sich gerne «Geberländer» nennen, sowie EZB und IWF vorgeben.
Oder sie begründen es damit, dass die Darlehen nicht auf dem Kapitalmarkt aufgenommen und nicht zu Marktbedingungen gewährt werden, sondern mit günstigeren Zinsen und längeren Laufzeiten.

Falls Letzteres der Fall ist: Warum reden und schreiben die Medien konsequenterweise nicht ebenfalls von «Hilfe», «Hilfspogrammen» oder «Hilfspaketen», wenn es zum Beispiel in der Schweiz um ähnliche Kredite zu Sonderbedingungen geht? Warum also nicht «Hilfspaket» für den Wohnungsbau, wenn sie über die zinslosen Kredite des Bundes an den Wohnungsbau schreiben? Warum nicht von «Hilfsgeldern» für die Hotels, wenn sie darüber berichten, dass der Bundesrat die Hotelkredite aufstockt? Warum nicht von «Hilfsprogramm» an die Landwirtschaft, wenn sie über die Investitionskredite zugunsten der Landwirtschaft informieren? Und warum nicht von «Hilfsgeldern» für den Flughafen Zürich, wenn sie über 400-Millionen-Kredite der öffentlichen Hand an den Flughafen berichten?

Fast neunzig Prozent der «Hilfsgelder» gehen umgehend zurück an die «Geldgeber»

Im Fall Griechenland ist die Bezeichnung «Griechenlandhilfe» besonders fragwürdig: Es entsteht der falsche Eindruck, die Milliarden würden auf die eine oder andere Weise für das Not leidende griechische Volk ausgegeben. Dabei wurden bisher fast 90 Prozent der Gelder dafür verwendet, auslaufende Kredite der «Geberländer», inklusive Zinsen, zurückzuzahlen. Die Kredite wurden de facto einfach verlängert.

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Unter «Finanzsektor» sind die Gläubiger zu verstehen.
Insgesamt schuldet der griechische Staat – fast ausschliesslich ausländischen – Gläubigern beinahe 300 Milliarden Euro.
Vor wenigen Jahren waren diese Gläubiger private Grossbanken, Hedge Funds und Versicherungskonzerne, heute sind es vor allem die EU-Staaten, die EZB und der IWF.
Die Gläubiger hatten Griechenland mit ihren Käufen griechischer Staatsanleihen nie geholfen, sondern ihre Milliarden im falschen Land investiert.
CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, beschrieb noch am 24. Juni im ARD-Talk mit Anne Will die seit Jahren bekannten Verhältnisse in Griechenland wie folgt: «Es funktionieren weder Staat noch Wirtschaft. Es gibt kein funktionierendes Steuersystem, nur ein Steuerchaos. Das Rentensystem funktioniert nicht. Bei allen Regeln gibt es immer noch mehr Ausnahmen. Der Staat ist weitgehend korrupt. Es herrscht ein altes Klientel-System, das den Staat ruiniert hat.»
Die entscheidende Frage lautet deshalb: War es nicht grobfahrlässig, diesem Land Milliarden-Kredite zu gewähren? Muss diese Grobfahrlässigkeit nicht endlich geahndet werden, indem die Gläubiger für ihre Blauäugigkeit mit einem happigen Schuldenschnitt ihre Guthaben abschreiben müssen?
Kleine Gläubiger müssen Konkurse in Kauf nehmen, damit die Schuldner neu anfangen können. Grosse Gläubiger dagegen können mit Hilfe willfähriger Politiker darauf pochen, dass ein Schuldner seine Schulden jahrzehntelang zurückzahlt, auch wenn er ohne Hemd und Hosen leben muss. «Hilfsgelder» dienen fast nur dazu, die Rückzahlung auslaufender Kredite zu sichern.
Das Minimum für Griechenland wäre eine Reduktion der geschuldeten Zinsen auf Null sowie eine nochmalige Verlängerung der ohnehin schon langen Rückzahlungstermine. Doch nicht einmal das wollen EU und IWF der griechischen Regierung gewähren. Aus politischen Gründen. Sie kehren den Spiess um und verbreiten, Tsipras und Varoufakis verhielten sich «stur» und seien «nicht kooperativ». Viele Medien übernehmen dieses Wording blindlings, ohne die genauen Verhandlungspositionen zu kennen.
Das eigentlich Nötige wäre ein drastischer, geordneter Abschreiber auf den Schulden um rund siebzig Prozent. Der unvermeidbare Schuldenschnitt wird aus politischen Gründen weiter hinausgeschoben, bis es in Griechenland zu ungeordneten Wirren kommt.


Siehe


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Tsipras

Griechenland nach der Kapitulation

EU, EZB und IWF erzwangen Rückzahlungen an die fahrlässigen Kreditgeber – auf dem Buckel der Bevölkerung.

Zeitungen_1

Kritik von Zeitungsartikeln

Printmedien üben sich kaum mehr in gegenseitiger Blattkritik. Infosperber holt dies ab und zu nach.

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3 Meinungen

  • am 27.06.2015 um 01:02 Uhr
    Permalink

    Herr D trifft auf Herrn G und macht ihm ein Angebot: «Ich hätte Ihnen da einen Mercedes zu verkaufen.» G: «Danke, aber ich habe kein Geld dafür.» D: «Macht nichts, ich leihe ihnen das, und erst noch zu einem günstigen Zins!» G: «Super, dann nehm ich den Mercedes.» Und er fährt damit davon. Aber als es ans Zurückzahlen geht, hat G immer noch kein Geld – worüber sich D nun mächtig ärgert.
    Zwischenfrage: wer ist schuld an dieser misslichen Situation? Einerseits gewiss Herr D(eutsch) – er hätte die Verhältnisse des G(riechen) durchschauen und ihm nicht so viel leihen sollen. Nun muss D für seine fahrlässige Kreditvergabe büssen. Aber auch G ist schuldig: Er hätte auf den tollen Mercedes verzichten sollen. Stattdessen hat er – solange das Auto überhaupt noch lief – weit über seine Verhältnisse gelebt.
    Soviel zur Schuldfrage. Wichtiger ist jedoch, wie sich die Sache wieder ins Lot bringen lässt. D neigt dazu, G das letzte Hemd auszuziehen und ihn auf Wasser und Brot zu setzen, damit G sein Darlehen abstottern kann. Doch ob dieser Behandlung wird G krank und arbeitsunfähig; jetzt kann er erst recht nichts mehr zurückzahlen.
    Dieser Weg dient also weder G noch D. D wird dies eines Tages merken. Er wird G die Zahlungsfrist erstrecken und ihm ein weiteres Darlehen gewähren, eine Business-Starthilfe, damit G ordentlich was verdienen kann. So sollte G seine Schuld verzinsen und nach und nach wenigstens teilweise abzahlen können. Er sollte. Der Rest ist Hoffnung.

  • am 27.06.2015 um 11:18 Uhr
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    Der Vergleich hinkt leider, Herr Koller. Anders als Herr D. erleiden nicht die grosszügigen Geldgeber die Verluste, sondern der Steuerzahler, der nichts dazu sagen kann!

  • am 27.06.2015 um 12:29 Uhr
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    In dem Punkt haben Sie schon Recht, Frau Moning: Es ist stossend, wenn fahrlässige Financiers mit Steuergeldern schadlos gehalten werden (auch wenn die Privatgläubiger immerhin im Jahr 2012 einen 100-Milliarden-Schuldenschnitt hingenommen haben).
    Am grösseren Bild hingegen ändert sich nichts: Aus Westeuropa sind viel zu grosszügige Kredite nach Griechenland geflossen, mittels welcher die Griechen Importwaren konsumiert haben. Dies hat mitunter die westeuropäische Wirtschaft begünstigt und dazu beigetragen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland tief zu halten und die Deutschen zum «Exportweltmeister» zu machen. Wovon ja auch die (deutschen) Steuerzahler profitiert haben.
    Ob Steuerzahler oder Privatgläubiger: um das Schlamassel zu mildern, müssen die «Westeuropäer» wohl oder übel Abschreiber im Kauf nehmen.
    Natürlich befreit dies Griechenland nicht von der Auflage, seine wirtschaftliche Produktivität zu steigern, Bürokratie abzubauen und Steuerpflichtige zur Kasse zu bitten.

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