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Die viel kürzere ARD-Tagesschau informierte fast zwei Minuten über die Preisträger*innen © ard

SRF-Tagesschau: Kein Wort über mutige Lebenswerke

Urs P. Gasche /  Statt über die engagierten Gewinner des alternativen Nobelpreises zu informieren, palavert die Tagesschau ewig über Walliser Weine.

upg. Infosperber nimmt besonders häufig Beiträge der Tagesschau unter die Lupe, weil sie am meisten Zuschauende erreicht. Die Qualität der öffentlich-rechtlichen Informationen soll sich von denen der Privatsender deutlich abheben.

Für einmal geht es um etwas äusserst Erfreuliches: Menschen, die sich mutig und mit höchstem Einsatz für Menschenrechte, gegen Armut, Korruption und Vetternwirtschaft sowie gegen den Machtmissbrauch von Konzernen eingesetzt haben. Vier von ihnen sind in Stockholm mit dem «alternativen Nobelpreis» ausgezeichnet worden. Die ARD-Tagesschau (Hauptausgabe ab 13’17») stellte die vier Preisträgerinnen und Preisträger in einem fast zweiminütigen Beitrag vor.
Die Schweizer Tagesschau dagegen (Hauptausgabe) informierte die Zuschauenden nicht über diese Nobelpreisträger. Dafür langweilte die Tagesschau die Zuschauenden mit einem langen Beitrag über die Walliser Weine (ab 19’15»). Ein einziger Satz hätte genügt: «Weil die Traubenernte im Wallis mengenmässig geringer ist als normal, erlaubt der Kanton den Winzern, dem AOC-Wein dieses Jahr ausnahmsweise zehn Prozent Weine aus andern Kantonen beizumischen.» Mehr erfuhr man in den fast zweieinhalb Minuten nicht.

Drei Preisträger mit ähnlicher Mission
Die NZZ berichtete über die Nobelpreisgewinner auf Seite 2, die Berner Zeitung mit einem Seitenaufmacher. Den Printausgaben des Tages-Anzeigers/Bund/BZ und den AZ-Medien waren die Preisträger keine Zeile wert. Privaten TV-Sendern sowieso nicht.
Deshalb stellt Infosperber die Gewinnerinnen und Gewinner aufgrund von ARD-Daten vor. Geehrt wurden ein Anwalt, eine Journalistin und eine Aktivistin. In unterschiedlichen Ländern fanden sie «praktische Lösungen für globale Probleme», urteilte das Komitee. Bei der Preisvergabe werde nach den Worten des Chefs der Stiftungsleiters Ole von Uexküll besonders auf die «Signalwirkung» der Preisträger geachtet. Die sollen eben nicht nur für ihre individuellen Leistungen ausgezeichnet werden.
Colin Gonsalves: Anwalt in Indien

Der indische Anwalt Colin Gonsalves habe sich drei Jahrzehnte lang unermüdlich und erfindungsreich für die Menschenrechte der am meisten gefährdeten und an den Rand gedrängten Menschen der indischen Gesellschaft eingesetzt, würdigte ihn das alternative Nobelpreis-Komitee. «Ein Beispiel dafür war der ‹Right To Food›-case, bei dem Gonsalves vor dem Obersten Gerichtshof das Recht auf Nahrung erstritten hat. Dadurch hat sich dann für 400 Millionen Menschen der Alltag dahingehend geändert, dass jetzt ihre Nahrungsmittel anders subventioniert werden als vorher und dass jeder Schüler sowie jeder Student in Indien das Recht auf ein freies Mittagessen hat», erklärte Stiftungsleiter Ole von Uexküll.
Khadija Ismayilova: Journalistin aus Aserbaidschan

Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan wurde für ihren «Mut und ihre Hartnäckigkeit», Korruption auf höchster Regierungsebene durch hervorragenden investigativen Journalismus aufzudecken. «So etwas in Aserbaidschan zu betreiben ist gefährlich und das dann auch noch mit einer solchen Qualität und einer solchen Recherchetiefe zu machen – das ist einfach brillant und dafür bekommt sie den Preis», sagte von Uexküll.

Yetnebersh Nigussie: Blinde Aktivistin aus Äthiopien

Die Dritte im Bunde der diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger ist die seit ihrem sechsten Lebensjahr blinde Äthiopierin Yetnebersh Nigussie: «Sie hat mehrere Organisationen gestartet und aufgebaut. Zum Beispiel eine Organisation für die Rechte von Menschen, die mit Behinderungen leben», erklärte von Uexküll. So habe sie es geschafft, eine grosse Aufbauarbeit für die Zivilgesellschaft allgemein in Äthiopien zu machen.
Sie und die beiden anderen Preisträger teilen sich das Preisgeld von umgerechnet etwa 315’000 Euro. Verliehen wird die Auszeichnung am 1. Dezember im Stockholmer Vasa-Museum.

Robert Bilott: Umweltanwalt in den USA

Den nicht dotierten Ehrenpreis bekommt in diesem Jahr der US-Amerikaner Robert Bilott. «Er ist einer der wichtigsten Umweltanwälte und hat einen riesigen Skandal von chemischer Kontamination von Trinkwasser in den USA aufgedeckt.» Er habe es geschafft, Entschädigungen für die Opfer zu erstreiten.

Konkret ging es um den Zusammenhang zwischen Perfluoroctansäure (PFOA) als Ursache und als Folge schweren Erkrankungen bei Menschen, die verseuchtes Wasser getrunken hatten. 19 Jahre hatte der Rechtsstreit gedauert, allein sieben Jahre lang wurden etwa 70’000 toxikologische Untersuchungen gemacht und ausgewertet. Der für die Sammelkläger schliesslich erfolgreiche Prozess gegen den DuPont-Chemiekonzern gilt als Meilenstein in der Geschichte des Umweltrechtes.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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6 Meinungen

  • am 27.09.2017 um 12:12 Uhr
    Permalink

    Es ist ja zu begrüssen, dass die Walliser dieses Vorgehen kommunizieren. Deshalb aber eine solch übertriebene Bildgeschichte zu produzieren, ist überflüssig. Der Beitrag hätte wohl auch in einen Werbeblock gepasst.

  • am 27.09.2017 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Derlei Beobachtungen liessen sich – gefühlt – bei jeder zweiten SRF-Tagesschau machen. Ohne anschliessende ARD-Tagesschau geht’s kaum noch. Die TS-Redaktion scheint zuweilen eine eigenwillige Vorstellung von Relevanz zu haben. Hauptsache die Schweiz im Herzen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 27.09.2017 um 12:57 Uhr
    Permalink

    Ja, diese vier Persönlichkeiten des Alternativen Nobelpreises verdienen fürwahr Beachtung. Andererseits hatte wohl der Bericht über die Walliser Weine, dessen Substanz gemäss Kommentar Gasche eigentlich ernüchternd ist, zur Hauptsache die Funktion, die Proportionalität der Berichterstattung aus dem Wallis zu erstellen. Man weiss ja, dass sie sich oft übersehen fühlen, und es gab und gibt natürlich noch andere Themen als Freysinger, Constantin u. Co. Sorgen macht mir, dass Walliser Weine etwa im Vergleich zu Elsässer Tropfen international kaum mehr konkurrenzfähig sind, mit Ausnahme von Restaurationen, wie dem Swiss Center in London, wo Fondue und Raclette angeboten werden.

  • am 27.09.2017 um 13:04 Uhr
    Permalink

    Jedem das Seine! Persönlich habe ich die Reportage über Walliser Weine sehr gerne gesehen. Es zeigt schweizerisches Tun, und ehrlich gesagt wer kennt schon die «Alternativen Nobelpreisträgern"? Viele Schweizer/innen leisten im Verborgenen grosse, geschenkte Hilfe an Dritten, was wissen Sie über dieser Helfer/innen? Honi soit qui mal y pense, dieu et mon droit

  • am 28.09.2017 um 02:11 Uhr
    Permalink

    "Wer kennt schon die «Alternativen Nobelpreisträger?» Darum geht es: Wie wichtig ist es, ihre Taten und ihr Wirken bekannt zu machen ! Die geehrten Persönlichkeiten setzen mutige Zeichen gegen eine weit verbreitete Tatenlosigkeit – gegenüber Mächtigen. Sie unterstützen Menschen in hoffnungslosen Situationen. Wenn es in jeder Schweizer Zeitung eine Rubrik gäbe: «Tue Gutes und sprich darüber» – wäre auch das ein wichtiges Signal gegenüber Gleichgültigkeit und Resignation. Die «Täterinnen» und «Täter» könnten anonym sein, nur der Redaktion bekannt.
    Elisabeth Lutz, Zollikofen BE

  • am 29.09.2017 um 11:35 Uhr
    Permalink

    vgl. : Le Nouvelliste 29.09.2017 S. 33 🙂

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